Ein paar Gedanken über Thailand. Von einem Farlang aus Deutschland.
Vorbemerkung:
Ich habe diesen Text so kurz gehalten wie nur möglich. Bei der Abfassung dieses Textes musste ich den thailändischen Rezipienten – sei es Schüler, Student oder der Bahn- oder Busreisende, der neben mir sitzt – im Auge haben. Thais lieben es kurz und bündig. Die thailändische Gesellschaft hat bis heute keine nennenswerte Lesekultur entwickelt.
Auf meinen Reisen durch Thailand werde ich von Schülern und Studenten immer wieder angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Oftmals legen sie mir einen Fragebogen vor; sie wollen vom Farlang wissen, wo er überall gewesen ist, was er sich angesehen hat und welchen Eindruck er überhaupt von Land und Leuten gewonnen hat.
Ich versuche hier eine allgemeine Einschätzung der aktuellen Situation Thailands, so wie ich sie als deutscher Farlang jetzt im Jahre 2023 / 2024 sehe.
Ich kenne auch die Nachbarländer Malaysia, Burma, Laos, Kambodscha. Dieser kleine Aufsatz über Siam ist auch im Lichte meiner Kenntnisse und Erfahrungen der Nachbarländer geschrieben.
1. Thailand wird in der westlichen Welt immer noch als ein sogenanntes Entwicklungsland wahrgenommen, als ein exotisches Königreich. In den USA und in den westeuropäischen Ländern hält sich das hartnäckige Vorurteil, es handle sich im Fall Thailands um ein zwar exotisches und reizvolles aber im Grunde doch hoffnungsloses Land der Dritten Welt.
2. Ich komme zu einem gänzlich anderen Urteil. Ich kenne Thailand seit Anfang der 1990er Jahren von vielen Besuchen; seit dieser Zeit bereise das Land vom Norden bis zum Süden. Ich kenne auch die Nachbarländer ein wenig, Burma, Laos, Kambodscha, Malaysia. Ich kann daher einen direkten Vergleich ziehen. Alle wirtschaftlich wichtigen Fakten und Zahlen zeigen, daß Thailand schon lange kein Entwicklungsland mehr ist; auch hat es den Status eines Schwellenlandes in vielen Bereichen überschritten. Es ist eine junge aufstrebende Industrienation, die in etlichen Bereichen bereits gleichwertiger Partner und ernst zu nehmender Konkurrent der großen Industriestaaten geworden ist, also auch zu Deutschland.
3. Die moderne Zeit ist in Thailand fast überall anzutreffen. Bangkok ist eine moderne Metropole mit unzähligen Wolkenkratzern, Bürohochhäusern und Luxushotels. Auf den Straßen sind Tausende von teuren Luxuslimousinen zu bewundern. Seit ein paar Jahren ist die Hochbahn (der Skytrain) fertiggestellt, die eine wesentliche Verbesserung der städtischen Verkehrsinfrastruktur mit sich brachte; eine U-Bahn ist ebenfalls fertiggestellt. An Ausbau und Erweiterung wird ständig gearbeitet.
4. Auch in den Provinzstädten pulsiert der Verkehr: LKWs, Busse, Autos, Motorräder und Tuk-Tuks verstopfen die Straßen. Die Internetnutzung gehört zum Alltag; Handy und Smartphone, Netbooks gehören zur Normalausstattung eines jeden Thais, sind schon lange eine Selbstverständlichkeit.
5. In den Dörfern des Isaans knattern nicht nur Mopeds und schwere Motorräder, sondern viele Familien fahren bereits Autos und Pickups. In fast jedem Haus läuft ein Farbfernseher. Thailändische Kinder, die heute die Grundschule in irgendeinem Reisbauerndorf besuchen, wachsen so wie ihre westlichen Altersgenossen in die Welt des Internets, der Smartphones und Designer-Klamotten hinein.
6. Thailand verfügt über eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. 4 Eisenbahnlinien führen von Bangkok aus in den Norden des Landes, in den Nordosten und Osten, sowie in den Süden. Die meisten größeren Provinzstädte verfügen über einen Flughafen. Gut ausgebaute Fernstraßen führen von Bangkok aus in alle Landesteile. Fast jeder Ort ist mit komfortablen Reisebussen zu erreichen.
7. In jeder größeren Provinzstadt gibt es Supermärkte und Warenhäuser, die den Vergleich zu deutschen Verbrauchermärkten in jeder Hinsicht standhalten. Dort gibt es für den modernen Haushalt alles, was das Herz begehrt: Kühlschränke, Waschmaschinen, Möbel, Fernseher, CD- und DVD-Player, Smartphones, Schuhe, Kleidung, Lebensmittel, Waschmittel, Kosmetika. Es mangelt an nichts.
8. Die thailändische Wirtschaft hat in den letzten 30 Jahren ein Wachstum hinter sich gebracht, von dem westliche Industrienationen wie z.B. Deutschland nur träumen können. Die neue Generation thailändischer Manager und Unternehmer hat ihre Ausbildung an den Universitäten und in Unternehmen und Firmen der USA und Westeuropas gemacht.
Thailand produziert in der Tiefebene des Chayo Prayas nicht nur den wahrscheinlich besten Reis der Welt und nicht nur Textilien für die Weltmärkte, sondern es hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Produzenten hochwertiger Elektronikkomponenten, Microchips und elektronischer Bauteile entwickelt, besonders auf dem Gebiet der Computer- und Smartphoneindustrie.
Dasselbe gilt für die sehr erfolgreiche Automobilzulieferindustrie im Lande. Entscheidend ist dabei nicht die Stückzahl im Vergleich zu den führenden westlichen Industriestaaten, sondern es zählt, daß Siam dazu fähig ist, und daß es auf allen Gebieten expandiert.
Heute ist Thailand im Bereich von Nahrungsmittelkonserven, Ananas und Thunfisch, Edelsteinen, Textilien und Kunststoffprodukten in die Reihen der weltweit führenden Exportnationen aufgestiegen.
9. Im Südosten Thailands in der Gegend um Chonburi und Laem Chabang sind inzwischen zwei große, moderne Industriezentren entstanden, in denen sich viele Unternehmen der Motorroller- und Autoindustrie, Petrochemie, Stahlverarbeitung und Elektronik angesiedelt haben. Anbei liegt ein moderner Containerhafen, Laem Chabang.
10. Die thailändischen Mittelschichten wachsen, ihre Einkommen steigen. Es gibt, bedingt durch das wirtschaftliche Wachstum, immer mehr und besser bezahlte Jobs. Auch das politische Bewusst-sein weiter Bevölkerungsgruppen erwacht. Die alteingesessenen reichen Bangkoker Eliten haben längst nicht mehr das alleinige Sagen. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen den „Rothemden“, die die Interessen der ärmeren Landbevölkerung repräsentieren, und den „Gelbhemden“, die für die Interessen der alten Eliten und neuen Bangkoker gehobenen Mittel-schichten einstehen, verdeutlichen diesen Prozess.
11. Aber gleichzeitig entstehen durch die fortschreitende Industrialisierung und den Ausbau entsprechender Infrastruktur auch erhebliche Probleme durch Umweltverschmutzung, rücksichtslosen Ressourcenverbrauch, explodierenden Verkehr und Abwanderungen von Menschen in die Metropolen (hauptsächlich nach Bangkok), was zu einer Verstärkung des Gefälles zwischen immer noch relativ strukturschwachen ländlichen Gebieten und den Städten führt.
12. Durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung kommt es zu gesellschaftlichen Verwerfungen und Spannungen. Die sehr schnelle Entwicklung von einer ländlich strukturierten Agrargesellschaft, die ihren Traditionen verhaftet ist, hin zu einer modernen ausdifferenzierten Industrie- und Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft führt zu Problemen, die die Thais erst noch lösen müssen.
Thailand ist in einem rapiden Wandel begriffen, der viele Thais schwindlig werden läßt. Die Moderne hat unser Königreich fest im Griff.
© Charly
Vorbemerkung:
Ich habe diesen Text so kurz gehalten wie nur möglich. Bei der Abfassung dieses Textes musste ich den thailändischen Rezipienten – sei es Schüler, Student oder der Bahn- oder Busreisende, der neben mir sitzt – im Auge haben. Thais lieben es kurz und bündig. Die thailändische Gesellschaft hat bis heute keine nennenswerte Lesekultur entwickelt.
Auf meinen Reisen durch Thailand werde ich von Schülern und Studenten immer wieder angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Oftmals legen sie mir einen Fragebogen vor; sie wollen vom Farlang wissen, wo er überall gewesen ist, was er sich angesehen hat und welchen Eindruck er überhaupt von Land und Leuten gewonnen hat.
Ich versuche hier eine allgemeine Einschätzung der aktuellen Situation Thailands, so wie ich sie als deutscher Farlang jetzt im Jahre 2023 / 2024 sehe.
Ich kenne auch die Nachbarländer Malaysia, Burma, Laos, Kambodscha. Dieser kleine Aufsatz über Siam ist auch im Lichte meiner Kenntnisse und Erfahrungen der Nachbarländer geschrieben.
1. Thailand wird in der westlichen Welt immer noch als ein sogenanntes Entwicklungsland wahrgenommen, als ein exotisches Königreich. In den USA und in den westeuropäischen Ländern hält sich das hartnäckige Vorurteil, es handle sich im Fall Thailands um ein zwar exotisches und reizvolles aber im Grunde doch hoffnungsloses Land der Dritten Welt.
2. Ich komme zu einem gänzlich anderen Urteil. Ich kenne Thailand seit Anfang der 1990er Jahren von vielen Besuchen; seit dieser Zeit bereise das Land vom Norden bis zum Süden. Ich kenne auch die Nachbarländer ein wenig, Burma, Laos, Kambodscha, Malaysia. Ich kann daher einen direkten Vergleich ziehen. Alle wirtschaftlich wichtigen Fakten und Zahlen zeigen, daß Thailand schon lange kein Entwicklungsland mehr ist; auch hat es den Status eines Schwellenlandes in vielen Bereichen überschritten. Es ist eine junge aufstrebende Industrienation, die in etlichen Bereichen bereits gleichwertiger Partner und ernst zu nehmender Konkurrent der großen Industriestaaten geworden ist, also auch zu Deutschland.
3. Die moderne Zeit ist in Thailand fast überall anzutreffen. Bangkok ist eine moderne Metropole mit unzähligen Wolkenkratzern, Bürohochhäusern und Luxushotels. Auf den Straßen sind Tausende von teuren Luxuslimousinen zu bewundern. Seit ein paar Jahren ist die Hochbahn (der Skytrain) fertiggestellt, die eine wesentliche Verbesserung der städtischen Verkehrsinfrastruktur mit sich brachte; eine U-Bahn ist ebenfalls fertiggestellt. An Ausbau und Erweiterung wird ständig gearbeitet.
4. Auch in den Provinzstädten pulsiert der Verkehr: LKWs, Busse, Autos, Motorräder und Tuk-Tuks verstopfen die Straßen. Die Internetnutzung gehört zum Alltag; Handy und Smartphone, Netbooks gehören zur Normalausstattung eines jeden Thais, sind schon lange eine Selbstverständlichkeit.
5. In den Dörfern des Isaans knattern nicht nur Mopeds und schwere Motorräder, sondern viele Familien fahren bereits Autos und Pickups. In fast jedem Haus läuft ein Farbfernseher. Thailändische Kinder, die heute die Grundschule in irgendeinem Reisbauerndorf besuchen, wachsen so wie ihre westlichen Altersgenossen in die Welt des Internets, der Smartphones und Designer-Klamotten hinein.
6. Thailand verfügt über eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. 4 Eisenbahnlinien führen von Bangkok aus in den Norden des Landes, in den Nordosten und Osten, sowie in den Süden. Die meisten größeren Provinzstädte verfügen über einen Flughafen. Gut ausgebaute Fernstraßen führen von Bangkok aus in alle Landesteile. Fast jeder Ort ist mit komfortablen Reisebussen zu erreichen.
7. In jeder größeren Provinzstadt gibt es Supermärkte und Warenhäuser, die den Vergleich zu deutschen Verbrauchermärkten in jeder Hinsicht standhalten. Dort gibt es für den modernen Haushalt alles, was das Herz begehrt: Kühlschränke, Waschmaschinen, Möbel, Fernseher, CD- und DVD-Player, Smartphones, Schuhe, Kleidung, Lebensmittel, Waschmittel, Kosmetika. Es mangelt an nichts.
8. Die thailändische Wirtschaft hat in den letzten 30 Jahren ein Wachstum hinter sich gebracht, von dem westliche Industrienationen wie z.B. Deutschland nur träumen können. Die neue Generation thailändischer Manager und Unternehmer hat ihre Ausbildung an den Universitäten und in Unternehmen und Firmen der USA und Westeuropas gemacht.
Thailand produziert in der Tiefebene des Chayo Prayas nicht nur den wahrscheinlich besten Reis der Welt und nicht nur Textilien für die Weltmärkte, sondern es hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Produzenten hochwertiger Elektronikkomponenten, Microchips und elektronischer Bauteile entwickelt, besonders auf dem Gebiet der Computer- und Smartphoneindustrie.
Dasselbe gilt für die sehr erfolgreiche Automobilzulieferindustrie im Lande. Entscheidend ist dabei nicht die Stückzahl im Vergleich zu den führenden westlichen Industriestaaten, sondern es zählt, daß Siam dazu fähig ist, und daß es auf allen Gebieten expandiert.
Heute ist Thailand im Bereich von Nahrungsmittelkonserven, Ananas und Thunfisch, Edelsteinen, Textilien und Kunststoffprodukten in die Reihen der weltweit führenden Exportnationen aufgestiegen.
9. Im Südosten Thailands in der Gegend um Chonburi und Laem Chabang sind inzwischen zwei große, moderne Industriezentren entstanden, in denen sich viele Unternehmen der Motorroller- und Autoindustrie, Petrochemie, Stahlverarbeitung und Elektronik angesiedelt haben. Anbei liegt ein moderner Containerhafen, Laem Chabang.
10. Die thailändischen Mittelschichten wachsen, ihre Einkommen steigen. Es gibt, bedingt durch das wirtschaftliche Wachstum, immer mehr und besser bezahlte Jobs. Auch das politische Bewusst-sein weiter Bevölkerungsgruppen erwacht. Die alteingesessenen reichen Bangkoker Eliten haben längst nicht mehr das alleinige Sagen. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen den „Rothemden“, die die Interessen der ärmeren Landbevölkerung repräsentieren, und den „Gelbhemden“, die für die Interessen der alten Eliten und neuen Bangkoker gehobenen Mittel-schichten einstehen, verdeutlichen diesen Prozess.
11. Aber gleichzeitig entstehen durch die fortschreitende Industrialisierung und den Ausbau entsprechender Infrastruktur auch erhebliche Probleme durch Umweltverschmutzung, rücksichtslosen Ressourcenverbrauch, explodierenden Verkehr und Abwanderungen von Menschen in die Metropolen (hauptsächlich nach Bangkok), was zu einer Verstärkung des Gefälles zwischen immer noch relativ strukturschwachen ländlichen Gebieten und den Städten führt.
12. Durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung kommt es zu gesellschaftlichen Verwerfungen und Spannungen. Die sehr schnelle Entwicklung von einer ländlich strukturierten Agrargesellschaft, die ihren Traditionen verhaftet ist, hin zu einer modernen ausdifferenzierten Industrie- und Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft führt zu Problemen, die die Thais erst noch lösen müssen.
Thailand ist in einem rapiden Wandel begriffen, der viele Thais schwindlig werden läßt. Die Moderne hat unser Königreich fest im Griff.
© Charly












































