2028, Herbst, fiktiv
Titel: "Genehmigungslyrik im Homeoffice"
Szene: Homeoffice. Vormittag. Teresa bringt Tee. Klimbim sitzt im T-Shirt der Aufschrift (Selbstfertigung) "Chang und Gin mit Bernd im Pool" und murmel in die Webcam.
Geschäftsführer Kramer erscheint im Videocall. Maßanzug. Lächelt.
Schnell noch Kleiderwechsel im Bad, kurze Pause: Ich trage dann: ein zerknittertes Hemd und eine Tasse vor mir mit der Aufschrift „Ich arbeite wegen dem Geld“.
Klimbim (Fox): „…demnach sind keine signifikanten Brutvorkommen windkraftsensibler Arten festzustellen – mit Ausnahme eines übergewichtigen Rotmilans, der offenbar mehr mit Thermik als mit Reproduktion beschäftigt ist.“
Herr Kramer (über Teams): „Klimbim… Ich weiß, das ist ein Umweltbericht. Aber das klingt wie Thomas Mann auf Baldrian.“
Klimbim (trocken): „Ich schreibe so, dass selbst das Landesumweltamt kurz weint und dann zustimmt.“
Kramer (lacht): „Und dann nennen sie mich den CEO, aber dich fragen sie, ob der Rotmilan wirklich übergewichtig war.“
Klimbim: „War er. Sichtkontrolle durch Spektiv. Hielt sich an einem Mast wie an einem Geländer fest.“
Teresa (stellt Tasse ab): „Fox, ich hab deinen Kaffee klargemacht." Sie lächelt mit diesem Blick der sagt: "wann ist Feierabend, ich habe heute noch was mit Dir vor - sieht mich der Kramer gerade?"
Klimbim (nickt, zum Bildschirm): „Sie ist der eigentliche Vorstand hier.“
Kramer an Teresa gewandt: „Frau Klimbim, bitte... retten Sie diesen Mann vor sich selbst. Er hält Umweltverträglichkeitsprüfungen für Poesie.“
Teresa (lächelt): „Er ist Poet, Sir. Mit Fußnoten. Sehr viele Fußnoten.“
Klimbim: „Ich bin der Einzige, der einem Aktenzeichen ironische Tiefe geben kann.“
Kramer: „Und genau deshalb fürchte ich mich vor dem Tag, an dem du kündigst. Du wirst irgendwas einreichen mit dem Titel: "Abschied als Fortpflanzungsverzicht unter urbaner Schallbelastung: Eine Feldstudie aus Kleinheide."
Klimbim: „Schon in Arbeit. Kapitel 2 heißt: "Pattaya als Kompensationsfläche.“
Kramer (lacht laut): „Wenn Sie gehen, nehme ich mir Urlaub. Ein halbes Jahr Trauerarbeit mit dem Betriebsrat!“
Teresa (setzt sich, ganz ruhig): „Er geht nur, wenn ich ihn lasse, Sir. Und das... po... dauert noch ein bisschen. Aber so lange auch nicht mehr...“
Klimbim (leise): „Sie hat da eine Art Veto - aber sie lässt mich vielleicht doch entscheiden.“
Kramer: „Und ich dachte immer, Sie sind der verrückte Professor bei uns. Aber offenbar sind Sie nur Assistent.“
Klimbim: „Ich bin Volontär bei ihrer Lebensweisheit. Ohne Aufstiegschancen.“
Kramer: „Wissen Sie, Klimbim, Sie sind unser interner Hofnarr. Klug, unbequem, ein bisschen zu witzig für Ihre Funktion. Aber ich mag das. Sie geben mir das Gefühl, wir hätten noch sowas wie Menschlichkeit. Klimbim. Sie sehen aus wie jemand, der nachts an Windrädern horcht.“
Klimbim...
„Es ist ein bewährter Dreiklang – geeignet, erforderlich, angemessen – aber die Musik spielt bei der Verhältnismäßigkeit in Moll, wenn wir zwei Schutzgüter gegeneinander abwägen müssen, die beide grundrechtlichen oder europarechtlichen Rang beanspruchen. In unserem Fall: das Klimaschutzinteresse, verkörpert im Ausbau der Windenergie (Art. 20a GG i.V.m. § 2 EEG, § 1 BImSchG), versus der artenschutzrechtliche Schutz eines individuenarmen
(„individuenarm“ = wenige Tiere einer Art in einem Gebiet), aber prominent vertretenen Greifvogels gemäß § 44 BNatSchG.
Die rechtliche Herausforderung besteht darin, dass das eine Gut – der Klimaschutz – diffus, aber langfristig existenzsichernd ist, während das andere – der Einzelschutz des Rotmilans – punktuell, aber rechtlich scharf konturiert eingreift. Nun verlangt das Unionsrecht (Art. 16 FFH-RL analog auf Vogelschutz) nicht den Stillstand der Energiewende bei jeder Sichtung eines übergewichtig mäandernden Greifvogels. Vielmehr muss geprüft werden, ob durch technische, räumliche oder betriebliche Maßnahmen das Konfliktpotenzial abgemildert werden kann, ohne den Zweck des Projekts – effektiver Beitrag zur Energiewende – zu unterlaufen.
Die Abwägung gerät nur dann aus der Balance, wenn das Artenschutzrecht als kategorisches Tötungsverbot (Null-Toleranz-Dogma) missverstanden wird, während die Pflicht zum Klimaschutz bloß politisch-dekorativ behandelt wird. Der aktuelle Stand der Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Urt. v. 20.03.2023 – 8 D 22/21.AK) verlangt eine Einzelfallanalyse, die das Habitatverhalten, das Kollisionsrisiko und die Alternativen im Verfahren sichtbar und bewertbar macht. Übersetzt: Weder darf man den Rotmilan einfach wegplanen, noch darf man die Windkraft unter das Nest beugen.
Am Ende bleibt die Verhältnismäßigkeit kein Rechenschieber, sondern ein realitätsbezogener Zumutbarkeitsfilter. Windkraft ja – aber nicht auf Kosten der ökologischen Glaubwürdigkeit. Artenschutz ja – aber nicht als Dogma wider besseren ökologischen Gesamtverstand.“
Kramer (lächelt mild und klopft symbolisch auf den Tisch):
„Wenn das hier irgendwann verfilmt wird, kriegt der Rotmilan eine Nebenrolle. Sie aber... Sie kriegen Drehbuchbeteiligung.“
Szene: Abschluss des Calls. Kamera noch an. Kramer lehnt sich zurück, der Bildschirm flackert leicht.
Klimbim nippt am Kaffee. Teresa sitzt nun neben ihm, legt ihm unmerklich die Hand aufs Knie.
Kramer (noch schmunzelnd über den Rotmilan):
„Klimbim, sagen Sie Ihrer Frau bitte: Sie hat Geschmack. Und Geduld. Beides bewundere ich.“
Teresa (blickt freundlich in die Kamera, mit einem Ton, der zugleich leise, bestimmt und warm ist):
„Sir Kramer… in meinem Land sagen wir: If the rooster crows too early, you just smile and let him think it's already sunrise.Mein Mann ist manchmal wie dieser Hahn. Aber… er meint es gut. Und er braucht jemanden, der ihm sagt, wann wirklich Morgen ist.“
(Übersetzt: „Sir Kramer… Wenn der Hahn zu früh kräht, lächelst du einfach und lässt ihn denken, es sei schon Sonnenaufgang.“
– Das bedeutet: Manchmal drängt jemand ungeduldig oder zu früh mit seinen Ansagen oder Entscheidungen. Anstatt sich zu ärgern, nimmt man es gelassen und gibt dem Gegenüber die Zeit, die er braucht, um zur richtigen Erkenntnis zu kommen.)
Klimbim (senkt den Blick leicht, schmunzelt still):
„Sie hat das gesagt, was ich in zwanzig Fußnoten nicht hinbekomme.“
Kramer (leise, fast gerührt):
„Das ist das Klügste, was ich heute gehört habe. Und das Poetischste.“
Teresa (blinzelt verschmitzt, ganz sanft):
„Dann war's vielleicht doch schon Morgen, Sir.“
Der Call endet. Das Bild friert ein, während Kramer noch lacht.