@thaied: Solly!
@Liggi, thomas.txl, homerun & Co.: Danke!
Immer noch im langgezogenen Stadtviertel Boa Viagem, vielleicht drei Kilometer in Richtung Stadtzentrum, hält das Taxi auf Anweisung von Wilma vor einem Bierlokal. Der Besuch ausländischer Touristen ist hier eher eine Seltenheit, erst Recht der von auf geile Schulmädchen getrimmte Nutten. Entsprechend sind die Blicke. Mir aber egal, ich will das Herz von meiner neuen Favoritin gewinnen und Pfeife auf die Etikette.
Wilma ist ganz anders als Maria. Die war unbekümmert, lässig, gewitzt. Kokett. Zeigte Eigeninitiative. Sie spürte, wusste, ahnte, was ihren Kunden gefiel, und wahrscheinlich stand sie selbst aufs meiste. Aber Wilma, mit 22 Jahren vier Jahre älter und aus der Provinz, konnte ihrem Job ausser dem Aspekt der Geldbeschaffung nichts abgewinnen. Ihre Dauerdepression wurde durch ihren Drogenkonsum sicher verstärkt, war wohl aber nicht deren Hauptursache. Eigentlich hätte ich es bei unserem Kennenlerngespräch belassen sollen. Es gelang mir kaum, dem Mädchen ein Lächeln abzugewinnen. Doch die Vernunft verlor. Wilma war einfach zu hübsch, das Outfit zu reizend und die Hoffnung stirbt zuletzt. Eines ist sicher: Sie fand mich schon recht nett. Aber eines zentrales Argument dürfte dabei sicher mein Geldbeutelinhalt gewesen sein ... und der wurde strapaziert. Sie verlangte zunächst 200 Reais für den Rest der Nacht. Die Preisspanne in Brasilien ist enorm. Das Salär fängt – nicht direkt proportional zur Zeitspanne - bei einer Coca Cola an und hört bei etwa 500 Reais auf, obwohl es in Ausnahmefällen nach oben hin kaum eine Grenze gibt, bei besonders unmoralischen Angeboten wird auch mal mehr geboten ... als grobe Orientierung kann man sich trotz schwankendem Wechselkurs auf die 1:1 Regel beziehen. Was bei uns ein Euro kostet, kostet "drüben" 1 Real. Auf den Touristentrampelpfaden Recifes zahlte man damals zwischen 50 und 70 Reais für Scherbenhaufen bis guter Mittelkasse pro Nacht, zwischen 70 und 100 Reais für bessere Qualität und hoffentlich auch Leistung und zwischen 100 und 150 für Spitzenbräute, die allerdings recht selten anzutreffen waren. Für Frischlinge und Pseudo-Liebhaberinnen mit einkalkulierter Heiratsoption allerdings deutlich weniger. Da reichte meistens schon ne Pizza ... eine Pauschalisierung ist folglich nur schwer möglich. Ein direkter Vergleich innerhalb einer geschlossenen Gruppe – in dem Fall der auf Ausländer spezialisierte Boa-Viagem-Nutten - schon. Wir einigten uns auf 150 Reais und das Investment hätte sich nur gelohnt, wenn ich sie beim Präparator hätte ausstopfen lassen. Ihre Dienstleistung war eine Frechheit und wenn ich mich nicht darauf berufen würde, trotz meiner Eskapaden ein ganz anständiger Kerl zu sein, müsste ich mich zum hafensingenden Weichei abstempeln lassen, weil ich sie nicht hochkant aus meinem Zimmer warf.
Nur wäre mir dann der morgendliche Ausflug zu ihrem Hauptquartier verwehrt geblieben ... eine garagenähnliche Behausung mit manuellem Rolltor, einem Kühlschrank, in dem sich ein angebrochener Schokoriegel und eine Flasche Leitungswasser befanden, einer Matratze und einer Dusch-Plumpsklo-Kombination sowie ein paar Plastiktüten, die den fehlenden Kleiderschrank ersetzten. Ich fragte bereits draussen vor der Tür skeptisch, ob das Viertel hier eine Favela, ein Slum, sei. Empört raunte sie mir zu: "Nein! Die fängt erst da hinten an!" 30 Meter weiter ...
Das Projekt Wilma war beendet. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Maria den Abend zuvor einfach stehen liess, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das plötzlich an die Oberfläche gespülte Schuldbewusstsein an meiner guten Erziehung lag, oder an der Tatsache, vergangene Nacht mit Wilma eindeutig aufs falsche Pferdchen gesetzt zu haben ...
Nach einer kurzen Besichtigungstour in die Altstadt überbrückte ich die Zeit zwischen Siesta und Nachtleben mit einem Spaziergang an der Strandpromenade. Eigentlich war klar, dass ich mir am heutigen Abend einen detaillierteren und umfassenderen Überblick über die Angebotspalette in Bamboo und Shakatak verschaffen musste. Vom eigentlichen Nightlife-Geschehen hatte ich ja in Wahrheit noch nichts mitbekommen. Doch das Schicksal macht wieder mal einen Strich durch meine Rechnung, wobei ich mich nicht beschweren will.
Eine blondierte Morena erhascht meinen interessierten Blick, als ich an ihr vorbei laufe. Sie ist gehandicapt, kann nicht sprechen, weil sie gerade in einen Apfel beisst. Ihr Mund ist voll. Ich muss grinsen, laufe weiter. Ich drehe mich noch einmal zu ihr um. Und sie erkennt die Chance. Läuft mir nach und spricht mich an: "Ey, warte mal ..."
Sie ist angeblich 19. Wirkt viel jünger. Sie ist sehr hübsch. Trotz ihrer falschen Haarbarbe wirkt sie mit ihrem leichten Ansatz von Sommersprossen sehr natürlich. Ich mag ihren Typ. Sie arbeitet in einer der Strandbarracken. Ganz sicher bin ich mir nicht, entweder handelt es sich um einen Semiprofi oder um eines derjenigen Exemplare, die tatsächlich von einem besseren Leben in Europa träumt. Auf meine Einladung zum gemeinsamen Abendessen erhalte ich sofort eine Zusage. Sie brennt. Obwohl sie eine knappe Omnibusstunde entfernt wohnt, ist sie mit einem Treffen um 19 Uhr in meiner Pousada einverstanden. Das Zeitfenster ist eng. Hin- und Rückfahrt, Styling ... Ich drücke ihr 10 Reais in die Hand. Das langt locker für den Omnibus und reicht vielleicht auch für ein Privattaxi. Auf alle Fälle ist das überschaubare Investment eine symbolische Vorleistung, das mir – sofern sie tatsächlich erscheint – nur Vorteile bringt.
Ich breche meinen Spaziergang ab, der ja nur der Vorwand war, um ins nächste Abenteuer zu schlittern. Ich informiere den deutschen Geschäftsführer meiner Pousada, für die eigentlichen Besitzer wohl eher alkoholkranker Strohmann mit Hausmeisterfunktion, über meinen erwarteten Besuch: "Pfff, wenn die 19 Uhr sagt, heisst das noch lange nicht, dass sie um 19 Uhr auch kommt ..." Ich habe ein besseres Bauchgefühl und sage nur selbstsicher: "Abwarten ..."
Um 18:50 Uhr klingelt das Zimmertelefon. Die Stimme des Geschäftsführers klingt irgendwie zerknirscht: "Da ist eine Tatjana für Dich ..."