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Joe
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"Wenn der Winter zu laut wird" - 2011, meine erste Reise nach Pattaya

Klimbim

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24 November 2024
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Teil 19: Zukunft sieht rückwärts

Vorspann: Pratumnak Hill, 2025


Zwei mittelalte Körper trieben halb aufgelöst im warmen Poolwasser einer kleinen gepflegten Anlage in Pratumnak Hill. Es war kurz nach vier am Nachmittag, die Sonne hatte sich hinter ein paar bauschige Wolken zurückgezogen, und ein langsam schmelzender Eiswürfel tickte leise im Glas mit Gin Tonic auf dem Beckenrand.

"Du warst damals echt 'ne Nervensäge, Klimbim," sagte Bernd, Ex-Bundesbeamter im endgültigen Ruhestand, seine Stimme ein monotones Brummen wie ein alter Mercedes-Diesel.

"Du meinst im Job?" fragte Klimbim 2025, ohne aufzublicken.

"Wo sonst. Du hast damals mit deinem verwaltungsrechtlichen Sturm und all Deinen verdammten Untätigkeitsklagen das halbe Baureferat lahmgelegt. Ich kannte dich zudem nur als Mann, der bei Genehmigungen den Bebauungsplan mit einem Skalpell seziert hat."

"Ich hatte nie ein Skalpell," erwiderte Klimbim. "Nur ein sehr scharfes Hirn."

Bernd schnaubte. "Du warst ein Verwaltungsrechtler mit dem Herz eines Buchhalters und dem Humor eines britischen Leichenbestatters."

"Und trotzdem sitze ich jetzt hier. Mit dir. Im Pool. In Pattaya."

"Das Schicksal ist grausam."

Sie stießen an.

Klimbim nahm einen Schluck, seufzte leise, blickte auf das flirrende Wasser, dann öffnete er das Notizbuch auf dem Beckenrand. "Ich hab da was geschrieben. An die Vergangenheit. An... mich. Und Fai. 2011."

Bernd nickte. "Mach. Vielleicht hilft's ihnen."


An Klimbim 2011 und Fai 2011, von Klimbim 2.0, 2025

Du kennst mich noch nicht. Aber ich bin Du. Nur ein paar Jahre weiter. Ein paar Umwege reicher. Ein paar Illusionen ärmer. Und mit ein bisschen mehr Verstand im Kopf, wo früher nur der Pulsschlag war.

"Klimbim 2011, du meinst es gut. Aber du willst Struktur in ein Wesen bringen, das nach Wind lebt. Du versuchst, ein Konzept für etwas zu schreiben, das nicht einmal einen Stundenplan kennt. Fai ist kein Projekt. Kein Genehmigungsverfahren. Keine Verwaltungsvorschrift mit klaren Voraussetzungen und Fristen. Sie ist Leben. Chaotisch, leuchtend, unberechenbar.

Du wirst sie nie ändern können. Aber du kannst sie verstehen. Und das ist genug. Nicht jeder Mensch muss ökonomisch denken. Nicht jeder muss nach deutschen Prinzipien funktionieren. Du willst Verantwortung lehren? Dann fang bei deiner eigenen an: Verantwortung für deinen Blick, für deine Urteile, für deine Erwartungen.


Lass sie tanzen, wenn du nur marschieren kannst. Und lerne von ihr. Wenigstens einen Tanzschritt. Oder zwei.




Fai 2011, "du bist eine Sonne mit zu viel Strahlung. Du lachst, wenn du weinen willst. Du spielst, weil die Welt dir sonst zu schwer wird. Aber tief in dir sitzt ein Herz, das liebt und sorgen kann. Du brauchst keine Show. Du brauchst Mut. Mut, auch mal ernst zu sein. Mut, zu sagen: "Ich weiß es nicht." Und: "Ich brauch Hilfe.

Du bist keine schlechte Frau, wenn du fragst. Und kein besserer Mensch, wenn du alles weglachst. Du bist echt. Das reicht.

Sag ihm, was du brauchst. Und nicht, was du denkst, dass er hören will.

Denn glaub mir: Der da gegenübersitzt, dieser verwaltungsverliebte Besserwisser, der hat ein Herz. Tief drinnen. Hinter seinen trockenen Repliken. Aber es schlägt.


Und du, Klimbim? Fang an, es zu benutzen.

Nachgespräch im Pool: Bernd & Klimbim 2.0, 2025, tropisch

Bernd:
"Du hast also den beiden da wirklich geraten, sich gegenseitig nicht reparieren zu wollen?"

Klimbim: "Ja. Warum?"

Bernd: "Ich hätte Fai empfohlen, dir eine Mango ins Gesicht zu klatschen und abzuhauen."

Klimbim: "Und ich hätte dir geraten, dich 1989 mit deiner Schreibtischpflanze zu verheiraten."

Bernd:
"Touché. Aber im Ernst: Meinst du, das bringt denen was? Ratschläge an Vergangenheiten?"

Klimbim:
"Nein. Aber es bringt mir was. Klimbim 2.0, 2025"

Bernd: "Weil du jetzt klüger bist?"

Klimbim: "Weil ich mir vergeben kann. Für zu viel Denken. Und zu wenig Fühlen."

Bernd:
"Und Fai?"

Klimbim: "Die war mir damals drei Gefühle voraus. Ich dachte, ich wäre der Lehrer. Dabei war ich der Schüler."

Bernd: "Wie im Ministerium."

Klimbim:
"Exakt. Nur mit Bananenshake."

Bernd:
"Und Boom Boom."

Klimbim:
"Danke, Bernd."

Bernd: "Gern. Jetzt nimm noch 'n Schluck. Und dann reden wir über deinen Umzug hierher."

Klimbim: "In drei Jahren. Spätestens vier."

Bernd:
"Dann ist Pattaya endgültig verloren."

Klimbim: "Oder endlich komplett."

Beide:
Klingen ihre Gläser, lachen. Im Hintergrund: ein Motorroller, der knattert, ausgeht, nicht anspringt und dann doch...der langsam fast aus der Fassung gerät.

Laid Back - Sunshine Reggae
 
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Klimbim

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Teil 20: Pattaya war nie die Antwort – aber eine verdammt gute Frage​


Pattaya ist wie dieser eine Freund auf jeder Party, den man eigentlich niemandem vorstellen will – aber am Ende steht man doch mit ihm rauchend auf dem Balkon und redet über Gott, Frauen und Steuerrecht.


Diese Stadt ist kein Ort. Sie ist ein Zustand. Ein Aggregatzustand zwischen Hoffnung, Selbsttäuschung und Sonnencreme mit LSF 50.

Sie brachte mir... ...die Erkenntnis, dass „Liebe auf den ersten Blick“ manchmal auch einfach ein sehr gut einstudierter Augenaufschlag sein kann.

...die Demut, dass man mit deutscher Gründlichkeit in Thailand ungefähr so weit kommt wie ein Staubsauger in einem Sandsturm.

...und: die Erleichterung, dass man auch scheitern darf – solange man es mit Würde tut und die Rechnung noch bezahlen kann.

Pattaya ist das Anti-PowerPoint-Leben. Hier gibt es keine Bulletpoints, nur Kurven. Keine Leitlinien, nur Straßenlaternen, die flackern. Kein Fünfjahresplan, nur das Heute, und das auch nur bis Mitternacht.

Und doch – oder gerade deswegen – brachte sie mir etwas, das mir kein Job, kein deutsches Amt und kein juristisches Fachbuch je gegeben hat:
Die Lektion, dass Kontrolle eine Illusion ist. Und dass man manchmal erst im Chaos den Kern von etwas Wahrem erkennt.

Sie brachte mir Teresa. Nicht sofort. Nicht als Versprechen. Sondern als späte, stille Belohnung für all die Male, in denen ich zu früh geglaubt hatte, verstanden zu haben.

Pattaya war nie mein Ziel. Es war mein Umweg.

Und wie jeder gute Umweg hat er mir etwas gezeigt, das ich auf der Autobahn nie gesehen hätte: mich selbst. Ungefiltert. Ohne Fußnoten. Und oft mit einer leichten Bräune.

Jetzt – im Jahr 2025 – sitze ich im Pool. Und denke zurück. Nicht an jeden Abend. Aber an die, an denen ich lernte, was Nähe ist. Was Loslassen bedeutet. Und wie man trotz Hitze einen kühlen Kopf bewahrt.

Was war es nun? Was? Ich diskutierte... und diskutierte...

Was war Pattaya für mich?

Ein Freiluftlabor für Männerfantasien.

Ein Disneypark für gealterte Testosteronreste.

Ein Ort, an dem man sich selbst verlieren konnte – und manchmal jemanden fand, den man nicht gesucht hatte.

Oder sich. Oder wenigstens ein gut gewürztes Omelett.

Pattaya war kein „Ort zum Ankommen“.
Es war ein Ort zum Auseinanderfallen.

Ein Ort, der dich – wie eine wacklige Thai-Diskokugel – in 1.000 Teile zerschneiden konnte, bis du irgendwann aufhört hast, dich zu sortieren.

Ich bin nicht nach Pattaya gekommen, weil ich gesucht habe.

Was blieb?

Keine Reue. Keine Schuld. Keine verklärte Nostalgie.

Nur: ein Lächeln. Ein Kopfschütteln über Klimbim 2011. Ein stilles Danke an Fai. Und der feste Entschluss, irgendwann in Pratumnak meine Ruhe zu finden – nicht, weil ich vor etwas flüchte, sondern weil ich irgendwann genug Fragen gestellt habe.

Pattaya war nie die Antwort. Aber sie hat die richtigen Fragen aufgeworfen. Und das reicht.

Mehr als genug.

Szene: Pratumnak Hill, später Nachmittag, der Pool dampft leicht vom Tag. Zwei Männer, zwei Gins, zwei Lebensläufe.

Bernd
(zieht genüsslich an seiner Zigarre, ohne sie je anzuzünden):

„Also, jetzt sag mal ehrlich, Klimbim: Was genau hat dich eigentlich an diesem Irrenhaus hier festhalten lassen?“

Klimbim
(dreht das Glas in der Hand, schaut in den Himmel):

„Vielleicht, weil es der einzige Ort war, an dem meine innere Unordnung nicht wie ein Defekt wirkte, sondern wie ein normaler Aggregatzustand.“

Bernd:

„Du meinst: Chaos sucht Chaos, und am Ende trinken sie gemeinsam Leo an der Beach Road?“

Klimbim
:

„Besser als den dritten Beratungspitch über Fristenhemmung und Baugenehmigung in Bottrop.“

Bernd:

„Und heute sitzt du hier, in Flipflops, und erzählst mir was vom Fluss des Lebens. "

Bernd weiter,
(grinst):

„Also gut. Was ist Pattaya für dich?“


Klimbim
(nachdenklich):

„Pattaya ist ein Ort, der dich entkernt. Wenn du hier ankommst, bist du jemand. Nach ein paar Monaten bist du nur noch du selbst – falls du Glück hast.“

Bernd:

„Oder du wirst zu einem schmelzenden Klumpen Mann in zu kurzen Hosen mit einer 30-jährigen Freundin und einem 3-monatigen Visum.“


Klimbim
:

„Oder du lernst, wieder Mensch zu sein. Kein Titel, keine Fassade, keine Visitenkarte. Nur ein Lächeln, ein Getränk und eine Frage: 'Woher kommst du?'. Die hat hier mehr Gewicht als jede DIN-Norm.“

Bernd:

„Ach komm. Pattaya ist auch der Ort, an dem die gescheiterten Lebensläufe ihre letzte Runde drehen und hoffen, dass der Nachtmarkt ihr Elend beleuchtet, statt es zu zeigen.“


Klimbim
:

„Und du bist trotzdem hier.“

Bernd:

„Weil ich meinen Frieden habe. Keine Frau mehr, kein Drama. Pension ist sicher, Renteneintritt war geplant, nicht erlitten. Ich wollte Wärme, Ruhe, ein gutes Thai-Curry und mein Gin auf Zimmertemperatur. Mehr brauch ich nicht.“


Klimbim
:

„Und kein Mitleid?“

Bernd:

„Wofür? Ich hab meine Entscheidungen getroffen. Und ich sitze lieber hier mit dir im Pool, als dass ich in Castrop-Rauxel in einer Neubauwohnung sitze und mit der Fernbedienung um ZDF oder ARD kämpfe.“

Klimbim
:

„Also ist Pattaya doch die Lösung?“

Bernd:

„Pattaya ist kein Lösungsmittel. Eher ein Lackmustest. Es zeigt, wie haltbar dein Innenleben ist, wenn die Außenwelt bunt, laut und moralisch locker ist.“

Klimbim:

„Oder eine Einladung, aus der eigenen Blase auszusteigen. Auch wenn's zieht.“


Bernd:

„Ich glaub, dich hat's ordentlich gezogen damals. Zwischen Fai und deinen westlichen Prinzipien warst du ein menschgewordener Kurzschluss.“


Klimbim
:

„Fai war mein Stromausfall. Danach wurde alles heller.“


Bernd
:

„Und was bleibt?“


Klimbim
(lehnt sich zurück):

„Ein neuer Respekt. Vor anderen Lebenswegen. Vor meinen eigenen Irrtümern. Und vor der Erkenntnis, dass Pattaya nicht gut oder schlecht ist – sondern eine Bühne. Manche kommen als Clowns, manche als Tragöden. Am Ende lachen alle.“


Bernd (hebt sein Glas):

„Und manche sitzen einfach da, trinken, und wissen, dass sie angekommen sind – nicht weil alles passt, sondern weil nichts mehr passen muss.“


Klimbim
:

„Pattaya ist kein Ziel. Es ist eine Zäsur.“


Bernd:

„Jetzt wirst du wieder intellektuell.“


Klimbim
:

„Dafür bist du der emotional stabile Altbeamte mit Herz und Zigarre.“


Bernd:

„Wenn du mir jetzt noch sagst, dass Pattaya dich spirituell geöffnet hat, verlange ich Schadenersatz in SangSom.“


Klimbim
:

„Ich bin nicht spiritueller geworden. Nur ruhiger. Und ein bisschen müder von mir selbst.“


Bernd:

„Das ist vielleicht deine beste Entwicklung.“


Klimbim
(lächelt):

„Und du? Was ist Pattaya für dich – nach all den Jahren?“


Bernd:

„Pattaya ist für mich wie ein gutes Hörgerät: Es lässt mich noch was mitbekommen vom Leben, aber ich kann es auch jederzeit leiser drehen.“


Klimbim
:

„Perfekt. Und ich?“


Bernd
:

„Du bist das Echo, das trotzdem weiterspricht.“


Beide (stoßen an, der Himmel färbt sich goldrosa).

Dann das Geräusch von Flip-Flops. Schnell. Unverfroren. Flip. Flap. Flip. Flap.

Sie betritt den Bereich wie eine Mischung aus Isan-Pop-Prinzessin und wandelndem TikTok-Filter: zwei pechschwarze Zöpfe, Shorts, die nicht mal als Gedanke in Europa erlaubt wären, ein glitzerndes Handy in der Hand. Die Oberlippe: rebellisch. Der Blick: unverschämt wach.

Sie scannt die Szene. Bleibt stehen. Blinzelt.

Thai Girl, hell, vergnügt, mitte 20: „Oyyy... so quiet here. Like cemetery for sexy people.“

Klimbim (ohne sich zu bewegen):

„We’re meditating.“

Thai Girl (legt das Handy auf den Poolrand, springt mit einem perfekten Platscher ins Wasser):

„Meditating? Mmm... Look like boring to me. You need vitamin touch!“

Bernd
(leise, mit kaum verhohlener Belustigung):

„Jetzt geht’s los.“

Während sie durchs Wasser gleitet, taucht plötzlich ein Mann auf – etwa Mitte 40, beige Shorts, Poloshirt, Sonnenbrille mit Sehstärke. Deutscher oder Niederländer. Vielleicht Steuerberater oder Weinvertreter im Ruhestand. Ausdruck im Gesicht: leicht überfordert, aber höflich bemüht.

Thai Girl (entdeckt ihn sofort, schießt wie ein Torpedo zu ihm, stellt sich neben ihn im Wasser):

„Oyyy handsome! You want massage? I do good-back-special-holiday-massage. Not boom boom! Only zoom zoom!“

Der Mann (verlegen):

„Ähm... danke. Ich... äh... bin noch nicht so lang hier.“

Thai Girl (legt den Kopf schief, greift ihm neckisch ans Handgelenk):

„Ohh... new in Pattaya? I can be your Google Map with boobs.“

Klimbim
(lacht trocken):

„Sie ist sehr... serviceorientiert.“

Bernd (grinst, leise):

„Oder gut vernetzt.“

Thai Girl
(dreht sich zu Klimbim):

„You laugh? You single? You look like man with many problem. I help you. I do you special promo price. Vedry vedry speciaaaal masaaaage“

Dann lacht sie selbst:

„Buy one sad man, get free smile.“


Klimbim:
„What’s your name? Really. Fai? “


Thai Girl (blinzelt, dann mit großer Geste):

„My name? You can call me Tuesday. Or Sexy Wednesday. Or Miss I-Don’t-Care. I am flexible like noodle.“


Klimbim (lehnt sich zurück, grinst):

„ No no... I am serious...ever been called Fai?“

Thai Girl
(runzelt die Stirn, dann verzieht sie das Gesicht):

"I no name. I no ...„I not Fai… but some people say I smile like old storm lady from Udon. You know storm lady? Always make farang confused. She always smile like she hide typhoon. My mama say: never trust smile with thunder inside.““


Bernd
(verschluckt sich fast am Lachen):

„Die ist Gold.“

Thai Girl
(nickt triumphierend):


Klimbim (nickt leicht, mit einem melancholischen Lächeln):

„These days are gone. But they’re not dead.“


Thai Girl
(verwirrt):

„You talk like old song. Or sad karaoke uncle.“


Bernd
(leise):

„Zeit für den Abgang, Dichterfürst.“


Klimbim
(nickt, steht langsam auf):

„Danke, Tuesday. You made me smile.“


Thai Girl
(macht eine verspielte Geste mit ihren Fingern):

„No boom boom, but I boom your heart little bit, maybe?“

Klimbim
(während er sich das Handtuch schnappt):

„Today not. Tomorrow never. But thank you, yes – you did.“


Thai Girl
(hebt ihr Handy, startet ein neues TikTok, murmelt):

„Crazy farang. All same. All different. All drama.“


Bernd
(schnappt sein Hemd, leise zu Klimbim):

„Wollen wir dann am Cozy Beach noch was trinken, bevor du philosophisch explodierst?“

Klimbim:

„Unbedingt. Sonst mache ich noch einen Fehler".

Sie gehen. Die junge Thai tanzt schon im Wasser zur Musik. Der Europäer steht noch immer verwirrt im Becken, wie ein beige gewordener Rehblick.

Bernd (murmelnd):

„Der überlegt jetzt, ob er zurück nach Osnabrück fliegt oder sie heiratet.“

Klimbim (beim Gehen, trocken):

„Noch zwei Minuten, dann sagt er: Ich hab noch nie so jemanden getroffen'.“

Die Tropensonne neigt sich. Und irgendwo zwischen Tuesday und Fai verschwimmt die Erinnerung.
 
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Klimbim

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Ich mag Griechenland und seine Kultur. Sie hat sehr alte Wurzeln.

Mein liebstes Stilmittel, ihr habt es bemerkt - ganz sicher. Wer nicht, dem kann ich nicht helfen.

Metapher = bildhafte Bedeutungsübertragung von einem Bereich auf einen anderen.
Herkunft: griech. metaphorá = Übertragung.


Damit erreicht man es, Sprache verständlicher zu machen, anschaulich. Die Griechen waren darin wirklich Meister. Ich habe sie gerne gelesen.

Höhlengleichnis (in der Politeia) Platon

"Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen": Heraklit

Deshalb bringen mich die Klagen: "Patttaya war früher besser, heul" immer innerlich zu einem Schmunzeln.


Und auch die Sorte: "Deutschland ist nicht mehr was es war. Es geht den Bach runter" die genau deshalb nach Pattaya umzieht: völlig unlösbar, denn der Fluss ist auch dort weiter geflossen.

Genau in dem Augenblick der Erkenntnis genau darüber, geschieht etwas im Bewusstsein des Auswanderers diesen Typus: er erlebt eine maßlose Enttäuschung und beginnt Pattaya zu verfluchen wie (Metapher) ein enttäuschter Liebhaber nachdem der Lack ab ist und die erste Reise nach Österreich am Campingplatz zwischen ollen Mülltonnen, Essensresten und Kindergeschrei endet, das man nicht ertragen kann, weil die Ehefrau keine Lust mehr auf Sex hat (oder so unansehnlich wurde, dass man selbst gerne verzichtet - sorry und damit meine ich noch am ehesten toxische Boshaftigkeit und nicht (nur) die körperlichen Verformungen im Laufe der Jahre).

Trost: es geht uns fast allen so - auf diese oder jene Weise. Gegenmittel: mit Humor tragen und sich von sich selbst distanzieren.

Bernd ist dafür ein ausgezeichneter Sparringpartner. Ich muss ihn nachher unbedingt anrufen und nerven.

O-Zone - Dragostea Din Tei [Official Video]
 
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Teil 21: Vision


Später Abend. 2011, Flipper Hotel - Soi 7. Dienstag Abend ... oder Mittwoch? Ich habe es vergessen. Die Klimaanlage summt, draußen jault ein Moped über das nasse Pflaster, irgendwo schreit ein Frosch mit Überzeugung. Im Zimmer: zwei kalte Colas, zwei zerknitterte Herzen, ein Bett, das schon zu viele Geschichten gehört hat.

Fai sitzt im Schneidersitz auf dem Laken, barfuß, das übergroße T-Shirt trägt irgendeinen schrägen Spruch in Glitzerbuchstaben: “Just Smile & Eat Rice”. Ihre Augen leuchten, als wäre gleich Songkran.

„You know... sometimes I thinking about future. Not big future. Just... small movie in my noodle brain.“

Sie lacht, weil sie das selbst komisch findet, nimmt einen Schluck Cola, verzieht das Gesicht und rülpst dann erschrocken wie eine Lady im falschen Film.

„I see you and me. In 2020. Or maybe 2030. Maybe we have noodle shop. Maybe you sell t-shirt with my face. Or I become YouTube influencer grandma with ten cat and no teeth.“

Ich lache leise. Sie fährt fort, plötzlich etwas langsamer.

„Or maybe... you go back Germance. To the place... Confusion.“

„That’s accurate.“

„And I stay here. Make hair. Make rice. Make smile. And think about this night... this bed... this sweat cola and your stupid face.“

„Thank you. Truly poetic.“

„But I tell you true... even if you leave, even if I cry many small inside tear – this is gift. Not phone. Not money. Gift in heart. You... gift.“

Ich merke, wie mein Lächeln nicht ganz bis zu den Augen reicht. Ein Ziehen irgendwo unter dem Brustbein. Das passiert nur bei Wahrheit.

„You’re wiser than you look, Fai.“

„I know! People think I only cute. But inside here“ – sie klopft sich gegen die Stirn – „big Thai university!“

Ich nehme ihre Hand. Warm, klein, fest wie ihr Lachen. Für einen Moment sage ich nichts. Dann:

„Whatever happens... thank you. For this second. And all the other seconds before and after. You gave me peace. And laughter. And confusion. The good kind.“

„You give me feeling like... I win big lottery. But only one ticket. So I don’t want to waste.”

Sie wird still. Dann flüstert sie, fast schüchtern:

„Maybe one day you forget me. But I never forget you. Not even if I have Alzheimer from spicy papaya.“

Ich schaue an die Decke, wo ein Gekko wie ein Satzzeichen über den Putz huscht. Dann sage ich:

„You know how I imagine myself in ten years?“

„Old. With white hair. Still wearing flip flop and make dad joke.“

„Correct. But also: Sitting in a pool. Somewhere in Pattaya. Sun in my eyes. Maybe one gin too many. And thinking: Damn. That Tuesday... that Tuesday was special.“

„I like be special Tuesday. Not every girl can say that.“

„And maybe the future surprises us both. Because only God knows. And maybe not even my mother.“

„If big Buddah know, he forget to tell me. But I trust. Even little time with you is big happiness for me.“

Ich spüre, wie meine Stimme weicher wird.

„So don’t be sad, Fai. Nothing is certain. Except this: You changed me. And I’m grateful. Every second.“
Sie wischt sich über die Augen, aber es ist kein Drama. Nur echt. Dann lächelt sie:

„I not stop be Tuesday. Even when it Thursday. You promise remember me?“

„Even when I forget myself.“

Stille. Leicht. Ehrlich. Dann von draußen ein falsch Karaoke mit Herz aber ohne Taktgefühl. Fai lehnt sich an mich, murmelt:

„Okay. I sleep now. But maybe dream of you. Maybe good dream. Maybe sexy.“

Ich lache. Ein bisschen wehmütig.

„I hope you do. And I hope I wake up still here.“

„Don’t worry. I put rope around you leg.“

„Very romantic.“

" Not boring. Never.“

Sie kuschelt sich ein. Die Cola ist leer. Der Moment nicht.

Und irgendwo, zwischen dem, was war, und dem, was niemals sein wird, liegt ein kleiner Schatz in diesem Raum:

Ein Dienstag Abend, der wie ein ganzes Leben schmeckt.

...wenn ich sie betrachte, sehe ich nicht nur ihr hübsches, weiches Gesicht, sondern auch die tiefe Ruhe, die sich endlich über sie gelegt hat. Eingekuschelt und eingerollt wie ein kleines Mädchen wirkt sie so zerbrechlich und gleichzeitig so voller Leben – ein kostbarer Augenblick, der für immer in mir festgehalten wird.

Ihr Gesicht ist entspannt, die Augen geschlossen, die feinen Nasenflügel heben und senken sich sanft mit jedem Atemzug. Ganz leicht schnarcht sie dabei – ein kleines, lustiges Geräusch, das diese Szene noch liebenswerter und lebendiger macht. Ich nehme diesen Moment auf, möchte ihn für immer bewahren, denn er ist unvergesslich, unauslöschbar in meinem Herzen.

Ihre braun gebrannten Beine, die sonst so viel unterwegs und aktiv sind, haben endlich Ruhe gefunden. Die Flipflops, die sie den ganzen Tag getragen hat, scheinen ebenfalls zu schlafen, friedlich abgestreift und ganz still neben ihr liegend. So liegt sie da, vollkommen entspannt, ein Bild der Ruhe und Zufriedenheit, das mich tief berührt.

Care Bebek
 
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Klimbim

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Liebe Leser,

ihr habt nun diesen im März dieses Jahres verfassten und inzwischen etwas aufbereiteten Reisebericht hinter euch gebracht – oder euch durchgekämpft, je nachdem, wie viele Colas, Biere oder Stirnrunzler ihr gebraucht habt, um bis hierher zu kommen.

Ich habe bewusst nicht alles bis zur letzten Silbe geglättet – das Leben selbst ist schließlich auch nicht komplett lektoriert. Wenn euch die Zeilen trotzdem ein wenig Freude, Fernweh, Erinnerungen oder auch nur ein müdes Grinsen entlockt haben, dann hat sich der Aufwand mehr als gelohnt.

Die letzten Teile habe ich bewusst massiv gekürzt. Nicht, weil mir nichts mehr eingefallen wäre – im Gegenteil. Aber irgendwann verliert sich der Effekt, wenn man endlos weiterschreibt. Es hätte locker noch Teil 40 werden können. Ich wollte es aber nicht überziehen, sondern lieber zur rechten Zeit innehalten.

Am 02.10.2025 geht mein Flug nach Thailand. Wenn die Welt nicht brennt, die Airline fliegt und mein Reisepass nicht in der Waschmaschine endet, lande ich wieder in Pattaya. Mit Glück kommt Jim. Bernd wird wohl da sein. Und vielleicht, ganz vielleicht, verirrt sich ja noch jemand dazu.

Wen es in die Nähe verschlägt – meldet euch gern. Ein Pool ist schnell gefunden. Ein Gin auch. Und Gesprächsstoff? Den haben wir sowieso.
Über Pattaya, das Leben, die Verwirrung namens Liebe – oder einfach nur darüber, warum die Klimaanlage immer dann streikt, wenn man sie braucht.

Ich rechne nicht mit vielen. Vielleicht kommt niemand. Auch das wäre in Ordnung. Aber: Ein Forum ist da, um im Gespräch zu bleiben.
Und wer weiß – vielleicht ist ja genau das das Beste an der ganzen Sache.


Beste Grüße,

trockener als der Isaan im April, KLIMBIM :cool:
 

Klimbim

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Nachspann

Meinen Klapptext (vielleicht mache ich im Oktober noch ein Buch daraus, aber es muss sprachlich noch einmal klar überarbeitet werden) habe ich auch fertig. Will ich euch nicht vorenthalten. Ausserdem muss ich einen Namen für Klimbim finden - ein Buch ist kein Pattayaforum.

Wie sollte der Typ heissen? Was würde passen?


Hier der Klapptext


KLIMBIM – Pattaya, Fai und der Rest war auch nicht ohne


Ein Reisebericht? Vielleicht. Ein Liebesroman? Eher nicht. Eine Sammlung biergetränkter Anekdoten aus Pattaya? Schon näher dran.

KLIMBIM nimmt uns mit auf eine Reise durch das vibrierende, verwirrende, oft widersprüchliche Pattaya – irgendwo zwischen Barsofa, Mopedtaxi, Poolkante und gelegentlichem Weltschmerz. Im Zentrum steht Fai, eine Frau wie ein Feuerwerk aus Lächeln, Cola und Herzklopfen. Und ein Erzähler, der nie ganz weiß, ob er wegrennt oder ankommt.

Was als lockerer Reisebericht beginnt, wird zu einer ironischen, zärtlichen und manchmal melancholischen Erkundung von Nähe, Fremde, Sehnsucht und dem, was bleibt, wenn nichts bleibt.

Mit trockenem Humor, einem Blick fürs Absurde und einer überraschenden Tiefe erzählt KLIMBIM von einem Thailand, das nicht auf Instagram stattfindet – und von einem Ich, das sich nicht ernst nimmt, aber trotzdem meint, was es sagt.

Wer sich je gefragt hat, was ein Gin Tonic, ein stiller Moment im Pool und ein unerwartetes Lächeln gemeinsam haben, findet hier vielleicht eine Antwort. Oder wenigstens gute Unterhaltung.
 

HemingwayNRW

Neuer Member
    Neuling
26 Mai 2025
23
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273
Vielen Dank, ein sehr schöner Bericht bzw. eine schöne Geschichte. Erinnert mich in dem "Mein Leben braucht ein Reset" etwas an "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling. Das ist auch auf keinen Fall despektierlich gemeint.

Deine Geschichte hat mich auf jeden Fall emotional abgeholt, da ich mich in vielen Dingen wiedergefunden habe.

Nochmals danke!
 
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Reaktionen: Urmel und Klimbim

Klimbim

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Ich muss sagen, dass in solchen Foren üblicherweise Trolle rumschwirren, die einen kreativen Menschen nerven können. Nicht einer hier...

Mir fiel das sehr positiv auf.

Kompliment an die Mitglieder.

Muss nun schlafen. Meine Frau hört gerade recht interessante indonesische Musik - Filipino und Indonesisch sind sich ähnlich meint sie, Thai nicht. Das wollen wir lernen.

Wird

DJ KESUCIAN ATI NGESLOW JEDAG JEDUG FYP TIKTOK VIRALL (BONGOBARBAR) - YouTube
 

Klimbim

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Späte Ehre für unerwartete Kompetenz - wie man Stil verfeinert

Was ich noch hinzufügen wollte – obwohl niemand gefragt hat, aber das hat ja noch nie jemanden gestört: Wie imitiert man stilistisch Fai, nach all den Jahren? Tonaufnahmen aus der Mottenkiste? Leider nein. Ich besitze keine. Wirklich nicht. Mein sagenumwobenes Gedächtnis, meine übernatürliche Fähigkeit, Sprachen zu imitieren? Auch nicht. Alles hat seine Grenzen – mit Verlaub, sogar ich.

Nein, da steckt natürlich etwas ganz anderes dahinter. Und jetzt kommt der große Moment: das Geheimnis wird gelüftet. Bereit?

YouTube-Videos:

am dichtesten dran war das hier... was habe ich gelacht... : [Original] Thai girl interviewing a British man I See what happened - YouTube

Many Boys Ask Me “HOW MUCH?” Bangkok, Thailand 🇹🇭

How to speak Thai style English (Darstellerin kommt Fai äusserlich recht nahe... ich war sehr amüsiert)

Pronouncing English words in a Thai accent🇹🇭 | Tina Audran 

+
  • Gute Erinnerungen.
  • Etwas dichterische Freiheit (ich schrieb schließlich keinen Vernehmungsbericht).
  • Eine großzügige Dosis meiner eigenen Frau.
    Ja, richtig gelesen. Ich habe sie stilistisch eingearbeitet. Nicht versehentlich – mit voller Absicht. Sie ist temperamentvoll, nicht allzu weit weg vom vermuteten Alter Fai's (also sagen wir: im selben Jahrzehnt, grob - paar Jahre jünger, geschenkt), und bringt den passenden Ton mit.
Natürlich musste ich eine gewisse Bildungsdifferenz ausgleichen – C1-Deutsch ist nun mal nicht Fais Tenglish, und ich meine das in keinerlei herablassender Weise. Null Prozent. Eher Null-Komma-Null.

Zurück zum Ton: Um wirklich treffsicher zu schreiben, habe ich mir auf YouTube noch ein paar Damen aus Thailand aus dem passenden Genre angesehen – aus dokumentarischem Interesse, versteht sich. Ergebnis: ein Tonfall, der vielleicht nicht exakt damals, aber doch im besten Sinne damalig ist.

Jim war einfacher. Viel einfacher. Wir sind in regelmäßigem Kontakt. Er rief mich an – mitten im Schreiben.

„Hey Jim, ich schick dir mal was... kommt das rüber?“

"Yeh mate… that’s bloody spot on. Wouldn’t change a damn thing. Sounds just like me".

Kurze Pause. Hört man da ein Schmunzeln?

"Didn't think ya still had it in ya… but ya bloody nailed it."

Die Tonaufnahme seiner ehrlichen Verwunderung über meine Texte habe ich unten angehängt. Nur für den Fall, dass jemand den Moment auf Vinyl pressen möchte.

Ach ja – Bernd ist Nichtraucher. Die Zigarre? Die war einfach stilistisch überlegen. Muss man akzeptieren.

Und „Dienstag“? Vermutlich war's doch eher Samstag. Oder Freitag. Wer weiß das schon. Archivierung ist keine meiner Stärken.
 

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