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Thailand Die kleine Mo

Iffi

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OK, gebe zu. Ich habe geflunkert. Sorry, Jungs.;)

Natürlich ist Mo's Geschichte noch nicht zu Ende.

Im Gegenteil. Mo ist die erste Mo eines Mon Familienclans. Sozusagen die Mo I.

Wir werden einer weiteren Mo viele Jahre später begegnen und zwar im Oriental Hotel im 21. Jahrhundert.

Aber zunächst einmal erfahren wir, wie Mo I sich in Bangkok am Khlong Lord eingelebt hat, wie sie ihre Jugend verbrachte und wie sie schliesslich als Grossmutter auf ein bewegtes Leben zurückblickt...
 

Iffi

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Mo’s neue Welt

Mo’s Vater hatte sein Versprechen gehalten. In jeder Hinsicht. Es kehrte so etwas wie Wohlstand ein. Der An- und Verkauf von Töpferwaren lief hervorragend. Er lieferte seine Waren nicht nur in den neuen Palast sondern auch nach Krung Thonburi am gegenüberliegenden Ufer des Chao Phrayas.

Nach dem Umzug der Königsstadt auf die heutige Bangkokseite fand am gegenüberliegenden Ufer nicht etwa der Exodus statt. Verwaltungsgebäude, die Villen reicher Siamesen, die ausgedehnten Gemüse und Früchteplantagen und natürlich das Wat Arun mit seinen vielen Mönchen sorgten nach wie vor für einen lebendigen Ort.

Als allerdings Rama I verfügte, die Stadtmauer um Krung Thonburi herum abzureißen, verbreitete sich eine leichte Nervosität unter den Einwohnern dort. Waren sie jetzt den Burmesen hilflos ausgeliefert? Als sie allerdings bemerkten, dass das alte Fort weiterhin besetzt blieb und sogar noch mehr Schiffe davor ankerten, beruhigten sich die Gemüter wieder.

Das Wichai Prasit Fort heute auf der Thonburi Seite

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Mo’s Vater nutzte die Gelegenheit, belud sein Boot mit Töpferwaren für Krung Thonburi und kehrte mit Ziegelsteinen der alten Stadtmauer zurück nach Bangkok. Diese wurden dringend für die Befestigung Bangkoks benötigt. Schließlich säumten eine 7 Kilometer lange Stadtmauer den Chao Phraya und den Khlong Rop Krung (übersetzt: Kanal um die Stadt herum), sowie 14 Forts.

Bangkok hatte nun innerhalb seiner Mauern den ungefähren Grundriss von Ayutthaya. Die Positionen der Gebäude des Palastgeländes waren so präzise wie möglich nach dem Vorbild Ayutthayas ausgerichtet.

Mutter konnte sich schon bald die Stoffe der
Käks (Inder) leisten und schneiderte Blusen, Sarongs und Hemden für die Familie selber. Einige Stammkunden waren ihre regelmässigen Abnehmer. Woher sie wusste wie das geht, blieb ihr Geheimnis. Sie fing eines Tages einfach mit der Schneiderei an.

Mo hatte von einem buddhistischen Ajahn (Lehrer) Lesen und Schreiben gelernt. Das war gar nicht so einfach, denn als Grundlage dienten Pali-Texte in Thaischrift. So konnte sie zwar bald mit Buchstaben umgehen, verstand aber nicht den Sinn der Worte. Das einzige, was sie verstand, war, dass es um Lord Buddha, den Erleuchteten, ging. So entwickelte sie Ehrfurcht auch vor den Schriftzeichen und brachte ihnen den gleichen Respekt entgegen, wie ihrem verehrten Buddha.
 
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Mo’s Jugend - Teil 1

Wie lange war das alles jetzt schon her. Ihre Ankunft am Khlong Lord als sechs-jähriges Mädchen, das allmähliche Aufblühen des Geschäftes ihres Vaters, ihre Privatstunden, gehalten von einem gebildeten Mönch, der sie zweimal die Woche besuchte. Und später ihre fast täglichen Spaziergänge zusammen mit ihrer Freundin zum Königspalast hinüber. Da war sie schon 18 Jahre alt, eine wunderhübsche junge Frau und in der Nachbarschaft sehr beliebt, besonders bei den Burschen.

Die jungen Männer der Palastgarde waren in ihren schicken Uniformen und ungewöhnlicher Kopfbedeckung eine Augenweide.


BILD Palastwache 1912

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Im Wandel der Zeit

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Vielsagende Blicke wurden dann gewechselt, manchmal ein Lächeln. Besonders mit einer ganz bestimmten Palastwache. Eine stille Verbindung zwischen ihm und Mo schien sich zu entwickeln. Noch war sie wortlos.

Wenn sie mit ihrer Freundin an ihm vorbeiflanierte, gab es kein verschämtes Kichern, dass von Schüchternheit ablenken sollte. Ihre Knie wurden dann weich und sie fasste ihre Begleiterin besonders fest an der Hand. Noch lange danach spürte sie seine Blicke auf ihrem schmalen Nacken unter den an dieser Stelle kurzgeschorenen Haaren. Ohne sich umzudrehen wusste sie, dass er ihr nachschaute.

Irgendwann mal fasste Mo einen Entschluss. So konnte das nicht weitergehen. Sie wandte sich an ihren Lieblingsbruder. In der Kindheit waren sie unzertrennlich. Die meisten Streiche hatten sie zusammen ausgeheckt. Er hatte sie immer beschützt, gegen alle elterlichen Vorwürfe verteidigt, indem er eventuelle Schuld auf sich nahm, wenn sie es manchmal zu weit trieb. Einmal hatte er sie sogar aus dem Kanal gefischt, als sie übermütig den Jungs einfach ins Wasser nachsprang, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie gar nicht schwimmen konnte. Im Nachhinein konnte sie sich nicht daran erinnern, deswegen in Panik geraten zu sein. Überhaupt hatte Mo am liebsten mit den Burschen gespielt. Das war immer sanuk pur.

„Wenn du Zeit hast, möchte ich, dass du mit mir hinüber zum Königspalast gehst. Ich möchte dir etwas zeigen.“

erwähnte sie so nebensächlich wie möglich gegenüber ihrem Bruder….
 
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Mo ist verliebt

So sehr ihr Bruder auch neugierig drängte, Mo würde nicht verraten, warum er sie begleiten sollte. Als sie sich ihrer Lieblingswache näherten, flüsterte sie: „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich denke Tag und Nacht an ihn. Und das schon seit Monaten.“

„Meine kleine Schwester ist verliebt. Wer hätte das gedacht? Die Jungs in der Nachbarschaft werden enttäuscht sein und ich darf mir dann ihr böses Geschwätz über dich anhören.“ sagte ihr Bruder grinsend.

„Starr ihn bitte nicht an. Und vor allen Dingen, sprich ihn nicht an. Ich möchte nur, dass du dir ihn unauffällig anschaust. Wir werden einfach an ihm vorbeigehen.“

Der Palastwachmann versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen., als er Mo in Begleitung eines Mannes sah. Sein Blick ging ins Leere, sein Körper versuchte autoritäre Haltung anzunehmen, aber es gelang ihm nicht so ganz. Am liebsten hätte er sich hingesetzt, oder besser noch, wäre davongelaufen. Hatte sie ihm monatelang etwas vorgespielt? War das alles nur Einbildung? Ihre dezenten aber verheißungsvollen Blicke, manchmal sogar ein angedeutetes Lächeln. Und jetzt spaziert sie einfach mit ihrem Freund oder gar Ehemann hier vorbei. Das hätte sie sich wirklich sparen können. Was ist das für eine Frau? Warum tut sie mir das an? Waren seine Gedanken, als er dem Pärchen nachblickte. Keiner von beiden drehte sich um.

„Na ja, ganz passabel“ unterbrach Mo’s Bruder das Schweigen. „Um herauszufinden, ob er es wert ist, dein Ehemann zu werden, müssen wir seine Familie zu uns einladen.“

Das war schon fast mehr, als Mo von ihrem Bruder erhofft hatte.

„Und was machst du, wenn er schon eine Frau hat?“ wollte ihr Bruder noch geklärt wissen.

„Hat er nicht. Ich weiß das von einer Marktfrau, die jeden Vormittag gleich in seiner Nähe eine Garküche betreibt. Vor der bleibt nichts geheim. Außerdem weiß sie genau, was er gerne isst.“

„Redest du mit Vater?“ fragte Mo, ihre Aufregung verbergend. „Falls er zustimmt, hätte ich noch eine Bitte an dich.“…
 

Iffi

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Liebe geht durch den Magen

Mo’s Vater stimmte der Einladung zu. Mutter sagte einfach nur: “Ich habe es gewusst. Du warst so komisch die letzten Monate. Hattest oft einen abwesenden Blick. Du wirst dir allerdings deine Faxen abgewöhnen müssen, liebe Mo. Manchmal glaube ich, an dir ist ein Junge verloren gegangen.“

Die erste Hürde war genommen. Mo’s Bruder hatte die Aufgabe, der Palastwache die Einladung zu übermitteln. Mo übergab ihm ein kleines Päckchen, eingewickelt in einem Bananenstaudenblatt.

„Was ist das?“ fragte ihr Bruder.

„Nur etwas zum Essen. Sticky Reis mit geschnipseltem Hühnchenfleisch, aroi (lecker).“

Wobei sie verschwieg, dass sie einen Zettel, ebenfalls in einem Blatt eingewickelt, beigelegt hatte.

Als ihr Auserwählter vor einem der äußeren Palasttore den jungen Mann auf sich zukommen sah, den er für den Freund oder Ehemann dieser bezaubernden jungen Frau hielt, wusste er nicht, was er davon halten sollte. Gab es jetzt einen Hahnenkampf? Sollte er vorsichtshalber andere Kollegen zusammenrufen?

Weitere unschöne Gedanken erübrigten sich. Der junge Mann stellte sich als Mo’s Bruder vor, sprach die Einladung der Familie aus und überreichte ihm grinsend das Päckchen mit den Worten:

„Von Mo, aroi maak“. (sehr lecker)

Nach dem Gefühl der Erleichterung wurde der Palastwache die ganze Tragweite dieser Angelegenheit bewusst. Sollten seine geheimsten Wünsche wahr werden?

Als er nach der Wachablösung das Päckchen öffnete und seinen wohlverdienten Snack zu sich nahm, entdeckte er Mo’s Notiz.

„Es gibt sticky Reis mit Hühnchen, wenn ihr uns besucht.“

Was sollte er denn davon halten? Kein „Ich finde dich nett“ oder gar „Ich bin in dich verliebt“ oder wenigstens ein „Ich freue mich auf dich“.
 

lonesome Rider

Auf großem Fuß leben ist nicht.
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10 Dezember 2015
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Koh PhaNgan
Danke für diese tolle Abwechslung, freue mich gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte. In meinem Kopfkino sehe ich schon eine Traumhafte Hochzeitsfeier vor Augen :D
 
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Grossmutter Mo

All dies war nun schon lange her. Mo’s Hochzeit, die Geburt ihrer zwei Söhne und einer Tochter. Die Beförderung ihres Mannes von der äußeren zur inneren Palastwache. Seine Karriere zum Offizier und ihr Umzug in ein neues Heim nahe der Stadtmauer. Ganz in der Nähe des Sam Yod, dem Stadttor mit den drei Spitzen.

Gedankenversunken in alte Zeiten machte sich die inzwischen Großmutter Mo auf den Weg in den Palast um ihre Enkeltochter zu besuchen.

Sie war damals überrascht und froh, als sie von der Möglichkeit erfuhr, junge Mädchen in die Obhut des Palastes zu geben. Entweder durch Beziehungen zum Hofe oder auch nur, weil vielleicht eine Verwandte dort schon als leitende Person z.B. als Küchenchefin arbeitete. In diesem Falle war es Tante Gung, eine Schwester der Schwiegermutter ihrer Tochter, die Mo’s Enkelin die Türe in den inneren Palastbezirk öffnete.

Mo erlebte bereits ihren vierten König. Seine Majestät König Monkut, später einfach Rama IV genannt. Er legte sehr viel Wert auf die Bildung seiner Kinder am Hofe, die seiner Verwandtschaft mit eingeschlossen. Für nicht zum engeren königlichen Familienkreise gehörende Kinder war da auch noch Platz. König Monkut öffnete seinen Hof. Man sagte, dass bei ihm auch farangs ein und ausgingen.

Von einem dieser am Königshofe gerne gesehenen farangs erhielt Enkelkind Mo ein gedrucktes Werk. Es war angenehm zu lesen, da die Buchstaben so klar und deutlich schwarz auf weiß das Papier zierten. Auf der ersten Seite prangte in großen Buchstaben:


„Bangkok Recorder“

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Die Artikel waren in Thai und Englisch geschrieben. Großmutter wusste, wie gerne ihre Enkelin las. Diese Leidenschaft und Neugierde nach allem Wissenswertem teilte sie mit ihr. Es kam nicht von ungefähr, dass ihre Enkelin auch Mo gerufen wurde.

Wie so oft im Familienstammbaum sind es nicht unbedingt die Kinder, die vom Charakter her in die Fussstapfen der Eltern treten, sondern die Enkelkinder.

So auch in Mo’s Familie. Es war ihre Enkeltochter Mo, die die Familientradition bis zurück in die Zeit auf Koh Kret aufrecht hielt, ein Journal führte und die Familiengeschichte an die nächste Generation weitergab.

über Generationen in Mo’s Familie hinweg blieb das so bis in die heutige Zeit hinein. Es gab immer wieder eine Mo in der Familie, die das Wissen über die Familien-Tradition an Töchter und Enkeltöchter weitergab. Eine Mo, die immer alles wissen wollte, lernbegierig war und sich als Teil und Bewahrerin eines langen Familienstammbaumes sah.

So kommt es, dass wir auch heute noch einer Mo begegnen können. Und zwar an einem traditionsreichen Ort, dem Oriental Hotel an der Thanon charoen Krung.

In dem Sinne ist diese Geschichte noch lange nicht zu Ende…
 

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Ankunft

Als ich vor Jahren wie üblich während einer meiner Geschäftsreisen im Oriental Hotel in Bangkok abstieg, auf dem Parkplatz davor der Airport-Limousine entstieg, während mir ein Page im weißen Jackett mit Stehkragen und schwarzer Hose die Wagentüre öffnete, ein anderer in gleicher Uniform mein Gepäck aus dem Kofferraum hob und es auf einen Rollwagen stellte, ahnte ich noch nicht, dass dieser Tag mein Leben für immer verändern würde.

Nach langem Flug stand mir der Sinn nach einer kühlen Dusche, etwas erfrischendem exotischen Obst, ein oder zwei erlesenen belgischen Pralinen aus der goldfarbenen Schale, die wie immer liebevoll dekoriert in meinem Hotelzimmer auf mich warteten und den CNN Nachrichten.

Es lag etwas in der Luft an diesem Montagmorgen, den 19.10.2007. Das vergangene Wochenende schien nur die Ruhe vor dem Sturm an den Aktienbörsen zu sein. Die Wallstreet hatte noch eine lange Nacht vor sich, ehe dort wieder eine neue Woche eingeläutet wurde.

Ich freute ich mich schon auf die bezaubernde Begrüßung der Empfangsdamen am Eingang zur Lobby. Ihre sorgfältigen Frisuren, die Art und Weise wie sie gekleidet sind, in einem knöchellangen Rock und einer andersfarbigen Bluse, die den zierlichen Hals zur Geltung bringt und Ärmeln, die den Unterarm nur halb bedecken, wie sie lächeln, ihre Hände wie zum katholischen Gebet vor dem Gesicht zusammenlegen und dabei einen leichten Diener machen. Eine Geste, die „wai“ genannt wird.

Das war immer der Moment, der mich auf dieses Ausnahmehotel einstimmte, meine Laune schlagartig hob und mir versicherte, dass ich willkommen sei. Inzwischen auch bekannt an diesem Ort, denn eine der zwei Damen begrüßte mich sogar mit Namen. Ich bin da keine Ausnahme. Es wird mir für immer schleierhaft bleiben, mit welchem Gedächtnistrick sie wiederkehrende Gäste persönlich ansprechen.



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Nach ein paar Schritten Richtung Rezeption lief mir ein Schauer den Rücken herunter. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Meine Beine wurden zu steifen Ästen und ich wäre fast gestolpert. Als ich mich wie von fremder Hand gesteuert umdrehte und dadurch fast vollends mein Gleichgewicht verlor, sah ich, dass die zweite Empfangsdame, die ich vorher noch nie gesehen hatte, mir immer noch nachschaute. Ihr Blick offen, vielleicht auch etwas schelmisch, aber mit Interesse, was sie gar nicht erst versuchte zu verhehlen. Sie lachte, weil sie meine Tollpatschigkeit und meinen Fast-Unfall sicherlich bemerkt hatte.

Erst jetzt fiel mir auf, wie fraulich, hübsch und ungewöhnlich sie war. Ein anderer Ausdruck kam mir vorerst nicht in den Sinn. Ihr Gesicht strahlte die über Generationen gesammelten asiatischen Weisheiten aus und war geprägt von einem Leben gefüllt mit uralten Traditionen. Sie schien ein schier unantastbares Selbstwertgefühl zu haben und in dieser Umgebung heimisch und tief verwurzelt zu sein.

Plötzlich wurde mir der sehr dezente Duft ihres Parfums bewusst, undefinierbar zwar aber unwiderstehlich. Ich hörte ihr Gewand rascheln, als sie sich fast unmerklich bewegte. Ich bildete mir ein, das leise Plätschern des angrenzenden Flusses Chao Phraya zu vernehmen. Beruhigende, leise und erstaunlich familiär klingende thailändische Wortlaute schienen Geschichten zu erzählen. Meine Sinne waren bis an ihre Grenzen geschärft.

Die Menschen auf der Hauptstrasse, die zu diesem Hotel führt, bevor wir in eine schmale Nebengasse zum Hotel einbogen, kamen mir in den Sinn. Diese verkehrsreiche Ader, gesäumt von zwei- bis dreistöckigen Häusern, die schon bessere Zeiten erlebt hatten. Ihr Stil erinnert zum Teil an das Kolonialzeitalter in Süd-Ost-Asien gemischt mit chinesischen Einflüssen. Im Erdgeschoss Geschäfte, Restaurants und Reiseagenturen. Darüber die Wohn- und Schlafzimmer. Der dichte Verkehr ermöglicht das gefahrlose Überschreiten der Strasse nur an wenigen Stellen. Aus vielen Auspuffrohren von Bussen, Pick-ups und Mopeds dringt dunkelgrauer bis schwarzer Qualm. Das hat sich glücklicherweise inzwischen geändert.

Die Anwohner leben tagsüber in den vielen nach vorne offenen Tante-Emma-Läden oder hockten auf den wackeligen Schemeln einer Garküche in einer Garage oder auf dem Bürgersteig. Nebenstrassen und Gassen führen zu unbekannten Orten.

Dies alles, glaubte ich, spiegelte sich in ihren Augen wieder, ihrem Gesicht, ja ihrer gesamten Statur. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie eingebettet das Oriental Hotel in die Geschichte dieser Stadt und deren Menschen ist.

Mein innerer Film dauerte weniger als eine Sekunde. Es war etwas passiert, was ich noch nicht begriff. Der Page mit meinem Gepäck riss mich aus meinem Traum und deutete in Richtung Rezeption.

„This way, Sir, please“….
 

Iffi

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Das Schicksal nimmt seinen Lauf

In Vorbereitung meines Vortrages über eine Verbesserung des Investitionsklimas in Thailand für globale Konzerne vor einheimischen Wirtschaftsgrößen, Vertretern des Finanz- und Wirtschaftsministeriums und Rechtsanwälten tätig im Bereich des Wirtschaftsrechtes suchte ich das Vertrauen eines pensionierten Air Force Generals. Er hatte mich vor Jahren nach einem meiner Vorträge zur Seite genommen und mir auf sehr diplomatische und höfliche Art und Weise erklärt, was er von meinen Ausführungen hielt.

“Danke für ihre interessanten Gedanken. Ich wünsche ihnen, dass sie auf fruchtbaren Boden fallen. Ich habe ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ich persönlich bin ein Bewunderer von Rednern, die weder fordernd noch belehrend rüberkommen oder gar auf Fehler der anderen hinweisen, sondern sich lediglich auf die Vorteile der eigenen These konzentrieren.”

Das saß. Er hatte mich zwar mit keinem Wort gemaßregelt, aber mir eine Nachricht übermittelt. In Zukunft würde ich negative Bemerkungen über Firmen, die vieles falsch machen, unterlassen, und mich nur auf die positive Seite meiner „message“ beschränken.

Danach lud er mich zum Dinner ein. Die Nacht beendeten wir in der Bamboo Bar im Oriental Hotel bei einem edlen Glas Rotwein, einer Montecristo Zigarre untermalt mit easy going Jazz Musik.

Er weihte mich während amüsanter Gespräche in einige Geheimnisse der thailändischen Seele ein. Selbstironie kommt immer gut an. Ein Zeigefinger ist ein „no no“. Das wichtigste sei allerdings dem anderen den nötigen Freiraum zur Erhaltung seines Selbstwertgefühls zu lassen. Jemanden argumentativ in die Enge zu treiben, könne zu ungeahnten Konsequenzen führen. Ich wäre der letzte, der bemerken würde, dass ich mir Feinde geschaffen habe. Ein Thai ließe sich das nie in der aktuellen Situation anmerken. Er könnte aber im Extremfall zur Zeitbombe werden.

Von da an blieben wir in Kontakt mit modernen Kommunikationsmitteln. Als er einmal die US Air Force Base in Frankfurt besuchte, ließ ich mir es nicht nehmen, seinen freien Abend mit ihm zu verbringen und sein Gastgeber zu sein. Wir sprachen uns gegenseitig mit unseren Vornahmen an. Er mich mit Hermann und ich ihn mit Noppadon.

Ihn erwartete ich heute Abend zum Dinner im China Haus gleich neben dem Oriental Hotel. Ich wollte mit ihm einige Passagen meiner Rede durchgehen, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, ob sie in seinem Sinne angemessen waren.

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Noppadon war charmant und geistreich wie immer. Lobte mich und sagte mir verschmitzt lachend, dass ich begänne wie ein Thai zu denken. In seiner Gegenwart fühlte ich mich immer sicher. Er strahlte eine Souveränität aus, der ich heute schon einmal begegnet war. Ich kam nur nicht darauf, wo und in welcher Person.

Über den sich inzwischen abzeichnenden „Schwarzen Montag“ an der Wallstreet sprachen wir nur am Rande und auch nur, weil ich das Thema anschnitt. Vielleicht ist mein Vortrag morgen zeitlich gesehen etwas deplaziert? Fragte ich mich heimlich. Schwarze Montage haben es so an sich, das Investitionsklima nicht gerade zu beflügeln.

Der General riss mich aus meinen Zweifeln, indem er ein völlig anderes Thema anschlug. .„Habe ich dir eigentlich schon einmal von meiner Lieblingstochter erzählt?” fragte er mich plötzlich.

Nein, so hatte er sich zumindest noch nie gegenüber mir ausgedrückt. Dass er drei Kinder hat, zwei Söhne und eine Tochter, die alle sehr gute Schulen und Universitäten im Ausland besucht hatten, wusste ich allerdings.

Er erzählte mir einmal, dass er damit in der Tradition von König Chulalongkorn, meist bekannt unter Rama V, handelte. Auch er hätte seinen Söhnen eine Ausbildung im Ausland ermöglicht. Der General hätte diese Tradition nur leicht modifiziert, indem er auch seiner Tochter diese Möglichkeit zeitgerecht bot.

Alle drei seiner Kinder wären in die Heimat zurückgekehrt um ihre erworbenen Fähigkeiten zum Wohle ihres Landes einzusetzen. Und alle drei könnten sich nicht vorstellen, für immer ins Ausland zu gehen.

“Kannst du dir vorstellen, hier in Thailand zu leben und zu arbeiten? Mit deinem inzwischen erworbenen guten Ruf wüsste ich schon, wo ich dich gutbezahlt unterbringen könnte.”

War das jetzt eine Fangfrage um meinen Patriotismus zu prüfen? Ohne meine Antwort abzuwarten fuhr er fort.

Mo…äh…meine Tochter arbeitet übrigens seit Kurzem im Oriental Hotel. Du bist ihr vermutlich schon begegnet, ohne es zu wissen.”....
 
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Iffi

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Die Begegnung - Ein unerwartetes Wiedersehen

Mein Vortrag war ein voller Erfolg. So glaubte ich zumindest, denn niemand verließ den Saal vorzeitig. An die unnahbaren Gesichter der Zuhörer hatte ich mich schon seit Jahren gewöhnt. Unmöglich, aus deren Mimik irgend etwas herauszulesen. Weder Zustimmung noch Ablehnung.

Jeder umgab sich mit einer undurchdringlichen Mauer. Nur in einem war ich mir ziemlich sicher. Heute hatte ich mir keine Feinde gemacht. „Mein“ General hatte die Rede vorher abgesegnet. Seinem Urteil vertraute ich. Er ließ es sich nicht nehmen, bei meinen Vorträgen anwesend zu sei. So auch dieses Mal.

Mit einem Lächeln kam er auf mich zu. In seiner Begleitung eine junge Dame. Wahnsinn! Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet.

“Darf ich dir jemanden vorstellen?” hörte ich ihn wie durch eine dichte Nebelwand sagen.

Wir duzten uns schon seit Jahren, wenn man bedenkt, dass wir das „Khun“ vor dem Namen wegließen, das man mit „Herr“ oder „Mister“ übersetzen könnte. Einmal hatte er mir sogar seinen Spitznamen verraten: Uan. Ich empfand das als besondere Ehre, denn unter normalen Umständen hätte ich ihn doch immer als „Khun Noppadon“ ansprechen sollen/müssen.

Meine Reaktion auf seine Begleitung ähnelte derjenigen bei meiner Ankunft und der Begrüßung im Oriental Hotel einen Tag zuvor. Glücklicherweise stand ich still auf beiden Beinen, sodass ich wohl kaum stolpern konnte. Erst jetzt fiel mir auf, daß ich öfter an sie gedacht hatte. Anscheinend hatte sie einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen – um es milde zu formulieren. Aber diesen Gedanken schüttelte ich ab.

Noppadon war ein durchaus attraktiver Mann, insbesondere dann, wenn er seine Uniform trug. Und charmant und kumpelhaft konnte er auch sein. Kein Wunder also, daß er mit einer so jungen und bildhübschen Frau verheiratet war. Es gab eben Männer, die konnte man einfach nur beneiden.

Als ich meine Hand zum Gruß ausstreckte, den sie wie selbstverständlich ganz ohne wai erwiderte und ich zu ihr sagte: “Guten Tag, nett sie kennenzulernen. Mein Name ist Hermann”, wußte ich, daß dies zum Teil gelogen war, denn ich begegnete ihr nicht zum ersten Mal. Der gleiche Blick, der gleiche Schelm und dazu diese unbeschreibliche Souveränität, die ihrer Weiblichkeit nicht den geringsten Abbruch tat.

“Guten Tag, Mr. Hermann. Mein Vater hat mir schon viel über sie erzählt. Mein Name ist Sirirat.”

„Mein Vater?“ dachte ich zunächst verwirrt? Dann handelte es sich bei ihr gar nicht um Noppadons Frau? Ein unerklärliches Gefühl der Erleichterung übermannte mich.

Mein Name hatte sich vermutlich einen Tag vorher unauslöschlich in ihr Gedächtnis geprägt. Das gehört zu den Geheimnissen der Angestellten im Oriental Hotel. Ja, sie war es. Eine der Empfangsdamen in der Lobby. Genau jene, die mich aus der Fassung gebracht hatte und wegen der ich fast gestolpert wäre.

Da stand sie nun mit einer unbeschreiblichen Ausstrahlung, als ob unsichtbar umringt von ihren Ahnen. Sie alle hatten einen Teil zu ihren Genen beigetragen und ein Kunstwerk geschaffen. Sie schienen zu flüstern: „Sieh her. In ihr lebt Mo, unsere geliebte Schwester über alle Zeiten hinweg. Durch sie sind wir unvergänglich. Sie verdient allen Respekt, den du ihr geben kannst. Also benimm dich, auch wenn du nur ein Farang bist.“

Noppadon sah leicht amüsiert dieser Szene zu. Ob er ahnte, was ich dachte? Seine Blicke wanderten zwischen seiner Tochter und mir hin und her, als ob er darauf wartete, daß ich etwas sagte. Aber ich wußte nicht, welche Worte nun angebracht sein könnten, daher schwieg ich lieber.

Schließlich trat Noppadon auf mich zu und fasste mich freundschaftlich am Oberarm. Er fragte: „Du hast dir doch auf dieser Geschäftsreise etwas mehr Zeit genommen als sonst, nicht wahr?“

Ich nickte, immer noch unfähig, etwas zu sagen.

„Dann mache ich dir einen Vorschlag. Was hältst du davon, wenn dir meine Tochter die Stadt etwas näher bringt?“

Er hatte seine Anregung zwar in einer Frage verpackt, aber der General ließ keinen Zweifel daran, daß es zwecklos gewesen wäre, zu widersprechen.

Sirirat wird dich begleiten und dir die beste Fremdenführerin sein, die du dir vorstellen kannst.“

Dabei sah er nicht mich, sondern seine Tochter mit einem eindringlichen Blick an.

„Meine Schicht im Hotel beginnt momentan immer um…“, begann Sirirat.

„Ich werde mit dem Manager „Khun Kurt“ sprechen, so daß du für Hermann etwas mehr Zeit einplanen kannst“, unterbrach der General.

Sirirat nickte und lächelte.

Nun fand ich meine Sprache wieder: „Ich war noch nie im Jim-Thompson-Haus“, sagte ich. „Da wollte ich schon immer gerne hin.“

„Dafür wird bestimmt auch noch Zeit sein, Hermann“, sagte der General und mit einem Blick auf seine Tochter: „Sirirat wird dir unsere Familiengeschichte etwas näher bringen. Dazu braucht ihr nur vor die Tür des Orientals zu treten und schon seid ihr mitten drin. Die Thanon Charoen Krung spielt die Hauptrolle in diesem Zusammenhang.“

Die Thanon was...? ging es mir durch den Kopf.
 

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Thanon Charoen Krung - unser erster gemeinsamer Ausflug

Sirirat und ich waren schon für den nächsten Morgen verabredet. Diesen Tag hatte ich mir extra freigehalten um einige Sehenswürdigkeiten in Bangkok zu besuchen. Bis auf den Grand Palace, Besuchen in edlen Kaufhäusern und einigen gediegenen Restaurants war ich während meiner vorherigen Besuche kaum dazu gekommen. Mein Terminplan ließ es nie zu.

Der Morgen war noch angenehm kühl. Wer allerdings diese Breitengrade kennt, weiß, dass dies nur relativ ist und „kühl“ nichts anderes bedeutet als nicht so heiß wie gegen Mittag und den ganzen Nachmittag lang.

Ich saß noch vor meinem letzten Kaffee auf der Frühstücksterrasse mit dem wundervollen Blick auf den majestätischen Fluss, als ein Page neben meinen Tisch trat und mir mitteilte, dass mich jemand an der Rezeption erwartete. Wieso der Page wusste, wo er mich findet, bleibt sein Geheimnis. War das etwa schon Sirirat? Freudig faltete ich meine Serviette zusammen und verließ meinen Frühstückstisch.


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Der Weg in die Lobby ist nur kurz und als ich sie betrat, sah ich weit und breit keine Sirirat. Stattdessen begrüßte mich ein junger Mann. „Guten Morgen, Herr Loewel. Mein Name ist Boy und ich bin eine Neffe von Sirirat.“

„Schade“, ging es mir durch den Kopf. Sie war wohl verhindert und hat für Ersatz gesorgt. Aber mir blieb noch ein Funken Hoffnung, denn ich konnte mir vorstellen, dass es in solch einem Hotel nicht unbedingt angebracht ist, dass eine Mitarbeiterin vor den Augen aller anderen Angestellten zu einer privaten Verabredung mit einem Gast erscheint.

„Mein Wagen ist ein Stück weiter die Soi 40 runter geparkt. Ich hoffe die zwei Minuten zu Fuß machen ihnen nichts aus. Ich bin heute ihr Fahrer.“ sagte Boy fröhlich lachend. Ich folgte ihm einfach während er mich fragte, wie das Frühstück war, was ich vom Oriental halte und überhaupt von Bangkok und Thailand. So viele Fragen auf einmal, aber ich wusste, dass sie lediglich zum Ritual der Höflichkeit zwischen Unbekannten gehörten und keine ausführlichen oder gar komplizierte Antworten erwartet wurden.

Genauso wenig wie auf die Frage: „How are you?“ eine ausgiebige Antwort über den Gesundheits- oder gar Gemütszustand erwartet wird.

Als wir seinen Wagen mit dunkel getönten Scheiben erreichten, hörte ich den Motor leise summen. Die Klimaanlage ließ ihn sporadisch höher drehen. Ich positionierte mich, wie so oft, auf der falschen Seite um einzusteigen. Der junge Mann fragte lächelnd, ob ich fahren wolle. Erst da fiel bei mir der Groschen. Irgendwann werde ich es lernen, dass zum Linksverkehr auch das Steuer auf der rechten Seite gehört.

Nein, ich wollte nicht fahren und stieg links ein. Als ich eine weibliche Person auf dem Rücksitz erkannte, wurde mir klar, warum der Motor bereits lief.

„Hallo Khun Hermann. Haben sie gut geschlafen?“

All meine Hoffnungen wurden erfüllt. Es war Sirirat. „Ja, sehr gut, und ich bin froh in solch angenehmer Gesellschaft wach zu sein und nicht noch zu träumen.“ antwortete ich und sah ihr schelmisch charmantes Lächeln wieder, welches mir bei der Ankunft im Oriental Hotel schon aufgefallen war.

Auch registrierte ich, dass sie keine Probleme mit dem „r“ hat. Ich musste innerlich grinsen, als ich mir vorstellte, sie würde mich Hellmann nennen.

„Wissen sie, Khun Hermann, wie man solche Worte bei uns nennt?“ erwiderte sie, jetzt aber schon lachend, „Wir nennen das „bag wan", süsser Mund, aber trotzdem danke. Sehr lieb von ihnen.“

Auch ihr Neffe gluckste leicht mit den Schultern zuckend in sich hinein. Ich nahm mir vor, das „bag wan“ nicht zu sehr zu übertreiben. Solange es zur Belustigung beitrug, schien es aber OK zu sein.

„Mein Neffe Boy wird uns ganz in die Nähe des Grand Palace fahren. Wir beide werden dort aussteigen und ihn anrufen, wenn wir ihn wieder brauchen.“

An den Weg kann ich mich nicht mehr erinnern. Zu verwirrend waren die Straßenzüge in Bangkok für mich. Nach einer dreiviertel Stunde waren wir am Ziel. Die meiste Zeit verbrachten wir in den Schlangen vor den roten Ampeln.

An unserem Zielort verlief auf der anderen Seite einer breiten Strasse eine lange weiße Mauer mit diesen ovalen Formen auf der Krone. Mir kam das bekannt vor. So hatte ich den Grand Palace in Erinnerung. Aber irgend etwas war anders. Es fehlten die vielen Straßenverkäufer auf den Bürgersteigen und auch die Fußgänger. Überhaupt war hier keine Spur von touristischem Treiben. Selbst der Verkehr hielt sich in Grenzen.


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Blick über die Thanon Sanam Chai zum Palast und Wat Po rüber.


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Ab hier überschneidet sich diese Story mit meiner Dokumentation über die Thanon charoen Krung.

Die Strasse, die Bangkok zur Stadt machte.

https://www.pattayaforum.net/forums/threads/die-strasse-die-bangkok-zur-stadt-machte.35147/

Es war nämlich diese Dokumentation, die mich zu dieser Story animierte. Beide ergänzen sich. Wer Lust und Laune hat, kann ja zuweilen zwischen der Dokumentation und dieser Story hin und her springen, falls er Näheres über bestimmte Handlungsorte dieser Story erfahren möchte.

Da ich mich hier nicht ausführlich wiederholen möchte, beschränke ich mich hier nur auf ein paar wenige Schwerpunkte der Strasse, soweit sie relevant für unser Pärchen in dieser Story sind.

Es geht ja schliesslich um Hermann und Sirirat.
 
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Iffi

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Thanon Charoen Krung - Wo alles einmal anfing

Als Sirirat und ich ausgestiegen waren, ihr Neffe sich von uns verabschiedet hatte und wir im Schatten eines Baumes kurz innehielten, konnte ich meine Blicke nicht von ihr wenden. Sie trug schwarze enganliegende Stoffhosen, die bis knapp über ihre Knöchel reichten. Dazu bequeme Laufschuhe mit niedrigen Absätzen.

Eine hochgeschlossene, weisse, dezent gemusterte, langärmelige Bluse, deren Saum zwei handbreit über dem Knie endete. Ein dekoratives Seidentuch lag leger über ihren Schultern.

In einer Hand hielt sie einen aufgespannten Schirm in zartrosa Farbe. Nicht in der Art, wie in Reiseprospekten für Süd-Ost-Asien niedlich und exotisch anzusehen, sondern in der Art, die auch als Regenschirm geeignet wäre. Es war einer dieser zierlichen Damen-Knirpse, der zusammengefaltet bequem in ihre Handtasche passte.

Der Riemen ihrer Handtasche führte quer von ihrer linken Schulter zur rechten Körperseite in Hüfthöhe. Das Symbol der zwei ineinander verschränkten Cs auf der Handtasche verriet mir die Marke CHANEL.

Sirirat sah bezaubernd aus und ich verkniff mir ein Kompliment, weil ich Gefahr lief, dass mein „bag wan“ in diesem Moment allzu süß geraten wäre.

Sirirat deutete auf ein Straßenschild gleich neben uns. Auf dem stand in lateinischen Buchstaben „Thanon Charoen Krung“. Da war er wieder, dieser seltsame Name, den der General schon erwähnte, wenn ich mich recht erinnerte.


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Ein Schild gleich in der Nähe erklärt in kurzen Sätzen auf englisch und Thai in weißer Schrift auf dunkelbraunem Grund in Augenhöhe, was es mit dieser Strasse auf sich hat.

Nebenbei ergänzte Sirirat, dass wir uns auf der Rückseite des Grand Palace befänden, nämlich dort, wo er durch eine schmale Seitenstrasse vom Wat Po getrennt wird. Kein Wunder, dass ich vorher leichte Zweifel hatte, denn ich kannte nur die Vorderseite mit all ihrer Betriebsamkeit.

Die Thanon Charoen Krung gleicht auf diesem ersten Abschnitt einer Prachtallee. Sie ist schattig, die Bürgersteige in gepflegtem Zustand und selbst die Bushaltestelle kann sich mit jeder in einer modernen europäischen Großstadt messen.


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„Mein Vater bestand darauf, dass ich ihnen diese Strasse zeige, Khun Hermann. Wir werden einen Gutteil zu Fuß erledigen, denn das, was ich ihnen zeigen und erzählen möchte, lässt sich nicht einfach aus dem Auto heraus vermitteln. Ich hoffe, es macht ihnen nichts aus?“ fragte Sirirat mit einem prüfenden und frechen Blick, bereit mich zu veralbern, falls ich jetzt den „Verwöhnten“ spielen würde. Nein, es war mir nur recht. Ich unterhalte mich gerne beim Spazierengehen und kann dann ein sehr guter Zuhörer sein.

Mich beschlich nur eine kleine Unsicherheit. In der Heimat hätte ich reflexartig angeboten den Regenschirm zu halten, sie aufgefordert, sich bei mir unterzuhaken, wenn sie es nicht schon von sich aus getan hätte und wäre mit ihr Seite an Seite vorangeschritten, sorgfältig darauf achtend, dass sie kein Tropfen erwischt. Aber es regnete ja nicht. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne begann, die Luft aufzuheizen. Die Sonnenschirm-Etikette war mir völlig unbekannt. So ließ ich es dabei. Für Sirirat schien es das Normalste auf der Welt zu sein, ihren Sonnenschirm ohne jegliche Erwartung an ihren männlichen Begleiter selber zu tragen.
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Der Suan Saranrom Park

Wir drehten dem Königspalast den Rücken zu und machten uns auf den Weg entlang der Thanon Charoen Krung. Linkerhand ein verschnörkelter Eisenzaun auf einer halbhohen Mauer, der den Blick in einen Park erlaubt. Schon nach ein paar Schritten erreichten wir den Eingang zum Suan Saranrom Park.

„Ein ehemals königlich botanischer Garten, der in den 60ern Jahren des 20. Jahrhunderts von meinem König für die Öffentlichkeit freigegeben wurde.“ wie Sirirat meinte.


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Hier habe König Chulalongkorn, Rama V, einer seiner Lieblingsfrauen Queen Sunandha und deren Tochter Prinzessin Kannabhorn ein Denkmal in Form eines Khmer-Prangs gesetzt hatte, nachdem sie im Chao Praya ertrunken waren.


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Sirirat führte mich in den hintersten Winkel des Parkes. Dorthin, wo ein chinesischer Pavillon zum verweilen einlädt und ein hoher spitzer Chedi hinter einer Mauer in den Himmel ragt.


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Aber ihr Ziel schien zunächst ein anderes zu sein. Sie zog sich die Schuhe aus und wandelte barfuss über einen Pfad, in den kinderfaustgroße, runde Steine in kleinen Abständen eingelassen waren. Sie ragten etwa zur Hälfte mit ihrer schmalen Seite aus dem Untergrund heraus. Die Steine waren etwas abgeflacht, so wie wir sie von Flussufern kennen, wo die stetige Strömung selbst harten Stein poliert und formt.


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„Fußmassage. Möchten sie auch mal probieren, Khun Hermann?“ fragte Sirirat lachend.

Als ich aber sah, wie vorsichtig und konzentriert sie einen Fuß vor den anderen setzte, beschloss ich, Zuschauer zu bleiben und ihren Anblick zu genießen. In ihrem Gesicht zeigte sich kein Schmerz oder irgendeine andere Regung des Unwohlseins, sondern eher eine entspannte Miene, die schon meditativ erschien. Ihre zierlichen Füße mit rosagefärbten Zehennägeln kamen mir wegen ihrer Nacktheit fast einen Deut zu verwegen und intim vor. Was war bloß mit mir los?

„Entschuldigung, sie langweilen sich sicher. Ich werde jetzt eine brave Tochter sein und ihnen etwas mehr über die Orte an der Charoen Krung erzählen.“

Dabei kramte Sirirat in ihrer Handtasche und zog triumphierend eine Plastikkarte mit ihrem Lichtbild darauf heraus.

„Schau, ich bin lizenzierte Touristenführerin für Bangkok. Die Prüfung habe ich während der Studienzeit gemacht. Sie sind also in guten Händen.“

In guten Händen, hatte schon ihr Vater gesagt. Nur allzu gerne war ich geneigt, dies wörtlich zu nehmen und bekam eine Gänsehaut.

So erfuhr ich auf charmante Art und Weise einige historische Fakten über diesen Ort. Sirirat verfügte tatsächlich über ein unermessliches Wissen über diesen Suan Saranrom Park und hätte auch hauptberuflich eine Touristenführerin sein können. Ich war beeindruckt.

„Hat es ihnen gefallen, Khun Hermann? Wissen sie eigentlich, was suan saranrom bedeutet?“ fragte Sirirat, als wir den Park verließen und wieder in die Thanon Charoen Krung einbogen.

Ja, es hatte mir gefallen, weil so faszinierend und voller alter Geschichten. Dazu noch ein Ruhepol so nahe an einem touristischen Zentrum der Geschäftigkeit und Hektik. Und nein, der Name sagte mir nichts.

„Garten der Freude“, sagte Sirirat strahlend. Hätte nur noch gefehlt, dass sie wie ein kleines Mädchen fröhlich vor sich hin hüpfte.

Beeindruckt sollte sich aber sehr bald in totale Bewunderung wandeln, als sie begann ihre Familiengeschichte aufzurollen…

(Das Internet ist voller historischer Infos über diesen Park. Der Interessierte mag googeln)
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Verwandtschaften

Das Gebäude des „Territorial Defence Departments“, Verteidigungsministerium, begleitete uns auf der rechten Seite der Strasse noch bis zu einer Brücke, die über einen schmalen Kanal führte.

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Sonderbare Bäume mit langen herabhängenden dünnen Ästen säumten seine Ufer, sowie gleich daneben parallel zum Kanal verlaufende Strassen auf beiden Seiten.

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„Sehen sie das Schild dort drüben?“ fragte Sirirat. „Saphan Mon“ las ich laut vor mich hin. „Genau. Wir haben gerade die Mon-Brücke überschritten. Saphan bedeutet Brücke.“ ergänzte Sirirat.


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„Hat der Name etwas mit dem Volk der Mon zu tun?“ fragte ich interessiert. Ich brachte die Mon zwar hauptsächlich mit Birma in Verbindung, aber irgendwo hatte ich mal gelesen, dass die Mon besonders in Zentralthailand schon lange vor den Thais ansässig waren.

„Ja, und ganz besonders mit meiner Familie und mir.“ war die überraschende Antwort Sirirats, und ich sah zum ersten mal einen Anflug von Schüchternheit in ihren Augen. Obwohl mein Interesse geweckt war, wagte ich nicht, sie direkt auf ihre letzte Aussage anzusprechen.

Sirirat fuhr aber von sich aus fort. „Vor über 200 Jahren haben sich unsere Vorfahren hier niedergelassen. Wie innerhalb unserer Familie überliefert, wohnten sie genau an dieser Ecke in einem Holzhaus direkt am Kanal.“

„Wahnsinn!“, entfuhr es mir. „Womöglich fließt in den Adern deiner Familie auch Mon-Blut?“

„Inzwischen auch Thai und chinesisches Blut. Aber meine Vorfahren waren echte Mon. Das ändert aber nichts daran, das ich durch und durch Thai bin. Ich liebe mein Land, unseren König und bin gläubige Buddhistin. Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen, als Thai zu sein.“

„Führt ihr vielleicht eine Familienchronik oder so was ähnliches? Oder wie kommt es, dass euer Generationen-Gedächtnis soweit zurückreicht?“

„Es reicht sogar noch weiter zurück. Ayuthaya und Koh Kret. Dies alles verdanken wir unserer gebliebten Mo, die als kleines Mädchen mit ihren Eltern und Geschwistern aus Ko Kret hier hin zog. Damals, kurz nachdem hier die neue Königsstadt gebaut wurde. Mo nahm sich die Worte ihres Vater zu Herzen und gab unermüdlich ihren Kindern und Enkelkindern seine Geschichten weiter.“

„Und irgendwann mal hat irgendjemand in eurer Familie die Geschichten aufgeschrieben?“

„djin djin“, sicher. Es war ihr Enkelkind, ebenfalls mit dem Namen Mo, welches im Palast großgezogen wurde. Ihre Mutter starb früh und ihr Vater kam als Offizier während einer der Laos-Feldzüge ums Leben. Er bekam nachträglich einen Adelstitel verliehen.“

Ich bekam eine Gänsehaut. Nicht nur war Sirirat ein Spross einer uralt eingesessenen Bangkok-Familie, sondern hatte sogar Adelige in der Familie. Weitaus mehr faszinierte mich allerdings, dass vor langer, langer Zeit dieses Waisenkind Mo zu Tinte und Feder griff um die Familiengeschichte aufzuschreiben.

„Interessant. Vielleicht hat Mo aus Leid über den Verlust ihrer Eltern geschrieben und sich damit wieder eine vollständige Familie erschaffen. Mehr noch. Sogar eine Großfamilie inklusive früherer Generationen.“

Sirirat sah mich erstaunt und musternd an. Hatte ich etwas ungebührliches oder gar verletzendes gesagt?

„Khun Hermann. Das hast du sehr schön gesagt. Ich verstehe das, denn auch ich schreibe mir gerne mein Leid von der Seele. Ausserdem ist auch mir die Bewahrung unserer Familiengeschichte heilig.“

Dieses bezaubernde Wesen kennt Leid? Unvorstellbar. Fast hätte ich den Kopf geschüttelt.

Und so kam es, dass ich nach und nach auf dem Wege entlang der Thanon Charoen Krung immer mehr über Sirirats Familie, sie selber und die Geschichte dieser Strasse erfuhr...
 

Gecko-22

Dipl.-Hühnerhabicht
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12 September 2014
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Tief im Westen
Hi Iffi, du hast mich zum wiederholten Male am Haken. Noch nie hab ich so begierig etwas über fremde Kulturen gelernt. Du verpackst es so schön in die Geschichtenform, das ich hungrig werde nach meiner Daily-Iffi-Soap.

Bei dir habe ich mir das erste Mal im Forum den Button gewünsch: Wenn dieser Autor eine neue Geschichte beginnt, wollen Sie dann automatisch informiert werden?

Du bist die männliche Sherezade, die ihre Zuhörer ständig unter Spannung hält, weil sie zum richtigen Zeitpunkt mit einem Lächeln sagt: Und wie es weiter geht, das hört ihr das nächste mal . . . :);)
 
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Reaktionen: JanHamburg72 und Iffi

Iffi

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@Gecko-22 you made my day. Danke für deine aufmunternde Worte.:)

Wenn ich solche Reaktionen wie deine lese, dann weiss ich, dass meine Schreibe einen Sinn macht. Nämlich Lektüre, fern von Ungemach, sondern unterhaltsam, entspannend und hoffentlich nebenbei auch ein bisserl lehrreich. Ich lerne ja selber dabei.

Ausserdem macht es mir auch selber Freude während meiner Zeit hier "lebendig über den Zaun" zu schreiben
.

Das Schreiben hält mich wach und geistig auf der Höhe, ohne zu verblöden....
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - China Town

An einer Soi (Seitenstrasse) machte Sirirat Halt. Ich war einfach weitergegangen und musste umkehren. Sie deutete in die kleine Gasse. Am Ende funkelte etwas rot und golden.


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„Was ist das?“ fragte ich.

„Das ist ein chinesischer Schrein“, erklärte sie. „Wollen sie sich ihn ansehen?“

Keine Frage, denn meine Neugier war geweckt. Es lohnte sich sicherlich, mal genauer hinzusehen und einen Blick in die Seitengassen zu werfen. Sirirat erklärte mir, dass manche bis zur Thanon Yaowarat durchführen, andere sind Sackgassen. Wir befanden uns dort in einer anderen Welt, fern vom Großstadttrubel.

Kaum zwei oder drei Meter in der Soi, war der Straßenverkehr so gut wie nicht mehr zu hören. Vor einem Hauseingang, über dessen Vordach rote Lampions hingen, saß ein älterer sehr chinesisch anmutender Herr und beobachtete uns unverhohlen. Sirirat grüßte ihn mit einem wai, den er ohne weitere Worte erwiderte.

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„Er kennt mich nicht mehr. Ist ja auch schon lange her, als ich hier als kleines Mädchen die Nachbarschaft unsicher gemacht habe.“

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„Tatsächlich? Habt ihr hier einmal gewohnt?“ fragte ich erstaunt.

„Ein Teil meiner Verwandtschaft lebte hier. Besonders zum chinesischen Neujahrsfest haben wir sie besucht. Ich habe schöne Erinnerungen daran.“

Überall an den Wänden waren chinesische Schriftzeichen.