Daten-Angriff der Immigration schockt Residenten
von Sam Gruber
KOH SAMUI/PATTAYA: Endzeitstimmung unter Langzeitresidenten in Thailand: Seit die Immigrationsbehörden landesweit ernst machen und bei der Visaverlängerung und Residenzbestätigung das Ausfüllen eines zweiseitigen Formulars verlangen, mit teils heiklen persönlichen Details, seither läuft die Ausländerkommune Sturm. Viele befürchten einen röntgenartigen Zugriff auf ihre Privatsphäre durch Thailands Behörden. In sozialen Netzwerken quellen die Kommentarforen über von Beschwerden und Befürchtungen.
Was ist dran am Angriff der Immigrationsbüros auf ihre Langzeitklienten und deren Daten? Liefert uns das neue Formular – das bis auf wenige Ausnahmen obligatorische Antworten verlangt – unumkehrbar an unsere Gastgeber aus? Sind wir noch sicher, wenn diese Daten durch Schlamperei verloren gehen und in die Hände Dritter gelangen?
FARANG-Leser und Langzeitresident Konrad Kuriger (55) aus der Schweiz hat vor wenigen Tagen in Pattayas Immigration Bekanntschaft mit dem neuen Formular gemacht. Als ‚Alien‘ – ein Sprachterminus, der wegen gefühlter Nähe zu Science-Fiction-Eindringlingen verstört, aber im Amtsenglisch üblich ist – musste er folgende Angaben machen: Namen, Geburtsdatum, Name beider Eltern; komplette Adresse in Thailand mit allen Daten und Telefonnummern; genutzte Onlinedienste, wie Facebook sowie die Emailadresse; häufig besuchte Orte wie Bars, Restaurant oder auch Hospitäler; Kennzeichen und Registrierung bestehender Fahrzeuge wie Autos oder Motorroller mit Farbe und Modelltyp; eine Person, die im Notfall zu verständigen sei – ebenfalls mit allen Kontaktdaten; und: besonders heikel – Bankverbindung mit allen Daten – allerdings nur bei ‚gewissen Visa-Anträgen‘.
Dass die Angabe eines Facebook-Kontos auf dem Formular als ‚optional‘ gekennzeichnet wurde, trug kaum zur Entspannung bei. Ein Immigrationssprecher sagte auf Anfrage des FARANG, er könne die Aufregung nicht verstehen. Es sei nur der Versuch, leichter mit Klienten in Verbindung treten zu können, insbesondere bei der Kommunikation künftiger Visabegehren. Ein Ausforschen privater Interkommunikation von Facebook- oder Twitter-Usern sei keinesfalls die Intention der Immigration, dafür habe man gar keine Personalkapazitäten.
Recherchen unserer Redaktion ergaben, dass in dem neuen umstrittenen Formblatt in der Tat kaum Informationen eingefordert werden, die den Immigrationsbeamten und dem thailändischen Staat nicht schon längst bekannt sind. In der Realität musste seit Jahren jeder seine persönlichen Daten umfassend und wahrheitsgemäß offenlegen, wenn er den Aufenthalt im Königreich über ein Touristenvisum hinaus verlängern wollte. Rentner und sonstige Residente im Alter über 50 Jahren können ein Jahresvisum erhalten, wenn sie mit Vorlage eines Bankbuchs und dort aufgeführten 800.000 Baht (mit Thai Verheiratete die Hälfte) Bonität nachweisen. Alle Bankdaten dazu sind gespeichert.
Wie sieht es mit der Angabe ‚häufig genutzter Bars und Einrichtungen‘ aus? Macht man sich mit solchen Angaben nicht zur wandelnden ‚Finde mich-Person‘ und unfrei im Land der Freien? – Auch dazu wiegelt der Immigrationssprecher ab: „Seien Sie ehrlich, eigentlich sind fast alle durch ihre Smarttelefone überall ortbar“, sagte er. „Weshalb seid ihr Westeuropäer so paranoid? Auf Facebook postet ihr alles freiwillig und vor uns habt ihr Angst…“
Der Mentalitätsunterschied zwischen westlichen Zuwanderern und den gastgebenden Thais ist signifikant. Während sich kaum ein Thailänder Gedanken über seinen Datenschutz macht, ist er insbesondere bei deutschsprachigen Residenten und bei Briten ein Teil des Seelengesamtpakets. Medienberichte der vergangenen Jahre mit erwiesenen Geheimdienst-Attacken gegen befreundete Länder haben dieses Gefühl verstärkt. Die Thais haben meist belustigt den Kopf über solche Meldungen geschüttelt und niemals die eigene Sicherheit in Gefahr gesehen.
Als allerdings vor wenigen Monaten die Mutter eines Rothemden-Sympathisanten nach einem Facebook-Eintrag und der ‚Gefällt mir‘-Bekundung wegen angeblicher Beleidigung der Monarchie zu einer langjährigen Haftstrafe durch ein Militärgericht verurteilt wurde, keimte bei Thai-Netzwerk-Usern die erste große Angst vor der Obrigkeit und Militärautorität auf. Wie sicher sind wir noch in sozialen Netzwerken? Waren wir überhaupt je sicher? Die Diskussion dauert an und hat auch Thailand erfasst. Viele sind mit politischen Kommentaren vorsichtig geworden. Ein Behördenformular mit persönlichen Fragen würde aber bis heute kaum ein Thailänder zurückweisen.
Wasser auf die Mühlen der Immigration-Kritiker und Formularskeptiker schüttete ein Fall auf Phuket vor wenigen Wochen. Antragsteller von Langzeitvisa erhielten erstmals die strittigen Formulare. Die Fragebögen waren auf Altpapier kopiert. Dumm nur, dass auf der Rückseite noch die Daten vorhergehender Antragsteller sicht- und lesbar standen. Zum Beispiel eine Passkopie von Herrn Müller aus Zürich mit seinem Geburtsdatum und der Ausweisnummer. Nach hämischen Medienberichten steuerte die Immigration Phuket um und ließ die Altpapierformulare – wohl als Sparmaßnahme eingesetzt – in Windeseile verschwinden.
Das Unbehagen vieler wegen der Fragebögen wird nicht nur wegen solcher Vorfälle bleiben. Tröstet es, dass die meisten Daten längst bekannt sind und nur mit bestehenden Informationen der Thaibehörden abgeglichen werden? Wäre es eine Erleichterung, die optionale Angabe über Facebook- und Twitter-Accounts zu verweigern? Und könnte es einem Antragsteller nachträglich Ungemach bereiten, wenn seine Lieblingsrestaurants Mc Donalds und Seven-Eleven heißen?
Den Gewissenskonflikt muss jeder für sich ausfechten. Die Immigration kennt fast alle Antworten. Nachvollziehbare Transparenz oder der vermeintliche Verlust persönlicher Unantastbarkeit sind gefühlte Welten, in denen die Thais und ihre Gäste leben. Die einen unbeschwert und die anderen nun vermutlich noch schlechter.