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Joe
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"Wenn der Winter zu laut wird" - 2011, meine erste Reise nach Pattaya

Klimbim

Schreibwütig
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24 November 2024
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Dein Schreibstil ist unnachahmlich blumig und emotional mitreißend. Allerdings vermute ich, dass die teils schlagfertigen und tiefsinnigen
Metapher von Fai nicht alle aus ihrem brain stammen, sondern deinem Intellekt entspringen/geschuldet sind oder dieser mitunter
etwas zu viel hinein interpretiert.


Da hast du recht – und natürlich gleichzeitig wieder nicht.

So ist das mit Erinnerungen: zuverlässig wie ein thailändischer Busfahrplan.

Was Fai betrifft: Meine Gedanken an sie sind... sagen wir mal... nicht mehr ISO-zertifiziert. Ich bemühe mich durchaus um Authentizität, aber seien wir ehrlich – nach all den Jahren wäre es einfacher, die Inhalte eines 90er-Jahre-Geldautomaten exakt zu rekonstruieren als jede Nuance eines Gesprächs mit Fai.

Also trickse ich ein wenig. Ich beobachte meine Frau. Die spricht zwar nicht dieses herzerweichende Tenglish, dafür aber fließend Deutsch – mit dem Charme einer südostasiatischen Perlentaucherin.

Ich nehme also 50 % Fai, 50 % Teresa und noch eine Prise „Ich beim Schreiben in einem merkwürdigen mentalen Aggregatzustand“ – und voilà: Fai, wie sie leibt, lebt und in meinem Kopf wieder aufersteht.

Dass ich diese Eigenart überhaupt zu "Papier" bringe, liegt vermutlich daran, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin, später ein paar weitere Sprachen dazugepackt habe – und irgendwo zwischen innerer Übersetzungsmaschine und ironischem Erzähler hängengeblieben bin.

Apropos Sprachverrücktheit: Ich werd demnächst drüben im anderen Strang mal erzählen, wie ich überhaupt dazu kam, eine indigene Sprache Nordamerikas zu lernen. Es ist eine Geschichte voller Irrsinn, Romantik und linguistischer Nebenwirkungen – also ganz in meinem Stil.

Kurzfassung vorab: Ich war 16, Schulbus, Berlin, Ibero-Amerikanisches Institut. Eine sehr attraktive Studentin betritt das Gebäude. Ich springe raus aus dem Bus wie Indiana Jones auf Koks, folge ihr – und lande nicht bei ihr, sondern bei einem Einführungskurs in Navajo. Die Frau hab ich nie gekriegt. Aber ich bekam eine Sprache, die so klingt, als würde ein Kaktus philosophieren.

Ganz ehrlich: Hat sich gelohnt.

Bei Jim war’s einfacher: angerufen, zum Leben erweckt, fertig. Sein australischer Akzent? Gold. Ich kann ihn nachmachen, er liegt jedes Mal unterm Tisch. Freundschaft durch Imitation – das geht bei Australiern sowieso besser als durch Blumen.

Und zum Schluss: Danke fürs Kompliment. Ich tu nur so, als wäre das hier alles Absicht. Ist es aber selten.

" ich wünsche ich könnte so treffend formulieren, seriös und humorvoll zugleich."

Ich werde hier vielleicht mal ein Protokoll meiner mündlichen Prüfung im Jura-Examen niederschreiben. Ich glaube nicht, dass die Professoren so oft Gelegenheit hatten in Prüfungen derartig zu lachen. Meine Note hat es leider nicht so gepushed aber sie mochten mich irgendwie.

Ich sie eher weniger. Ich war schon in der Schule Klassenclown. Meine Mutter liebte das. Hab sie gerne aufgeheitert.
 
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Klimbim

Schreibwütig
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24 November 2024
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2028, Herbst, fiktiv

Titel: "Genehmigungslyrik im Homeoffice"


Szene: Homeoffice. Vormittag. Teresa bringt Tee. Klimbim sitzt im T-Shirt der Aufschrift (Selbstfertigung) "Chang und Gin mit Bernd im Pool" und murmel in die Webcam.

Geschäftsführer Kramer erscheint im Videocall. Maßanzug. Lächelt.

Schnell noch Kleiderwechsel im Bad, kurze Pause: Ich trage dann: ein zerknittertes Hemd und eine Tasse vor mir mit der Aufschrift „Ich arbeite wegen dem Geld“.

Klimbim (Fox): „…demnach sind keine signifikanten Brutvorkommen windkraftsensibler Arten festzustellen – mit Ausnahme eines übergewichtigen Rotmilans, der offenbar mehr mit Thermik als mit Reproduktion beschäftigt ist.“

Herr Kramer (über Teams)
: „Klimbim… Ich weiß, das ist ein Umweltbericht. Aber das klingt wie Thomas Mann auf Baldrian.“

Klimbim (trocken)
: „Ich schreibe so, dass selbst das Landesumweltamt kurz weint und dann zustimmt.“


Kramer (lacht): „Und dann nennen sie mich den CEO, aber dich fragen sie, ob der Rotmilan wirklich übergewichtig war.“


Klimbim: „War er. Sichtkontrolle durch Spektiv. Hielt sich an einem Mast wie an einem Geländer fest.“


Teresa (stellt Tasse ab): „Fox, ich hab deinen Kaffee klargemacht." Sie lächelt mit diesem Blick der sagt: "wann ist Feierabend, ich habe heute noch was mit Dir vor - sieht mich der Kramer gerade?"

Klimbim (nickt, zum Bildschirm): „Sie ist der eigentliche Vorstand hier.“

Kramer an Teresa gewandt: „Frau Klimbim, bitte... retten Sie diesen Mann vor sich selbst. Er hält Umweltverträglichkeitsprüfungen für Poesie.“


Teresa (lächelt): „Er ist Poet, Sir. Mit Fußnoten. Sehr viele Fußnoten.“


Klimbim
: „Ich bin der Einzige, der einem Aktenzeichen ironische Tiefe geben kann.“


Kramer: „Und genau deshalb fürchte ich mich vor dem Tag, an dem du kündigst. Du wirst irgendwas einreichen mit dem Titel: "Abschied als Fortpflanzungsverzicht unter urbaner Schallbelastung: Eine Feldstudie aus Kleinheide."


Klimbim: „Schon in Arbeit. Kapitel 2 heißt: "Pattaya als Kompensationsfläche.“


Kramer (lacht laut)
: „Wenn Sie gehen, nehme ich mir Urlaub. Ein halbes Jahr Trauerarbeit mit dem Betriebsrat!“


Teresa (setzt sich, ganz ruhig): „Er geht nur, wenn ich ihn lasse, Sir. Und das... po... dauert noch ein bisschen. Aber so lange auch nicht mehr...“


Klimbim (leise): „Sie hat da eine Art Veto - aber sie lässt mich vielleicht doch entscheiden.“


Kramer
: „Und ich dachte immer, Sie sind der verrückte Professor bei uns. Aber offenbar sind Sie nur Assistent.“

Klimbim: „Ich bin Volontär bei ihrer Lebensweisheit. Ohne Aufstiegschancen.“

Kramer: Wissen Sie, Klimbim, Sie sind unser interner Hofnarr. Klug, unbequem, ein bisschen zu witzig für Ihre Funktion. Aber ich mag das. Sie geben mir das Gefühl, wir hätten noch sowas wie Menschlichkeit. Klimbim. Sie sehen aus wie jemand, der nachts an Windrädern horcht.“


Klimbim...

„Es ist ein bewährter Dreiklang – geeignet, erforderlich, angemessen – aber die Musik spielt bei der Verhältnismäßigkeit in Moll, wenn wir zwei Schutzgüter gegeneinander abwägen müssen, die beide grundrechtlichen oder europarechtlichen Rang beanspruchen. In unserem Fall: das Klimaschutzinteresse, verkörpert im Ausbau der Windenergie (Art. 20a GG i.V.m. § 2 EEG, § 1 BImSchG), versus der artenschutzrechtliche Schutz eines individuenarmen
(„individuenarm“ = wenige Tiere einer Art in einem Gebiet), aber prominent vertretenen Greifvogels gemäß § 44 BNatSchG.



Die rechtliche Herausforderung besteht darin, dass das eine Gut – der Klimaschutz – diffus, aber langfristig existenzsichernd ist, während das andere – der Einzelschutz des Rotmilans – punktuell, aber rechtlich scharf konturiert eingreift. Nun verlangt das Unionsrecht (Art. 16 FFH-RL analog auf Vogelschutz) nicht den Stillstand der Energiewende bei jeder Sichtung eines übergewichtig mäandernden Greifvogels. Vielmehr muss geprüft werden, ob durch technische, räumliche oder betriebliche Maßnahmen das Konfliktpotenzial abgemildert werden kann, ohne den Zweck des Projekts – effektiver Beitrag zur Energiewende – zu unterlaufen.

Die Abwägung gerät nur dann aus der Balance, wenn das Artenschutzrecht als kategorisches Tötungsverbot (Null-Toleranz-Dogma) missverstanden wird, während die Pflicht zum Klimaschutz bloß politisch-dekorativ behandelt wird. Der aktuelle Stand der Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Urt. v. 20.03.2023 – 8 D 22/21.AK) verlangt eine Einzelfallanalyse, die das Habitatverhalten, das Kollisionsrisiko und die Alternativen im Verfahren sichtbar und bewertbar macht. Übersetzt: Weder darf man den Rotmilan einfach wegplanen, noch darf man die Windkraft unter das Nest beugen.

Am Ende bleibt die Verhältnismäßigkeit kein Rechenschieber, sondern ein realitätsbezogener Zumutbarkeitsfilter. Windkraft ja – aber nicht auf Kosten der ökologischen Glaubwürdigkeit. Artenschutz ja – aber nicht als Dogma wider besseren ökologischen Gesamtverstand.“



Kramer (lächelt mild und klopft symbolisch auf den Tisch):

„Wenn das hier irgendwann verfilmt wird, kriegt der Rotmilan eine Nebenrolle. Sie aber... Sie kriegen Drehbuchbeteiligung.“

Szene: Abschluss des Calls. Kamera noch an. Kramer lehnt sich zurück, der Bildschirm flackert leicht.

Klimbim nippt am Kaffee. Teresa sitzt nun neben ihm, legt ihm unmerklich die Hand aufs Knie.

Kramer (noch schmunzelnd über den Rotmilan):

„Klimbim, sagen Sie Ihrer Frau bitte: Sie hat Geschmack. Und Geduld. Beides bewundere ich.“

Teresa (blickt freundlich in die Kamera, mit einem Ton, der zugleich leise, bestimmt und warm ist):


„Sir Kramer… in meinem Land sagen wir: If the rooster crows too early, you just smile and let him think it's already sunrise.Mein Mann ist manchmal wie dieser Hahn. Aber… er meint es gut. Und er braucht jemanden, der ihm sagt, wann wirklich Morgen ist.“

(Übersetzt: „Sir Kramer… Wenn der Hahn zu früh kräht, lächelst du einfach und lässt ihn denken, es sei schon Sonnenaufgang.

– Das bedeutet: Manchmal drängt jemand ungeduldig oder zu früh mit seinen Ansagen oder Entscheidungen. Anstatt sich zu ärgern, nimmt man es gelassen und gibt dem Gegenüber die Zeit, die er braucht, um zur richtigen Erkenntnis zu kommen.)

Klimbim (senkt den Blick leicht, schmunzelt still):

„Sie hat das gesagt, was ich in zwanzig Fußnoten nicht hinbekomme.“

Kramer (leise, fast gerührt):

„Das ist das Klügste, was ich heute gehört habe. Und das Poetischste.“

Teresa (blinzelt verschmitzt, ganz sanft):


„Dann war's vielleicht doch schon Morgen, Sir.“

Der Call endet. Das Bild friert ein, während Kramer noch lacht.
 
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Klimbim

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Was mir beim Schreiben, bzw. eher beim LESEN danach nämlich aufgefallen ist – und was ich an mir selbst irgendwie... sagen wir mal: „originell“ finde – betrifft die Ansprache in meiner letzten Geschichte. Es handelt sich um eine völlig fiktive Erzählung, die allerdings zufällig überraschend viele echte Gesprächsfetzen enthält.

Solche Gespräche gab es definitiv. ABER:

In dieser Geschichte duzt mich eine Figur namens Kramer. Soweit, so kumpelhaft. Doch nur wenige Absätze später switcht derselbe Kramer bruchlos ins förmliche „Sie“. Einfach so. Zack. Ohne Vorwarnung. Kein Blitz, kein Donner, einfach „Sie“.

Ich dachte zuerst: Hm. Literarischer Stilbruch? Oder einfach kaputte Tastatur?

Aber dann dämmerte es mir: Kramer ist schizophren. Also nicht medizinisch. Nur beruflich.

Denn in der Realität – also da, wo das Gehalt herkommt – gibt es bei uns tatsächlich zwei Geschäftsführer. Der eine ist locker, menschlich, gelegentlich sogar freundlich: er duzt mich. Der andere ist... nennen wir ihn höflich distanziert. Ein Mann in Excel-Form. Er siezt. Sehr konsequent. Manchmal sogar im Slack-Chat.

Und in meinem Kopf – offenbar ein Ort von bestechender Ordnung – haben sich diese beiden zu einem einzigen Kramer fusioniert. Wie zwei Pokémon, nur in Anzug und mit Budgetverantwortung.

Das Ergebnis ist ein Charakter, der in einem Satz erst mein bester Freund ist und im nächsten klingt, als würde er mir gleich eine Abmahnung überreichen. Stilistisch erinnert mich das ganz unbeabsichtigt an das Buch „Herr Lehmann“, das ich sehr mag – da wird der Protagonist auch munter durchduzt, obwohl er durchgehend „Herr Lehmann“ heißt. Also: verwirrend charmant.

Manchmal frage ich mich ernsthaft, was das Gehirn so alles veranstaltet, wenn man es mal kurz unbeaufsichtigt lässt.
 
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Klimbim

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24 November 2024
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Pause beim Schreiben, aber kein Abschied

Wundert euch nicht: ich bin eine gewisse Zeit am Mittelmeer auf Korsika mit Kind und Kegel inklusive Mudda und wir verabschieden uns damit in die Sommerfrische.

Im Meerwasser schreibe ich nicht und Abends sitze ich eher mit meinen Liebsten beim Rosé am Pool nach der Dusche denn am Laptop.

Aber: das wird ne Menge Stoff geben den ich nach der Rückkehr euch hier um die Ohren hauen werde. Dann: 2 Monate in Deutschland um sodann nach Pattaya abzudüsen... eine längere Zeit. Viele Überstunden machen das möglich...

Ihr werdet viele neue schöne Geschichten lesen können. Was, weiss ich gar nicht. Mal sehen, was mir die Reisen so bringen. Korsika mit Kind und Kegel, Pattaya mit Bernd und Gin.

Liebe Grüße von Bernd, er hat gerade zutun aber freut sich auch.

Wir stehen täglich in Verbindung. So ein netter Typ und hier im Forum kennen gelernt.

Ein Bombengeschenk dieser Bundesbeamte mit Hang zum "mir Mangos ins Gesicht quetschen" - verbal! Und Bananen bekommt er dann zurück.

"Noch fragen Kienzle? JA Hauser..."


Das Leben ist herrlich! Also liebe Leser, ich bin dann mal weg. Bis bald, Klimbim
 
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