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Thailand Schwiegermütter

Iffi

In Memoriam
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18 Oktober 2008
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Episode XIV, Ein Blick in die Zukunft

Buddha hat gesagt, alles ist im Fluss, alles verändert sich. Und wer sich an den manchmal glücklichen Status Quo oder gar die vermeintlich bessere Vergangenheit klammert, der säht sich selber das Gerstenkorn des Leidens ins Auge. So auch die Menschen in der Fremde. Dies wird in kaum einem anderen Land mehr offensichtlich, als in Thailand, welches von vielen Expats bevölkert ist, ganz besonders von den in alle sieben Gliedern geliebt werden wollenden Deutschen.

Wie oft habe ich in Thailand schon auf der Veranda von Rentnern beim Singh oder Kloster gesessen und anfangs mit Erstaunen auf die deutsche Reichskriegsflagge geschaut, die sich in der anheimelnden Abendbrise leicht kräuselte, als wenn unser letzter Kaiser nie das Weite gesucht hätte. Und das ausgerechnet zu den Käsköppen. Wie oft habe ich selbst Hannoveraner in Lederhosen und Hut mit Gamsbart erlebt, nur weil sie nach dem wirklichen Deutschland Heimweh hatten.

Wie oft habe ich im Suffkopp dort dann das Horst-Wessel-Lied mitgegrölt: „Die Fahne hoch, die Farang-Reihen fest geschlo-o-ssen…“, obwohl ich den Text und die Melodie nicht von meinen Vorfahren vererbt bekam, weil die sich geschämt haben und Oma sich immer geweigert hat, was anderes als „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh’“ mit mir zu singen, da ich ja ihr männlicher Enkel bin.

Alles nur Makulatur. Im Grunde genommen ist die Rentner-Band im unwirklichen Thailand einem Trugschluss erlegen. Im Alter wird halt oft die eigene Schwäche hinter den Symbolen der Macht versteckt. Da steht die Reichs-Kriegs-Flagge für die vermeintliche Unverletzlichkeit gegenüber der holden Thaiweiblichkeit. Als ob die ihren kriegerischen Sinn erkennen würden. Reine Illusion. Da brauch’ ich gar nicht erst den Buddhismus zu bemühen.

Die Mädels brauchen keine Flagge um uns zu unterwandern. Die gehen einfach den langen Marsch durch die Institutionen, wie wir 68ziger uns mal vorgenommen hatten, bevor wir die Faszination einer Krawatte erkannt haben: Pass, Visum, Heirat, Grundbucheintragung in der Heimat, unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung in der Fremde. Und dann übernehmen sie die Macht. Und ehe wir uns versehen, hat unser Kanzler keine Mehrheit mehr.

Wollt ihr meine wirkliche Meinung hören? Egal. Ich warte eure Antwort nicht ab.

Nicht lange, und jedes deutschsprachige Dorf hat eine Bürgermeisterin thailändischer Abstammung. Und dann Gnade euch Gott. Bringt bloß vorher die Grundbücher in Sicherheit, denn wenn die mal amtsprachlich in „Schanot“ umgetauft sind, blickt kein Einheimischer mehr durch.

Sie machen sogar den „wai“ vor uns einheimischen Herren und denken sich insgeheim: „wenn es denn der eigenen Gerechtigkeit dient.“ Und das, obwohl sie den „Muff unter den Talaren von tausend Jahren“ nie kennen gelernt haben. Naturtalente halt.

Wir ihr seht, bin ich keiner von denen, die nur nehmen wollen, nur Antworten von euch erwartet. Mit diesen Ausführungen möchte ich euch was geben, nämlich die Bereitschaft zum Gefecht. Wenn ihr wollt, stehe ich euch mit Rat und Tat in Bezug auf Machtangelegenheiten jederzeit zur Verfügung, auch wenn die sieben Glieder noch schmerzen.

Glaubt ihr etwa, dass die Gefahr unter dem Kopftuch lauert? Mitnichten. Es sind die allseits sichtbaren, zwar naturschwarz, aber rot-braun gefärbten Haare und darunter die Mandelaugen, die unseren westlich zivilisierten Untergang eines Tages herbeiführen werden.

Ich sage eine Welt voraus, wo nur noch in der Küche „pock pock“ gemacht wird, und die Nachbarn sich wg. dieser Lärmbelästigung gegenseitig umbringen. Was sage ich da: in der Küche. Die Einbauküche wird der Vergangenheit angehören. Der Balkon wird einfach zur Brutzelecke und zum Kräutergarten umfunktioniert. Das heißt schon wieder mehr Arbeitslose in der Möbel- und Pharma-Industrie.

Und es wird noch schlimmer kommen. Ist euch schon mal aufgefallen, wie hoch die vorgetäuschte Selbstmord-Bereitschaft unter den Holden in der Küche inmitten all dieser metallenen Bestecke ist? Jedes mal, wenn ihr was nicht passt, sagt sie, ich bring mich um, aber nicht ohne uns Männern vorher den Schwanz abzuschneiden. Wir werden verbluten oder bestenfalls geschlechtslos dahinfristen, aber da die Thai-Weiber zu blöd sind, ihre Pulsadern längs aufzuschneiden, sondern immer nur quer, und sich die Wunde bald wieder von selbst schließt, werden sie alleine überleben. Das ginge ja noch, aber politisch gesehen wird unsere Gesellschaft dadurch endgültig veraltern, weil wir ja nichts mehr zur Fortpflanzung beitragen können.

Irgendwann in hundert Jahren wird unser Volk nur noch aus alten Thaiweibern bestehen, die verzweifelt versuchen, den letzten westlichen Mann zu melken.

Das einzig Positive daran ist, dass es dann die Grünen Verbotsheinis auch schon lange nicht mehr gibt.

Die Reichs-Kriegsflagge wird dann schon längst zum Sarong umgemodelt und das Horst-Wessel Lied wird im Nebel der Vergangenheit verklungen sein. Da nützt auch kein Echo-Radar mehr, da die Holden es nicht mehr zu bedienen wissen.

Entschuldigt bitte meinen aufkommenden Zynismus. Ihr habt mich ja bisher als vernünftigen und durchaus rationalen Menschen kennen gelernt, und meine Geschichte als höchst normal befunden.

Aber dieser Beitrag soll euch nur zeigen, wie tief ich am Ende kulturell unterwandert wurde.


Aber ich greife schon wieder vor…
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode XV, Mamas Reise

Mamas Zeit ist mal wieder abgelaufen. Ihre Reisevorbereitungen sind etwas umfangreicher, als gewöhnlich. Sie sagt mir, ich solle ihr ein Rundreise-Ticket besorgen.

Wien – Bangkok – Chiang Mai – Bangkok – Wien

Sie hätte einige Besichtigungen und Besorgungen hoch im Norden zu erledigen. Ob ich ihr ein paar mehr Dollars geben könne.

„Wie viel mehr brauchst du?“

„Up to you“

Mist mann! Seitdem sie die präzise genannten 400K eingesackt hat, verfällt sie wieder ins Ungenaue.

„OK, hier sind 300 Dollar, reicht das?“

Ich höre ihren kleinen Taschenrechner in ihrem Hirn ticken, sie nickt kurz und nimmt kommentarlos das Geld. Der Ticket-Preis ist der gleiche. Bei diesen Entfernungen sind solch kleine Abstecher umsonst.

Die 3SAT Dokumentation über die Bergstämme im Norden Thailands, kürzlich im TV, scheint sie mächtig beeindruckt zu haben. So gebe ich ihr gerne dieses Zusatztaschengeld für ihre Bildungsreise. Auch Thais lernen über ihre eigene Kultur nie aus.

Über die Zeit ohne Mama gibt es kaum was zu berichten, außer dass meine Holde jetzt meistens zu Hause bleibt. Bei bestimmten Nummern auf ihrem Handy-Display schaltet sie die Anrufe einfach weg um die Batterie zu schonen. Schließlich hört diese vergebliche Klingelton-Dudelei ganz auf.

Unsere Tagesschau-Abende bekamen einen wirklich privaten Charakter und wir freuten uns Sonntags besonders auf die Wochenrückschau, die ja viel länger dauert und uns deswegen zu mehreren Höhepunkten verhalf. Na ja, ich will ehrlich bleiben, eigentlich mehr bei ihr. Bei mir war das ohne Mama so’ne Sache. Bei der ein oder anderen globalen Katastrophe oder Kriegsnachricht im Rückblick erinnerten wir uns freudestrahlend an die ein oder andere besonders gelungene Nummer Wochentags und jedes mal, wenn Merkel auftauchte, ging meine Mia ab wie die Feuerwehr.

Drei Monate später holen wir unsere geliebte Mama vom Flughafen ab. Sie sieht unverschämt gut aus und wirkt irgendwie noch erwachsener und weiblich reifer. Nein, ihre Blüte ist noch lange nicht verwelkt. Im Gegenteil, sie erneuert sich immer wieder auf wunderbare Weise. Strahlend und voll bepackt schreitet sie wie auf einem Laufsteg durch die automatische Schiebetüre in der Ankunftshalle. Nach unserer dezenten Begrüßung, was geht die anderen schon an, wie glücklich wir sind, sagt Mama:

„Visum lief alles wie geschmiert.“

Dabei öffnet sich ihre Handtasche versehentlich und die Oil of Olaz Krem-Dose purzelt heraus. Wie habe ich diese vermisst.

Sie hat ein Jahresvisum im Pass. Das letzte mögliche, bevor mein Kamerad Fischer wieder ein liebes EU Wort für Austria einlegte. Chirac schmollte zwar noch den Haidar an, aber lenkte dann doch ein. So nahm das Schengen-Geraffel auch für Austria seinen sozialistisch bürokratischen Gang. Der Fischer ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Ehe mich der Schmerz übermannt, erinnere ich mich an eine der wichtigsten Buddhistischen Weisheiten. Alles ist vergänglich, nichts ist beständig. Klammer dich nicht zu sehr an irgendwas, denn der Verlust ist leidvoll. So löse ich also meine Rest-Klammerung an Fischer aus den 60zigern und mir geht es schon wieder besser.

Mein Bekannter in der Austria Botschaft hatte mich telefonisch vorgewarnt. Ob ich damit einverstanden wäre, dass meine Schwiegermutter für ein Jahr bleiben könne. Er müsste sie allerdings zu diesem Zweck ganz persönlich zweimal gründlich durchchecken, und ein drittes mal zur Sicherheit, wg. Verifizierung der ersten beiden male.

Ich liebe die Gründlichkeit in dieser Alpen-Republik und willigte ein. Um ehrlich zu sein, ich freute mich darüber, auch für Mama und meinen Bekannten, der mal wieder so richtig zeigen durfte, wie professionell er im Botschaftsdienst ist.

In Vorfreude begleite ich meine vollständige Familie zum Taxi-Stand. Der Taxi-Fahrer begrüßt meine „Mia“ für mich völlig unverständlich wie eine alte Freundin, aber die weiß, was sich geziemt und bleibt damenhaft unnahbar. Habe ich mich etwa in ihr getäuscht? Waren meine Zweifel an ihr nichts anderes als ein Ausdruck meines gestörten Macho-Gehabes? Scheint so, denn so leicht lässt sie sich offensichtlich nicht von Fremden anmachen.

Unterwegs erzählt uns der Taxifahrer, dass das Geschäft viel härter geworden sei. Sehr oft führe er nachts noch eine zweite Schicht, besonders von einer einschlägigen Thai-Lokalität zur anderen und dann ab drei, vier Uhr morgens die Fuhren nach dem zu Hause seiner Gäste. Es würde ihn aber manchmal leicht verwirren. Jedes mal, wenn er glaube zu wissen, wo die Lütte wohnt, geht’s am nächsten Wochenende schon wieder woanders hin.

In unserem Hochhaus im 10. Stockwerk angekommen, beschert uns Mama eine Überraschung nach der anderen.

Geht es euch auch manchmal so? Nämlich dass ihr im Rückblick zu eurem nicht existierenden Selbst sagt:

„Wenn ich hier eingegriffen hätte, hier und jetzt, genau in diesem Moment gehandelt hätte, z.B. meine Zustimmung verweigert, gar ein Verbot ausgesprochen, oder ein paar Dinge einfach aus dem Fenster geworfen hätte, dann wäre das ganze zukünftige Leben anders verlaufen.“

Dies ist solch ein historischer Moment, den es eigentlich sonst nur in den Königshäusern gibt.

Mama packt freudestrahlend sieben Garnituren Akha –Kluft aus. Damit sie was zum Wechseln hat. Jede Menge Tüten mit Samen von wunderbaren Blumen, die mich entfernt an unsere Mohnblumen erinnern. Dazu welche für Sträucher, die ich nicht recht identifizieren kann. Drei gut verlötete Akha-Pfeifen und zwei niedliche Sicheln sind auch noch dabei.

Für mich packt sie grünen Tee aus, der Testeron senkend sein soll. Oder heißt es Cholesterin? Seit dem Schweine-Hormon-Skandal bringe ich das immer wieder durcheinander. Für ihr Töchterchen hat sie ein paar dieser sonderbaren Isaan-Blusen mitgebracht, die mit den großen Kragen und Rüschen am Saum, dazu ein langer weiter Rock. Oh Mann, wie ich diese Dinger verabscheue, da sie mich an die Tracht meiner Oberschlesischen Großmutter erinnern, die auf der Flucht vor Napoleon (oder war es der quadratische Schnauzbart?) so sehr leiden musste, und ich beginne dann immer wieder selber zu leiden. Ja ich weiß, ich muss noch etwas mehr an meiner Gelassenheit arbeiten.

Mit all den verschiedenen getrockneten Lebensmitteln möchte ich euch nicht langweilen. Und wie immer ist Mama nach solch langer Reise nicht müde. Das habe ich schon früher beobachtet. Bei Thais heißt „Ankommen“ sofortige Aktion, egal wie lang die Reise war. Nichts von erst mal ausruhen oder anderem faulen Zauber. Scheint auch ein Teil der Kultur zu sein.

Mama geistert durch die Bude und sucht etwas. Schließlich taucht sie mit dem Otto Katalog unterm Arm wieder auf. Der lag auf der Toilette, weil ich dort immer gerne die Herrenspielwarenabteilung mit der sexy Damenunterwäsche begutachte.

Mama sucht und sucht und findet. Sie zeigt mit ihrem Finger auf den Chemie-Baukasten für 14jährige. Den solle ich schon mal bestellen, denn sie braucht so was später. Ich bin beeindruckt. In ihrem Alter interessiert sie sich noch für Naturwissenschaften. Man darf halt die an staubigen Sandwegen Geborenen nicht unterschätzen, besonders wenn sie mit unserer westlichen Kultur in Berührung kommen. Dann wachsen sie über sich selber hinaus.

Es kommt noch hinzu, dass sie hier in der Fremde mit allen möglichen Landsleuten aus allen möglichen Provinzen ihrer Heimat in Berührung kommen, was ihnen in der Heimat nie passieren würde. Da herrscht dann ein angeregter Kulturaustausch auf allen Ebenen. Z.B auf dem Fußboden. Und bei allen möglichen geschlechtlichen Tätigkeiten auf den Möbeln in der Wohnung, auf den Tischen eines Thai-Restaurants nach 2Uhr morgens, wenn nur noch der harte innere Kern da ist oder auf der Theke einer Thai-Nachtbar . Da können sich die Hamburger und Münchner mal einen Faden von Abschneiden und den Thais nacheifern. Ja, auch wir können von der nächtlichen Thai-Kultur was lernen. Und was es da alles zu lernen gibt!


Gerade beginnt die Tagesschau. Endlich wieder im vollständigen Kreise...
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode XVI, Mamas Selbstfindung

Ihr kennt doch alle sicher diese Natur-Dokumentationen, besonders im ARTE und 3SAT, in denen schon mal im Zeitraffer gezeigt wird, wie eine Pflanze wächst bis sich ihre Blüte öffnet. Das sieht einfach geil aus. In meinem Fall und meiner Familie dauerte es sechs Monate, bis alle Blüten aufgingen. Die Wohnung und der Balkon erfuhren während dieser Zeit so einige Veränderungen. Diese Zeit möchte euch nun auch im Zeitraffer erzählen.

Als ich den Otto-Versand-Bestell-Zettel mit den nötigen und Mamas Angaben ausgefüllt hatte, übernimmt sie selber und ich bin total überrascht, als eine Woche später der Paketwagen kommt. Der ist zusätzlich zum Chemie-Kasten mit Tonnen von Blumenerde und allen möglichen leeren Plastik-Kästen beladen.

Die großen gehen auf den Balkon, die kleinen in die Küche. Nachdem sie alle strategisch verteilt und von mir mit Blumenerde gefüllt sind, legt Mama los.

Wieder einmal darf ich ihr Heimat-Kultur-Verständnis bewundern. Auch zeigt sie mir erneut, wie tief sie im Buddhismus verwoben ist. Zunächst legt sie die vielen Samentüten, getrennt in zwei Kategorien, auf zwei verschiedene Silberteller. Danach kniet sie sich vor diesen beiden Tellern mit drei Räucherstäbchen zwischen ihren Händen nieder und bewegt ihren Oberkörper vor und zurück. Es fehlt aber die übliche Verbeugung mit dem Kopf bis auf den Boden. Mama wird’s doch wohl nicht im Rücken haben? Dabei murmelt sie etwas Unverständliches und sieht sehr ernst dabei aus.

Meine Holde verzieht ihr Gesicht und flüstert leise in meine Richtung„Pi, mai die“. Ich frage mich gerade, was ich schon wieder falsch gemacht habe, aber entscheide, das „Pi“ nicht auf mich zu beziehen, was mir in meiner Selbstlosigkeit mittlerweile recht leicht fällt. „Pi“ sagt meine Holde in letzter Zeit immer öfter zu mir. Dann bedeutet es soviel wie großer Bruder. Das schmeichelt mir. Immer noch besser als O-Pi. „mai die“ heißt „nicht gut“.

Die andere Bedeutung für „Pi“ ist Krümel-Monster, z.B. die, die das Geisterhäuschen bevölkern und nachts wilde Orgien feiern, weil der Reisschnaps mal wieder nachgefüllt wurde. Der Wortklang dieser beiden „Pi“ ist für unsereiner der gleiche.

Wie mir meine Holde bestätigt, ist meine Entscheidung für „Pi“ als Krümel-Monster die richtige. Im Nachhinein weiß ich, dass es das Schicksal in diesem einzigen Moment noch ein letztes mal gut mit mir meinte. Dies war die letzte Warnung zur Umkehr.

Aber ich will einfach nicht einsehen, dass Mama hier irgendwelchen Voodoo-Zauber veranstaltet. Habe ich wirklich solch große Lücken in meiner Kenntnis der Thai-Kultur? Was Mama da abzieht, sieht echt buddhistisch aus.

In den nächsten Tagen werden in der Küche die Samenkörner in der Blumenerde versenkt. Als die ersten süßen Blätter ihren Kopf aus der Erde strecken, ist Mama nicht mehr zu halten. Manchmal sitzt sie stundenlang vor ihren Kästchen und murmelt sonderbare Worte vor sich hin.

Die Tagesschau interessiert sie auch immer weniger. Aber zweimal die Woche ist sie noch dabei. Dann trägt sie ausnahmsweise ihre einteilige Akha-Kluft, die nur aus dem Röckchen besteht, von den sexy Kniestrümpfen mal abgesehen. Mama hat sich nämlich inzwischen weiter gebildet und herausgefunden, dass die Frauen der Bergvölker vor noch nicht allzu langer Zeit oben ohne herum liefen. Sie braucht sich nicht zu schämen. Ihre Brüste sind noch voll in Ordnung. Ganz leicht hängend zwar, aber das törnt mich nur an, weil es der Beweis für ihre Natürlichkeit ist.

Als die Pflänzchen nach ein paar Wochen eine bestimmte Größe erreicht haben, beginnt die große Umtopfaktion, nicht ohne ihnen liebe Worte ins Ohr zu flüstern. Oder sind es Beschwörungsformeln?

Mama wird unruhig und möchte mir was sagen. Irgendetwas bedrückt sie. Das spüre ich, denn ich bin mindestens so emotional intelligent wie die Thais. Nach einer besonders schönen Tagesschau und nachdem sie sich ein Pfeifchen angesteckt hat, rückt sie schließlich damit heraus. Ja, Mama raucht inzwischen. Die „Limpon“ Nummer und meine lustvolles Gesicht, während ich ihr meine Zigarre reichte, damit sie endlich die verklemmende Hand wegnimmt, haben sie wohl dazu angeregt.

„Können wir beim Otto eine Duschkabine bestellen?“ fragt sie.

Bei der Reinheit der Thais verwundert mich ihr Anliegen nicht allzu sehr. So können wir drei uns gleichzeitig reinigen, denke ich. Zu Dritt in der Badewanne war immer arg eng und wir haben es schließlich aufgegeben, nachdem der anfängliche Lustgewinn im Wasser versandete. Nichts ist beständig.

So bestellen wir also die Duschkabine, die gar nicht so teuer ist. Erst als Mama sagt, dass wir sie auf dem Balkon installieren sollen, muss ich richtig tief wg. der zu verlegenden Rohre, usw. in die Tasche greifen. Muss schon sagen, eine herrliche Idee, nachts im Mondschein zu duschen. Da soll einer sagen, Thais seien nicht romantisch. Obwohl ich sagen muss, dass die Romantik, so wie wir sie kennen, bei den Großstadtmädels durchaus weit verbreitet ist. Die können sich diesen Luxus halt leisten. Ist aber völlig ungewöhnlich für meine zwei vom Sandweg.

Die Wohnung verändern ist übrigens eine typische Idee der äußerst gläubigen Thais. Die bekommen sie meistens nach bestimmten buddhistischen Feiertagen, an denen sie viel „tambun“ machen. Als Kenner der Thai-Kultur weiß ich, dass diese ganz besonderen „tambun“ Übungen, so zwei bis drei mal im Jahr meist mit einem Versprechen für Änderungen zum Besseren verbunden sind. Kennt ihr sicher alle selber. Oder die es nicht kennen, wissen jetzt, warum ihre Holde ab und zu die ganze Bude umräumen will, mal abgesehen davon, dass ihr mal wieder ihr Vorname nicht gefällt und irgendein „Heiliger“ ihr einen besseren geflüstert hat. Dann heißt es wieder Papierkram erledigen und leidvoll durch die Institutionen wandern.

Aber seid gewarnt. Den Vornamen will sie meist ändern, wenn sie fremdgeht.

Als ich eines Abends vom Office nach Hause komme und kurz ins Badezimmer gehe, bin ich sogleich angenehm überrascht. Die Badewanne ist mit Blumenerde gefüllt, aus der das Grün von vermutlich wunderbaren Blumen sprießt. Unter der Decke sind Strahler befestigt, und der Lichtschalter ist durch einen elektronischen Kasten ausgewechselt. Es sieht wunderschön aus.

Trotzdem stürze ich heraus und frage Mama, wer die neuen Leuchter installiert hat.

„Der Hausmeister“.

„OK, aber welche Akha Kluft hattest du gerade an? Etwa die Einteilige?“ frage ich zu allem bereit.

„bah bah boh boh. Natürlich die Dreiteilige. Habe sogar die Mütze aufgesetzt. Er war ganz begeistert und wollte überhaupt keinen Tip.“


Ich beruhige mich und schaue meine „Mia“ an. Die habe ich in letzter Zeit, von der Tagesschau abgesehen, ein bisserl vernachlässigt. Ich werde ganz weich ums Herze und umarme sie mal wieder, einfach so. Ich brauche sie, denn so langsam wächst mir Mama über den Kopf…
 
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Iffi

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Episode XVII, Schleichendes Unbehagen

Ja, meine „Mia“. Die ist ganz lieb geworden. Kocht, wäscht und putzt nur noch zu Hause. Genauso, wie es sich gehört. Inzwischen trägt sie sogar zwei lange Röcke übereinander. Aber irgendwie ist mir das auch wieder nicht recht, weil mir das zu bürgerlich ist. Die Sache mit den übereinandergetragenen Röcken wird doch wohl nicht so wie in der Blechtrommel von G. Grass ausarten

Als Mama eines Tages mal wieder im Badezimmer verschwindet und die knospenden Blumen anflüstert, fordere ich meine Mia ganz lieb auf, sich zu mir aufs Sofa zu setzen. Ich streichele sie und sage ihr, wie gerne ich mich an den Sandweg erinnere, auf dem wir uns begegneten und wie schön es war, als sie mir den schmerzhaft brennenden „Black Cat“ aufs Knie schüttete. Mir gelingt es sogar, ihr ein Lächeln zu entlocken. Ihr kommen die Tränen, und sie gesteht mir, dass sie alles wieder gut machen wolle

„Ich weiß, wie sehr ich dich verletzt habe, aber du siehst ja, dass ich ganz anders geworden bin. Ab jetzt bin ich nur noch für dich da.

Ein Traumsatz, aber mir wird leicht unwohl dabei. Was soll das heißen? Mama ist out? Soll ich mich schlussendlich von den älteren weiblichen Geschlechtern trennen wie damals von meiner Mutter und mich alleine auf die jetzige junge Generation konzentrieren, so wie es sich in meinem fortgeschrittenen Alter eigentlich gehört? Das sind ja ganz neue Perspektiven

Als Mama wieder aus dem Badezimmer kommt, höre ich sie von zwei langen Röcken gedämpft fragen:


„Wo ist unser Männer?“

Tief unter diesen langen Röcken verborgen rufe ich:

„Hier Mama, Moment bitte“,

lasse mich aber nicht weiter stören. Meine „Mia“ braucht das jetzt.

Ab jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Als der Mohn ein gewisses Stadium erreicht, gereift unter der automatischen Tag- und Nacht-Lichtanlage über der Badewanne, wird der Chemie-Kasten für 14jährige angeschmissen. Mama macht kleine Ritze mit ihrer Sichel in die Blütenstände, die mittlerweile ihre wunderschön farbigen Blätter verloren haben. Danach köchelt sie auf dem Balkon einen braunen harzigen Saft in diesen Tonbehältern, erhitzt mit glühender Holzkohle darunter. Danach trocknet sie das Zeugs und raucht es später in der Pfeife. Tagesschau ade!

Die Sträucher auf dem Balkon tragen seltsame Körner, die sie im Pok Pok zu feinem Pulver zermalmt, welche sie in selbstgedrehten Zigaretten raucht.

Meine „Mia“ trägt mittlerweile drei lange Röcke übereinander, ihre Blusen-Kragen werden immer größer und sie sitzt oft stundenlang vor unserem privaten Buddha-Schrein.

Nicht, dass jemand denkt, sie würde ihre Haushaltspflicht vernachlässigen.

Unsere Wohnung ist ständig mit mir nur zum Teil bekannten und sonderbaren Düften verqualmt. Das Fenster machen wir nur nachts auf, wenn alle schlafen oder wenn es sehr nebelig draußen ist. Sonst hätten wir sofort die Feuerwehr vor der Türe, wenn nicht sogar die Polizei.

Mir ist schon klar, dass hier was Ungesetzliches abläuft und ich mache mich im Internet schlau, ab welcher Größe eine Wolke vor der Balkontüre noch als Selbstverbrauch einzustufen wäre.

Nein, ist sie nicht in diesem Falle. Aber als ich in meinen alten Unterlagen aus den 60zigern nachblättere, finde ich den „Konkret-Artikel“, der für jeden verständlich klar macht, dass diese Art von Gesetzen von der globalen Pharma-Industrie gesponsert sind, damit ihnen keiner ihr Monopol abluchst.

In solch globalen Firmen kenne ich mich aus. Arbeite ja selber in einer. Die habe ich voll unter Kontrolle und ich beruhige mein juristisches Gewissen. Die Pharma-Konzerne haben das voll verdient, dass Mama hier heimlich eine Schwarzbrennerei aufgemacht hat. Ziemlich clever, wie sie den Kapitalismus von oben im 10. Stockwerk aufrollt und mit ihrer Einstellung unterhöhlt.

So sind unsere gemeinschaftlichen Abende ganz lustig. Dank sei Mama. Die hängt in ihrer nun ausschließlichen Akha-Kluft an ihrer Pfeife und ist ruhig, oder an den Selbstgedrehten und kichert selbst bei den bildenden Kultur-Sendungen im ARTE vor sich hin. Meine Holde kümmert sich liebevoll um mich. Leert den Aschenbecher unaufgefordert und schenkt mein Bier nach, obwohl das Glass noch nicht leer ist. Der Balkon grünt wie im Regenwald und im Badezimmer wächst die Blumenpracht immer wieder nach. Das wirkliche Thailand zu Hause bei mir. Ich überlege schon, ob ich den Flur mit Sand auslegen und ein paar Schlaglöcher in den Fußboden hauen soll um die Illusion noch perfekter zu machen.


Haltet mich jetzt bitte nicht für undankbar, aber ich habe nachts Albträume. Ein Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht habt ihr eine Idee, woher das kommt?
 
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Episode XVIII, Die Geburtsstunde der „Osbournes Show“

Heute haben wir einen Termin mit RTL. Mama kann damit schon lange nichts mehr anfangen, meine Holde aber schon. Vor ein paar Jahren hat ein RTL Team in Begleitung von Thai-Dolmetscherinnen ihr Dorf besucht. Sie wollten wissen, was die Mädels eigentlich noch an diesen staubigen Sandwegen hält, wo sie doch so einfach einen reichen Ausländer in den einschlägig asphaltierten Orten ergattern könnten. Manchmal sogar mehrere auf einmal. Meine Mia hat es mir mal erzählt und ihre Antwort gleich dazu.

„Weil mir das zu unwirklich an diesen anderen Orten ist. Hier zu Hause ist alles wirklich, alleine schon wg. der morgendlichen Ohrfeige, die ich von meiner Mutter vorsichtshalber bekomme. Und wer weiß, vielleicht brauche ich dann sogar ein Visum, wenn ich die Grenze vom wirklichen Thailand ins unwirklich übertrete. Ich habe nämlich keinen Pass.“, war ihre Antwort.

Wie wahr. Wir sind eben seelen-verwandt. Das passte der RTL so nicht ins Drehbuch und sie zogen weiter zum nächsten Haus. In ihrem Bericht im Vorabend-Programm wurde dann meine Mia als Parade-Beispiel einer Kandidatin für Pattaya oder Patong dargestellt. Sie hätte das RTL Team angebettelt, sie auf ihrem Rückweg gleich mitzunehmen, weil ihr verstorbener Vater sie gestern noch im Traum vergewaltigt hätte und ihre Mutter sie nachts immer an den Türpfosten fesselt. Als Warnung an die bösen Geister. Die haben nämlich Angst vor Mamas Ohrfeigen.

Man kann jetzt über RTL denken, was man will. Aber sie haben wenigstens, abgesehen von der kleinen Flunkerei, einen Teil der wirklichen Thai-Kultur vermittelt. Nämlich, dass die bösen Geister nachts Angst vor vermeintlichen Hausdrachen haben. Das wusste ich vorher auch nicht.

Oh, es bimmelt.

Schnell die Balkontüre öffnen. Eine große weiße voll gedröhnte Wolke strebt nach oben. Über uns höre ich einen dumpfen Bums, so als ob sich gerade eine Person ohnmächtig flachgelegt hat.

Mama hockt in ihrer original Heimat-Tracht, code name: Akha, auf einem Sessel und kichert. Als ich die Türe öffne, betritt das RTL Team grinsend und in Vorfreude meine Wohnung. Mit geschultem Auge sehen sie sofort, dass sie hier wahrscheinlich den absoluten Quoten-Renner entdeckt haben. Ein Mann schultert die Kamera, fragt nach einer Steckdose, schaltet den Scheinwerfer an, und die Reporterin hält mir das Mikrofon unter die Nase.

„Wie habt ihr euch kennen gelernt?“

Und hier beginnt diese Geschichte wieder von vorne.

Während ich erzähle, fällt etwas Dunkles von oben an meinem Balkon vorbei. Ich glaube erkannt zu haben, dass dies der Hausmeister war, der zwei Stockwerke über uns wohnt. Der hat wohl auf seinem Balkon gestanden und die aufstrebende Wolke zu spät erkannt.

Hoffentlich hat das RTL Team nichts gesehen, denke ich für mich, denn ich rede mich gerade warm und möchte nicht gerne von solch kleinen Zwischenfällen unterbrochen werden. Hoffentlich kommt kein weiterer Fall hinzu. So blöd sind die bei RTL nu auch wieder nicht, dass die gar nichts mehr merken.

Man stelle sich bloß den Titel der Sendung vor:

„Von Fall zu Fall.“

Da würde doch keine Sau einschalten, weil nämlich der Thailandbezug völlig fehlt.

Zuerst wollte ich hier erzählen, was ich RTL alles untergejubelt habe. Aber das ist ja gar nicht notwendig. Ihr könnt ja wieder von vorne anfangen zu lesen, dann wisst ihrs. Wäre übrigens keine schlechte Buddhistische Übung. Das Rad und der Kreislauf sind tief verwurzelt in dieser Religion. Alles kommt wieder, das Leid nimmt kein Ende, kehrt immer wieder zurück, und der Trick ist halt, diesem Kreislauf den Garaus zu machen. Wird es mir je gelingen diesem zu entrinnen?

Ich habe nur einmal in diesem Interview geflunkert. Aus dem Thai-Buben mit dem Moped und den entfernten Kabeln, habe ich einen Schamanen gemacht, der elektrische Geister austreiben kann. Die Wahrheit wäre hier ja viel zu unglaubhaft gewesen und die hätten mich garantiert nicht für Ernst genommen.

Der Bericht lief dann übrigens vier Wochen später im Fernsehen.


Titel: „Das Leben Thailändischer Bergstämme in unseren Hochhäusern.“

Untertitel: „Aus der Serie: Unser Nachbar, das unbekannte Wesen.“

Der Bericht entsprach tatsächlich der Wahrheit. Es wurde nichts rumgedreht, oder hinzu gefügt. Eher ein paar undramatische Tatsachen weg gelassen, nämlich der Moment, als Mama aufhörte zu zittern, als sie von der Toilette kam. Ja, da hat auch RTL was gelernt. Denen fiel nichts mehr ein, nachdem sie unsere Story im Kasten hatten. Ist ja eigentlich klar. Die Wahrheit und das richtige Leben sind immer aufregender, als jedes Drehbuch.

Jetzt weiß ich nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll, weil RTL ein einziges Mal während seiner Existenz einen Report unverfälscht gesendet hat, oder ob gerade dieser Report von den meisten Zuschauern als besonders extremes Beispiel eines RTL-Fake’s betrachtet wird.

In aller Bescheidenheit möchte ich bemerken, dass diese Sendung in den USA Kult-Status erreichte. Dort wurde sie ein paar Jahre später als Vorbild für die Osbournes Reality Show bezeichnet.

So fristeten wir unsere Tage dahin. Ich hatte das wirklich wirkliche Thailand zu Hause und ich sollte eigentlich glücklich darüber sein. Aber jeder hat seine Grenzen. An gewissen Dingen konnte ich einfach nicht mehr vorbeisehen.

Dazu gehört, wie Mama ihr Sonntags-Ei aufschlägt, oder wie sie nie die Zahnpasta-Tube aufrollt und beim Zähneputzen grundsätzlich den Spiegel versaut, weil ihr dabei immer der Kotzhusten kommt. Bei meiner Holden gingen mir die langen Röcke auf den Keks. Mittlerweile trug sie vier übereinander, als ob sie einer Mecklenburg-Vorpommerischen Senior-Magd Konkurrenz mache wollte. Ehe ich die mal bei der Tagesschau so zurecht gefummelt hatte, dass wir uns vergnügen konnten, war meine kampfstarke Zeit schon wieder um. Mama war keine Hilfe mehr. Die zog es vor, auf ihrem Sessel ihre neue Produktion zu testen.

Was hab‘ ich nicht alles getan! Habe Mutter und Tochter wieder zusammengeführt, auch seelisch. Habe meiner „Mia“ ihre langen außerparlamentarischen Wochenenden verziehen, ob gleichgeschlechtlich oder nicht, habe meine Kultur mit ihnen geteilt und habe an ihrer Kultur aktiv teilgenommen, habe ihnen eine Heimat in der Fremde geboten, in der sie sich artgerecht ausleben können.

Und wie danken sie es mir? Mit Faxen beim Ei-Aufklopfen, Zähneputzen und langen Röcken. Monatelang habe ich versucht, bis zur Selbstaufgabe meines nicht existierenden Selbst darüber hinweg zu sehen. Ich habe es nicht geschafft.


Nun stecken wir alle in der Krise. „Die Lahje iss da“, wie uns Adenauer gesagt hätte…
 
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Episode XIX, Plan B

Ja, die Lahje ist wirklich da. Ich kann zwar nicht meinen Finger in die Mauer zwischen uns Brüdern und Schwestern stecken, wie Adenauer damals, und die Stelle genau bezeichnen, welche mich wirklich so bedrückt, aber eines weiß ich instinktiv, nämlich dass hier was für mich schief läuft, und ich langsam untergehe. Hier nützt mir meine ganze selbstlose von meinen selbstlosen Lehrern vermittelte Bildung nichts.

Bitte haltet meine Einstellung in dieser Hinsicht nicht für einen Rückfall in die Steinzeit, weil ich anscheinend nur an mich denke. Ich habe verdammich noch mal den Augenblick verpasst, wo ich hätte aufrichtig reagieren sollen. Passiert in den besten Königshäusern, wie ich im Geschichtsunterricht gelernt habe, aber das ist jetzt kein Trost.

Nicht Mama und meine Mia haben sich selber versaut, sondern ich habe es trotz besserem Wissen zugelassen. Warum? Weil mich die Tagesschau total von der Wirklichkeit abgelenkt hat.

Diesen Vorwurf mache ich mir und den öffentlichen Anstallten heute noch, und diesen werde ich mit in mein Grab nehmen.

Allerdings habe ich während meiner über fünfzigjährigen Verblendung stets wie immer am Plan B gearbeitet, wenn mir mal was nicht passte. Reine Taktik und eine Überlebensstrategie eines Zigeuners, der den Jobs folgt und den Frauen dorthin, wo sie bezahlt werden wollen. Manche nennen solche Kreaturen Expats, oder heutzutage einfach Hartz-Flüchtlinge.

Meine Sekretärin aus Singapur hat sowieso immer offene Schenkel für meine Denkweise. Kürzlich sagte sie mir, dass sie bald bei unserem globalen Arbeitgeber kündigen werde, da ihr Vater vor einem halben Jahr gestorben sei und sie nun seine Firma im Stadtstaat übernehmen würde. Dem ersatzweise eingesetzten Prokuristen als Firmenleiter würden sie und ihre Mutter nicht trauen. Ob ich vielleicht ein entferntes Interesse hätte, ihr rein beruflich zu folgen, obwohl sie wüsste, dass ich auf solch bürgerliche Verlockungen nicht stehe.

Ganz früher fragte sie mich mal nebenbei, was ich von Singapur halte. Sie wusste genau, dass ich schon ein paar mal geschäftlich dort war, weil sie mir die Flüge und Hotels gebucht hatte und erinnerte sich natürlich daran, wie ich nach meiner Rückkehr gegenüber ihr ins Schwärmen über ihre Kaugummifreie Heimat geraten bin. Das war natürlich reine Taktik, da ich sie mir warm und feucht halten wollte.

So entwickelt sich langsam mein Plan B. Und der Tod ihres Vaters sagt mir, dass es vielleicht an der Zeit sei, ihn in die Tat umzusetzen. Wie gesagt, den Mandelaugen werde ich nie wieder entrinnen. Das ist klar. Aber in dieser Hinsicht bin ich nicht nationalistisch auf Thailand fixiert, wie so manch stumpfsinniger Skin Head.

Allerdings muss ich diese Aussage etwas relativieren. Die Liebhaber der Sandwege sind ja auch nicht unbedingt ausschließlich Thailand-Liebhaber, denn in weiten Teilen dieser Gegend wird ja verkapptes Laotisch oder gar Khmerisch gesprochen und historisch gesehen, war dort wirklich mal Laos oder Kambodscha, ehe sich die Franzosen und Briten in ihrer Sucht nach klaren geografischen Grenzen einigten.

So kam es, dass wir in der Mittagspause oft rüber zum Prater gingen. Völlig unverbindlich natürlich. Das Gebäude unserer globalen Firma lag gleich neben dem der OMV am Nordbahnhof im zweiten Bezirk in Wien, für die Insider.

Aus dieser Richtung haben früher die Osmanen ganz ohne Kopftücher versucht, die europäische Kultur zu untergraben. Die waren nämlich scharf darauf, die Kunst der Kaffee-Zubereitung in all ihrer Vielfalt den Wienern zu vermitteln. Absolut historischer Grund. Dort standen damals noch keine Häuser, sondern lediglich die Zelte der Muselmanen, und die Wege waren noch nicht, ähnlich wie im wirklichen Thailand, geteert.

Irgendwann mal kannte uns die Besitzerin im Alter meiner Schwiegermutter des runtergekommenen Establishments im Wurstelprater am Riesenrad und erwähnte, dass wir gerne ihr Zimmer über dem Lokal für was auch immer benutzen dürften. Wir haben uns das zunächst verschämt verbeten, aber nach drei Tagen haben wir uns überreden lassen. An diesem Tag sagte meine Sekretärin säuselnd zu mir, dass mein Geruch sie an ihre Kindheit im Chinesen-Viertel in Singapur erinnere. Sie könne nur nicht genau das Kraut benennen, nach dem mittlerweile sogar meine Haut wg. Mamas pharmazeutischer Labortätigkeit duftet.

Die Besitzerin hat uns dann immer das Essen aufs Zimmer gebracht. Manchmal ist sie auch einfach geblieben und hat uns beim Dessert mit beiden Händen unter ihrem hochgeschobenen Rock zugeschaut. Meine Sekretärin hat das nie gestört, denn sie ist ein bisserl extrovertiert. Mich sowieso nicht, wie ihr euch denken könnt. So was passiert einem nur in Wien. Ich liebe diese Stadt, und gestattet mir bitte, dass ich diesem Ort mehr als eine Träne nachweine.

So ist meine chinesische Sekretärin schon lange Zeit meine „Mia Noi“. So wie es sich für einen thailändisch verfärbten kulturellen Mann gehört, der eine Thailändische Frau und eine Schwiegermutter hat.

Jetzt in der Mittagspause, im Zimmer über dem Wurstel-Prater-Beisel schmieden wir gemeinsam unseren Plan. Meine Mia Noi wird in einem Monat heimfliegen und möchte mich gleich mitnehmen.

In den folgenden Tagen nehme ich klammheimlich nach und nach meine ganz privaten Dinge mit ins Office. Ein bisserl habe ich schon ein schlechtes Gewissen, denn „klammheimlich“ war in den 70zigern strafbar. Aber seitdem bei uns keine Kaufhäuser mehr brennen oder der Leidensweg berühmter Menschen unserer blühenden Landschaften nicht mehr abrupt beendet wird, ist „klammheimlich“ wieder erlaubt. Unsere Gesetzgebung ist schließlich flexibel.

Auch hinterlasse ich nicht unversorgte Bergstämme. Mama und Mia haben inzwischen einen Vertrag mit 3SAT. Ja, richtig gelesen. Nicht mit RTL. 3SAT ist durch die Sendung auf sie aufmerksam geworden. Die waren so von der Pflanzenpracht beeindruckt, dass sie im Frühstücksfernsehen eine neue Kategorie eingerichtet haben. Titel: „Thailändische Kräuterkunde“. Im Frühstücksfernsehen deshalb, da zu dieser Tageszeit Mama noch nicht so viel kichert.


Am Sonntag, nach dem kulturell traditionellen Wochenrückblick der Tagesschau, verlasse ich das Haus ohne Gepäck zum Zigarettenholen. Hab nur meinen Pass in der Hemdtasche. Meine chinesische Sekretärin wartet schon 100m weiter mit unseren Koffern im Taxi, welches uns zum Flughafen bringen wird…
 
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Iffi

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Episode XX, Der Kreislauf des Leidens

Melancholisch traurig sitzen wir beide im Taxi und denken voller Sorge an die Besitzerin des Wurstel-Prater-Beisels. Was wird die nur ohne uns machen? Wer wird ihr jetzt noch zur Lust in diesem ansonsten leidvollen Leben verhelfen? Unser beider Anblick während unserer altindisch gefärbten Yoga-Übungen nach dem Essen lässt sich wohl so leicht nicht ersetzen.

Draußen schwebt mein geliebtes Wien vorbei. Am Donaukanal entlang verlassen wir schließlich die Stadt und befinden uns auf dem Aufmarschgelände der Muselmanen. Kurz vor dem Flughafen steht ein großes Reklameschild der Singapur Airlines, von dem eine süße Stewardess lächelt. Darunter steht: „5 Minuten bis Singapur“

Während des Fluges schlafe ich unruhig. Jedes mal, wenn der Flieger in Turbulenzen gerät, träume ich von ungeteerten Sandwegen mit Schlaglöchern. Meine ehemalige Sekretärin merkt es und beruhigt mich mit ihrer Hand an meinem Radar unter der Schlafdecke. Als mir eine dieser absolut chic gekleideten Stewardessen ein Glas Wasser reicht, kommen mir fast die Tränen, denn mein Narbe am Knie, verursacht durch den Betontisch im wirklichen Thailand, schmerzt wieder.

Als wir in Singapur in die Arrival Hall treten und sich uns eine wunderschöne Dame nähert, trifft mich der Hammer. Diese Dame trägt ein knöchellanges asiatisches Gewand im chinesischen Stil mit Stehkragen und am linken Bein hoch geschlitzt. Es ist schwarz und mit rot-goldenen Drachenornamenten geschmückt. Es liegt eng an ihrer absolut sexy Figur und betont ihre Taille und Brüste. Ihre natürlich schwarzen Haare sind kunstvoll hochgesteckt. Ihre hochhackigen schwarzen Schuhe mit den Riemchen an den Fesseln, genauso, wie ich es liebe, machen sie in etwa gleich groß wie mich.

In meiner Fantasie sehe ich sie in diesem allerdings bis fast unter die Achselhöhle geschlitztem Kleid, wie sie gerade die Wäsche aufhängt und ein Windstoss ihr Gewand, unter dem sie kein Höschen trägt, wie eine Fahne im Winde wehen lässt.

Sie begrüßt zuerst ihre Tochter, die mich dann gleich vorstellt.

Meine neue Mama hakt sich bei mir unter und sagt im besten Business Englisch:

„Du riechst sehr angenehm und erinnerst mich an meine Kindheit im Chinesenviertel. Meine Tochter hat mir am Telefon erzählt, welch’ schwierige Zeit du gerade hinter dir hast. Eines Abends vor dem Schlafengehen kannst du dir bei mir, wenn du willst, mal alles von der Seele reden. Ich werde deine Rekonvalenz in die Hand nehmen. Ich werde deine Männlichkeit schon wieder aufrichten und in den Griff kriegen. Wir sind ja schließlich beide erwachsen…“

Aus ihrer nicht gänzlich verschlossenen Handtasche blitzt der Deckel einer Oil of Olaz Kremdose...

Ich hasse diese ewigen Kreisläufe des Leidens. Ich gehe ins Kloster. Nirvana, wo bist du ?


Schluss, Aus, Ende
 
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Ton

Dukkhamann
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Thailand
Die Geschichte habe ich in Dunkelthailand vor wenigen Monaten gelesen. Wenn die Kommunikation harzt, was nicht unbedingt am Sprachvermögen liegen muss, wird's in der Fremde hart.

Zum guten Glück hatte ich mich selbst dabei, das waren ganz interessante Monate. Jedoch muss man sich gerne mit sich selbst und den sich auftuenden Abgründen beschäftigen können, sonst droht der Steintisch zum Lebensmittelpunkt zu werden.




Merci Cherie a015.gif !
 
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Ton

Dukkhamann
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Thailand
Vom 29. Juni bis am 1. Dezember, ziemlich genau 5 Monate.

Jetzt, da ich die Robe abgelegt habe, darf ich auch im +18 lesen, alles andere wäre scheinheilig.
 

Dukedruide

Schreibwütig
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Herrlich schräge Story! ich habe mich köstlich amüsiert:biggGibt es mehr?
 
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Iffi

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Danke Jungs. Freut mich, falls es euch gefallen hat. Bin im Augenblick sehr damit beschäftigt in BKK Fuss zu fassen und mich nicht all zu sehr von der Sukhumvit und all den Sois und meinen regelmässigen Pattaya-Trips ablenken zu lassen, hehe
 

Iffi

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Habe diese "uralte" Geschichte neu formatiert und in leserliche Form gebracht. Die Form hatte ja nach der Umstellung der Foren-SW doch arg gelitten und es hat keinen Spass mehr gemacht, sie zu entziffern.

Hatte sie damals vor 8 Jahren, 2008, hier rein gestellt, nachdem sie auch im "HALLO" Magazin mit einer Episode pro Woche erschien.

Da mittlerweile unzählige neue Member hier im Forum dazugekommen sind, habe ich mir gedacht, Ich hole sie mal wieder im leserlichen Format hoch.

Viel Spass...
 

Iffi

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Da in dieser Story aus dramaturgischen Gründen auch die 68er zu Worte kommen, hier mal zwei Bilder über den Wandel der Zeiten.

Süsse und sexy Hippies

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und das, was davon übriggeblieben ist, falls sie noch nicht ins Gras gebissen haben, anstatt, wie früher, es zu rauchen. lol

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