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Gay / Bi MIA - Meiner ist anders! Die Geschichte von Werner und Phao

midiberlin

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21 Oktober 2012
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Eine Geschichte aus Pattaya


Hallo zusammen,

ich bin Midiberlin, 45 Jahre alt, und seit über einem Jahrzehnt regelmäßiger Gast in Pattaya. Als schwuler Mann bewege ich mich hauptsächlich in der Gay-Szene rund um Jomtien und Boyztown, aber die Mechanismen, die ich dort beobachte, unterscheiden sich kaum von dem, was ihr aus euren eigenen Erfahrungen kennt.

Was ich euch heute erzählen möchte, ist die Geschichte von Werner - einem 58-jährigen deutschen Personalreferent aus Wuppertal, der zum ersten Mal nach Thailand reiste und dort Phao kennenlernte, einen 24-jährigen Bar Boy aus Laos. Es ist eine Geschichte, die so oder ähnlich jeden Tag in Pattaya passiert, nur dass sie diesmal nicht nach zwei Wochen endete, sondern sich über zwei Jahre hinzog.

Ihr werdet vieles wiedererkennen: die erste Begegnung in der Bar, die Geldforderungen für die "kranke Familie", das plötzliche Verschwinden, die verzweifelten Versuche, die Beziehung nach Deutschland zu holen. Aber Werner ging weiter als die meisten - er heiratete tatsächlich und holte Phao nach Deutschland.

Was dann passierte, ist eine Lehrstunde darüber, was geschieht, wenn die Thailand-Fantasie auf die deutsche Realität trifft. Eine Geschichte von Liebe, Selbstbetrug und der verzweifelten Suche nach Glück - auf beiden Seiten.

Ich erzähle sie euch nicht, um zu urteilen, sondern um zu verstehen. Denn am Ende sind wir alle nur Menschen auf der Suche nach Verbindung, egal ob hetero oder schwul, egal ob 25 oder 58.

Die Namen habe ich geändert, aber jedes Detail dieser Geschichte ist wahr. Ich kenne beide Protagonisten persönlich.

Also lehnt euch zurück - das wird eine längere Geschichte. Aber ich verspreche euch: Sie wird euch zum Nachdenken bringen.

MidiBerlin Pattaya, November 2022
 

midiberlin

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MIA - Meiner ist anders! (Teil 1)​

November 2022

Werner Müller aus Wuppertal trat aus dem klimatisierten Flughafengebäude in die schwüle Nachtluft Thailands und blieb einen Moment stehen. Die Hitze traf ihn wie eine warme, feuchte Decke. 58 Jahre alt, seit fünf Jahren geschieden, zum ersten Mal in seinem Leben in Asien. Nach drei Jahren, in denen Corona jeden Urlaub verhindert hatte, fühlte sich dieser Moment unwirklich an.

"Na, wie ist das, endlich wieder frei zu sein?" rief Dieter, sein alter Schulfreund, der bereits ungeduldig neben einem wartenden Taxi stand. Dieter war zwei Jahre älter als Werner, aber wirkte zehn Jahre jünger - sonnengebräunt vom letzten Mallorca-Urlaub, die Haare noch dicht, das Hemd lässig aufgeknöpft. "Thailand ist wieder offen, die Preise sind im Keller, und die Mädels freuen sich über jeden Kunden nach der langen Corona-Pause!"

Werner zögerte noch einen Moment. Drei Monate lang hatte Dieter auf ihn eingeredet. Zuerst am Telefon: "Werner, Mann, wir werden auch nicht jünger! Du hockst seit der Scheidung nur noch zu Hause rum." Dann beim Bier nach dem Kegelabend: "Thailand, das ist was für Männer wie uns. Keine Verpflichtungen, kein Stress, nur Entspannung." Und schließlich hatte er konkret gemacht: "Ich buche für uns beide. Zwei Wochen Pattaya, du zahlst mir deinen Anteil zurück."

Als Personalreferent bei den Stadtbetrieben Wuppertal verdiente Werner im oberen Bereich des öffentlichen Dienstes ein solides Gehalt. Nach der Scheidung waren die Unterhaltszahlungen ausgelaufen, seine beiden Kinder Sabine und Markus standen längst auf eigenen Beinen. Das Geld für eine Thailand-Reise wäre da gewesen, aber Werner war sparsam geworden, vorsichtig. Sein kleines Reihenhaus am Stadtrand, der alte Opel, bescheidene Bedürfnisse - warum sollte er das ändern?

Aber irgendwann, an einem besonders grauen Februartag, als er allein in seiner Küche saß und die Stille um ihn herum zu erdrückend wurde, hatte er ja gesagt.

"Komm schon, Werner!" Dieter winkte ungeduldig. "Das Taxi wartet!"

Die Fahrt vom Flughafen nach Pattaya dauerte zwei Stunden. Dieter redete die ganze Zeit - über Thailand, über die Bars, über die "unglaublichen Preise" und die "süßen Mädels". Werner starrte aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Reisfelder, kleine Dörfer, Tempel mit goldenen Dächern, die in der Abendsonne glänzten. Es war schön, das musste er zugeben. Und so anders als das regnerische Deutschland, das sie hinter sich gelassen hatten.

"Wir gehen heute Abend gleich in die Walking Street," verkündete Dieter. "Ich kenne da ein paar gute Läden. Billiger Whiskey, hübsche Girls, und nach drei Jahren Corona sind die richtig scharf auf Kunden."

Werner nickte nur. Er wusste nicht genau, was ihn erwartete, aber Dieters Begeisterung war ansteckend.

Ihr Hotel lag direkt an der Beach Road - nicht luxuriös, aber sauber und mit Klimaanlage. Werner duschte ausgiebig, wechselte das Hemd und traf Dieter an der Hotelbar.

"Auf unseren ersten Abend in Thailand!" Dieter hob sein Bier. "Du wirst sehen, Werner, das wird die beste Zeit deines Lebens!"

Die Walking Street erwachte gerade zum Leben, als sie um neun Uhr abends ankamen. Neonlichter blinkten in allen Farben, Musik dröhnte aus Dutzenden von Bars, und überall standen junge Thai-Frauen in knappen Outfits und winkten den vorbeigehenden Männern zu. "You handsome man! Come inside!" - "We make you happy!" - "Special price for you!"

Werner blieb überwältigt stehen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Westliche Männer, meist in seinem Alter oder älter, saßen in offenen Bars, junge Frauen auf dem Schoß, Bier in der Hand, zufriedene Gesichter. Es wirkte wie eine andere Welt, ein Paralleluniversum, in dem andere Regeln galten.

"Komm, wir gehen in die Dollhouse," sagte Dieter und zog ihn in eine größere Bar. Drinnen war es laut und dunkel, nur die Bühne in der Mitte war hell erleuchtet. Darauf tanzten etwa zwanzig junge Frauen in Bikinis und nummerierten Gürtelschlaufen zu westlicher Popmusik.

"Siehst du die Nummern?" erklärte Dieter, während sie sich an die Bar setzten. "Wenn dir eine gefällt, sagst du dem Mamasan die Nummer, zahlst die Bar Fine - das sind so 500 Baht - und dann gehört sie dir für den Abend. Short Time kostet 2000 Baht, Long Time 3000 bis 4000. Nach den Corona-Jahren sind die Preise im Keller."

Werner bestellte ein Bier und beobachtete das Treiben. Die Mädchen lächelten ihn an, winkten ihm zu, aber er fühlte sich seltsam unwohl. Es war nicht so, dass er prüde war - aber diese Art der direkten Kommerzialisierung irritierte ihn. In Deutschland hatte er nach der Scheidung ein paar Dates gehabt, über Parship und beim Wanderverein, aber das hier war etwas völlig anderes.

"Die da mit der Nummer 23, die ist süß," sagte Dieter und deutete auf eine kleine, schlanke Frau mit langen schwarzen Haaren. "Soll ich sie für dich herholen?"

"Noch nicht," sagte Werner schnell. "Lass mich erst mal ankommen."

Sie verbrachten zwei Stunden in der Bar. Dieter kam mit mehreren Mädchen ins Gespräch, ließ sich Getränke ausgeben, lachte laut, fühlte sich sichtlich wohl. Werner blieb zurückhaltend, trank sein Bier, beobachtete. Die Atmosphäre war fröhlich, unbeschwert, aber irgendwie passte er nicht hinein.

"Du bist zu verkrampft," sagte Dieter, als sie gegen Mitternacht ins Hotel zurückgingen. "Das ist Urlaub, Werner! Hier gelten andere Regeln. Niemand verurteilt dich, niemand kennt dich. Entspann dich mal!"

Die nächsten drei Tage folgten einem ähnlichen Muster. Tagsüber lagen sie am Strand oder am Pool, abends gingen sie in die Bars. Dieter fand schnell seinen Rhythmus - jeden Abend eine andere Begleitung, immer gut gelaunt, immer zufrieden. "Das Leben kann so einfach sein," sagte er. "Keine komplizierten Beziehungen, kein Drama, nur Spaß."

Werner blieb der Beobachter. Er versuchte es ein paar Mal, ließ sich Getränke von Mädchen ausgeben, führte stockende Gespräche auf Englisch, aber es fühlte sich nicht richtig an. Die jungen Frauen waren freundlich, professionell, aber er spürte die Distanz, das Geschäft hinter jedem Lächeln.

"Was ist los mit dir?" fragte Dieter am vierten Abend, als Werner wieder nur sein Bier trank und das Treiben beobachtete. "Du sitzt da wie ein Mönch. Suchst du dir endlich mal eine aus, oder was?"

Werner zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Es fühlt sich nicht richtig an."

"Nicht richtig? Werner, das hier ist das Paradies für Männer wie uns! Nach der Scheidung, allein zu Hause - was willst du denn mehr?"

Aber Werner konnte es nicht erklären. Vielleicht war er wirklich zu verkrampft, zu deutsch, zu... alt? Seine Ex-Frau hatte ihm oft vorgeworfen, dass er langweilig sei, dass er sich nie auf neue Erfahrungen einlasse. "Du lebst in deiner kleinen Welt, Werner. Immer dieselbe Routine, nie etwas Spontanes."

Am fünften Abend hatte Dieter schon früh eine Begleitung gefunden - eine lebhafte 25-Jährige namens Noi, die perfekt Englisch sprach und ihn schon den ganzen Abend zum Lachen brachte.

"Ich gehe mit Noi ins Hotel," sagte Dieter grinsend. "Du schaffst das auch allein, oder? Lass dich endlich mal gehen!"

Werner blieb allein in der Bar zurück. Um ihn herum das vertraute Treiben - Männer mit jungen Frauen, Gelächter, Musik, Bier. Aber er fühlte sich fremd, wie ein Zuschauer in einem Film, der nicht für ihn gemacht war.

Gegen elf Uhr verließ er die Walking Street und lief ziellos durch die Straßen von Pattaya. Es war eine warme, feuchte Nacht, die Luft roch nach Garküchen und Meer. Irgendwie landete er in ruhigeren Gassen, weg vom Trubel der Hauptstraßen.

Hier war es anders. Weniger Rummel, weniger Neon, mehr kleine Bars und Restaurants. Die Menschen saßen entspannter zusammen, die Musik war leiser. Werner fühlte sich wohler.

Er lief an einem kleinen Komplex vorbei, den ein Schild als "Jomtien Complex" auswies. Hier gab es auch Bars, aber sie wirkten anders - ruhiger, weniger aufdringlich. Und die Klientel war... anders.

Es dauerte einen Moment, bis Werner begriff, was er sah. Westliche Männer, ja, aber mit jungen Männern an ihrer Seite. Nicht Frauen. Männer.

Sein Herz begann schneller zu schlagen.

Es war nicht so, dass er es nicht gewusst hätte. Schon seit Jahren, vielleicht schon seit Jahrzehnten, hatte er manchmal... Gedanken gehabt. Blicke auf andere Männer, Fantasien, die er sofort wieder verdrängte. In der Schule, später im Büro, beim Sport. Aber er hatte diese Gedanken nie ernst genommen, nie zugelassen. Er war verheiratet gewesen, hatte Kinder, ein normales Leben geführt.

Nach der Scheidung, allein in seinem kleinen Reihenhaus, waren diese Gedanken stärker geworden. Besonders abends, wenn die Einsamkeit am drückendsten war. Aber was sollte er damit anfangen? Mit 53 Jahren plötzlich schwul werden? Das war lächerlich.

Jetzt, 9000 Kilometer von zu Hause entfernt, in einer Stadt, in der alles möglich schien, blieb er stehen und starrte auf eine Bar mit dem Namen "@Home Bar". Im warmen Licht sah er junge Männer, die ebenfalls nummerierte Shirts trugen und mit älteren westlichen Männern sprachen.

"Erster Besuch hier?" fragte eine freundliche Stimme neben ihm.

Werner drehte sich um. Ein älterer Deutscher, etwa in seinem Alter, mit grauen Haaren und einem offenen Lächeln, stand neben ihm.

"Ich... ja..." stammelte Werner.

"Bin Klaus, aus Hamburg. Schon das fünfte Mal hier. Ist ganz entspannt, nicht so stressig wie die Hetero-Bars. Möchtest du auf ein Bier reinkommen?"

Werner zögerte. Sein Herz klopfte so laut, dass er sicher war, Klaus könnte es hören. "Ich weiß nicht... ich bin eigentlich mit einem Freund hier..."

"Der ist sicher gut beschäftigt," lächelte Klaus. "Komm schon, ein Bier schadet nicht. Du musst ja nichts machen, was du nicht willst."

Die @Home Bar war tatsächlich entspannter als die Chaos-Bars der Walking Street. Gedämpfte Musik, bequeme Sitzplätze, warmes Licht. Und die jungen Männer, die hier arbeiteten, wirkten weniger aufdringlich als die Frauen in den anderen Bars. Sie lächelten, winkten, aber ließen einen auch in Ruhe.

Klaus bestellte zwei Singha-Bier und setzte sich neben Werner an die Bar. "Warst du schon mal in so einer Bar?"

Werner schüttelte den Kopf.

"Ich auch nicht, bis vor zwei Jahren. Drei Ehen hinter mir, dann mit 55 plötzlich gemerkt, dass ich mein ganzes Leben lang etwas Wichtiges übersehen hatte." Klaus nahm einen Schluck Bier. "Hier kann man das mal ausprobieren, ohne dass es jemand zu Hause erfährt. Kein Druck, kein Drama."

Werner beobachtete die jungen Männer. Sie trugen nummerierte T-Shirts - genau wie die Frauen in den anderen Bars. Das System war offenbar das gleiche, nur die... die Ware war eine andere.

Einer der jungen Männer fiel ihm besonders auf. Schmaler als die anderen, mit einem scheuen Lächeln und eleganten, fast tänzerischen Bewegungen. Er wirkte jünger, aber nicht kindlich - eher... unschuldig? Die Nummer 17 leuchtete auf seinem engen weißen T-Shirt.

"Der gefällt dir," stellte Klaus fest, ohne dass es wie eine Anklage klang. "Das ist Phao. Kommt aus Laos, arbeitet erst seit ein paar Monaten hier. Sehr freundlich, spricht sogar etwas Deutsch. Ein früherer deutscher Kunde hat ihm mal einen Sprachkurs bezahlt."

Als sich ihre Blicke trafen, spürte Werner ein Flattern im Magen, das er seit Jahrzehnten nicht mehr gekannt hatte. Es war wie in der Schule, wenn ihm ein Junge aus der Parallelklasse gefallen hatte und er nicht gewusst hatte, warum. Nur dass er es jetzt wusste.

Phao lächelte - nicht aufdringlich wie manche der anderen, sondern fast schüchtern. Dann stand er auf und kam zu ihrem Tisch herüber.

"You... new here?" fragte er mit sanfter Stimme. Seine Worte kamen langsam, sorgfältig gewählt. "I Phoumsana. Friends say Phao."

Werner nickte, versuchte seine Nervosität zu verbergen. "I am... Werner. From Germany."

"Ah, Germany!" Phaos Gesicht hellte sich auf. "I learn little bit Deutsch. Guten Abend. Wie geht es Ihnen?"

Werner musste lächeln. Der Akzent war stark, aber die Aussprache war korrekt. "Gut, danke. Dein Deutsch ist sehr gut."

"Danke." Phao strahlte. "I practice every day. Maybe you help me practice?"

Klaus grinste und stand auf. "Ich lass euch mal allein. Viel Spaß." Er zwinkerte Werner zu und verschwand in Richtung der anderen Tische.

Werner war plötzlich allein mit Phao. Sein Herz klopfte immer noch schnell, aber die Nervosität wich einer seltsamen Ruhe. Phao setzte sich neben ihn - nicht zu nah, aber nah genug, dass Werner seinen Geruch wahrnehmen konnte. Eine Mischung aus Zitronengras und einem süßlichen Aftershave.

"First time in Thailand?" fragte Phao.

Werner nickte. "Yes. My friend brought me here. But he is... with lady now."

Phao lächelte verständnisvoll. "Many men come Thailand with friend, then find different things. Is okay. Thailand has everything for everyone."

Sie bestellten noch ein Bier und begannen zu sprechen. Die Kommunikation war ein Flickwerk aus englischen Brocken, deutschen Wörtern und viel Gestikulieren, aber irgendwie funktionierte es. Phao erzählte von seinem Dorf in Laos, Werner von seinem Leben in Deutschland. Es war erstaunlich, wie viel man verstehen konnte, ohne perfekt dieselbe Sprache zu sprechen.

"You seem sad," sagte Phao nach einer Weile. "Why sad in beautiful Thailand?"

Werner zögerte. Wie sollte er erklären, was er selbst nicht verstand? "I... I don't know what I want," sagte er schließlich.

Phao nickte, als würde er das verstehen. "Many men come here, not know what they want. Is okay. Sometimes we must try things, to know."

Er legte vorsichtig seine Hand auf Werners Arm. Die Berührung war sanft, warm, aber auch elektrisch. Werner zuckte nicht zurück.

"You want... try something new?" fragte Phao leise.

Werner schaute in seine dunklen Augen und sah dort keine Berechnung, keine Falschheit - nur eine sanfte Einladung. Zum ersten Mal seit Tagen, vielleicht seit Jahren, fühlte er sich nicht fremd.
 
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Werner schaute in seine dunklen Augen und sah dort keine Berechnung, keine Falschheit - nur eine sanfte Einladung. Zum ersten Mal seit Tagen, vielleicht seit Jahren, fühlte er sich nicht fremd.

"I... I would like that," flüsterte Werner.

Phao lächelte. "Is okay. We go slow. No pressure." Er stand auf und streckte Werner die Hand entgegen. "I show you beautiful Pattaya. Not tourist Pattaya - real Pattaya."

Werner zögerte nur einen Moment, dann ergriff er Phaos Hand. Sie war warm und überraschend weich.


Die nächsten Stunden verbrachten sie zusammen, aber nicht im Hotel, wie Werner erwartet hatte. Stattdessen führte Phao ihn durch die nächtlichen Straßen von Pattaya - zu einem kleinen Nachtmarkt, wo sie Pad Thai an einem Straßenstand aßen, zu einem Tempel, der auch nachts geöffnet war und in warmes, goldenes Licht getaucht war.

"This my favorite place," sagte Phao, als sie vor dem Tempel standen. "When work difficult, I come here. Make quiet in head."

Werner verstand. Auch er brauchte manchmal Orte der Ruhe, der Besinnung. In Deutschland war das sein kleiner Garten hinter dem Reihenhaus, wo er stundenlang Unkraut jäten konnte und dabei seine Gedanken ordnete.

Sie setzten sich auf eine Bank vor dem Tempel. Die Straße war ruhiger hier, nur gelegentlich fuhr ein Motorradtaxi vorbei. Phaos Schulter berührte Werners Arm - eine kleine, aber bedeutsame Berührung.

"Why you come Thailand?" fragte Phao.

Werner dachte nach. "My friend said I need... adventure. After divorce, I sit home every evening. Same every day. Work, home, sleep."

Phao nickte verständnisvoll. "Lonely life."

"Yes. Very lonely."

"Me too sometimes lonely. Work in bar... is not real life. Is acting. Always smile, always friendly, even when sad inside."

Es war das erste Mal, dass Phao über die Realität seiner Arbeit sprach. Werner spürte, dass das ein Vertrauensbeweis war.

"You don't like work in bar?"

Phao zuckte mit den Schultern. "Is money. My family in Laos very poor. I send money every month. Without bar work, family have no food, no medicine." Er schaute Werner an. "But with you tonight... feels different. Not work. Like... wie sagt man... date?"

Werner lächelte. "Yes, like date."

Sie saßen noch eine Weile schweigend da, dann führte Phao ihn zurück in Richtung seines Hotels. An der Rezeption trennten sich ihre Wege.

"Tomorrow you free?" fragte Phao.

Werner nickte. "My friend has other plans."

"I show you more beautiful places. Real Thailand. You like?"

"Very much."

Phao lächelte und berührte kurz Werners Hand. "I meet you here, ten o'clock morning. We have nice day."

Werner schaute ihm nach, wie er in der Nacht verschwand, schlank und elegant, die Hände in den Taschen seiner engen Jeans. Erst im Aufzug wurde ihm bewusst, dass sie den ganzen Abend über nicht über Geld gesprochen hatten.


Am nächsten Morgen wartete Dieter bereits beim Frühstück, gut gelaunt und mit einem zufriedenen Grinsen.

"Na, endlich mal ein bisschen Action gehabt?" fragte er und zwinkerte Werner zu.

Werner errötete leicht. "Wir haben nur geredet."

"Nur geredet? Werner, Mann, du bist in Thailand! Hier redet man nicht nur!" Dieter lachte. "Ach so, ich hab übrigens für heute schon Pläne. Noi zeigt mir die Gegend. Du kannst ja allein die Bars unsicher machen."

"Ich habe auch schon Pläne," sagte Werner leise.

Dieter zog die Augenbrauen hoch. "Ach? Mit wem denn?"

"Mit... einem Einheimischen. Er zeigt mir die Stadt."

"Er?" Dieter grinste noch breiter. "Na, Hauptsache du hast Spaß. Jeder wie er mag."

Um zehn Uhr wartete Phao bereits in der Hotellobby. Er trug ein sauberes weißes Hemd und dunkle Jeans, sah jünger aus als am Abend zuvor, unschuldiger. Werner spürte wieder dieses Flattern im Magen.

"Good morning, Werner," sagte Phao mit seinem sanften Lächeln. "Ready for beautiful day?"

Sie nahmen ein Songthaew - einen der bunt bemalten Sammeltaxis - und fuhren aus der Stadt heraus. Phao führte Werner zu einem kleinen Tempel auf einem Hügel, von dem aus man ganz Pattaya überblicken konnte. Dann zu einem Markt, wo Phao ihm verschiedene tropische Früchte zum Probieren kaufte. Nachmittags saßen sie an einem ruhigen Strand abseits der Touristenströme.

"Beautiful, ja?" sagte Phao und zeigte aufs Meer.

"Sehr schön," antwortete Werner, aber er schaute nicht aufs Meer, sondern auf Phao.

Sie redeten über alles und nichts. Über Phaos Familie in Laos - seine Mutter, die Witwe war, seine jüngere Schwester, die studieren wollte, aber kein Geld dafür hatte. Über Werners Kinder, die erwachsen waren und ihr eigenes Leben führten. Über Träume und Enttäuschungen.

Als die Sonne unterging, kehrten sie in die Stadt zurück. Diesmal ging Phao mit Werner in sein Hotel.

"You sure?" fragte Werner vor der Aufzugstür.

Phao nickte. "I sure. With you... feels right."

Es war Werners erste Erfahrung mit einem Mann, und er war nervös wie ein Teenager. Aber Phao war geduldig, sanft, führte ihn behutsam in eine Welt neuer Empfindungen. Später, als sie nebeneinander im Bett lagen, fühlte sich Werner vollständiger als seit Jahren.

"Thank you," flüsterte er.

Phao schmiegte sich an ihn. "I thank you too. First time for long time... feels like making love, not just sex."


So entwickelte sich eine Routine. Tagsüber waren Werner und Phao zusammen - besuchten Tempel, aßen in kleinen Restaurants, spazierten am Strand. Abends kehrten sie in Werners Hotel zurück. Dieter war meist mit Noi unterwegs und stellte keine Fragen.

Am dritten Tag ihrer... Beziehung? Werner wusste nicht, wie er es nennen sollte... saßen sie in einem Strandcafé, als Phao plötzlich nachdenklich wurde.

"Werner," begann er zögernd. "I must tell you something."

Werner spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. "What?"

Phao holte sein Handy heraus und zeigte Werner ein Foto. Eine ältere Frau mit müdem Gesicht, dünnen Haaren, in einfacher Kleidung.

"My mother," sagte Phao leise. "She very sick. Need operation. But cost too much money."

Werner schaute auf das Foto. Die Frau sah aus, als hätte das Leben hart mit ihr umgegangen. "What kind of operation?"

"Gall... how you say... Gallensteine?" Phao suchte nach dem deutschen Wort. "Doctor say must remove, or become dangerous."

Werner nickte. Er hatte selbst vor Jahren eine Gallenblasen-OP gehabt. "How much cost?"

Phao senkte den Blick. "Twenty thousand Baht. For my family, is like million Euro for you."

Etwa 550 Euro. Für Werner kein Vermögen, aber er verstand, dass es für Phaos Familie unvorstellbar viel war.

"I try save money from bar," fuhr Phao fort. "But is slow. Mother wait already three months. Doctor say, not much more time."

Werner sah die Tränen in Phaos Augen und spürte einen starken Impuls, zu helfen. Dieser junge Mann, der ihm so viel Zärtlichkeit geschenkt hatte, litt unter der Sorge um seine Mutter.

"I can help," sagte Werner spontan.

Phao schaute überrascht auf. "You help? But... is too much money."

"Not for me. I want help your mother."

Tränen liefen über Phaos Wangen. "You... you really do this? For me?"

Werner nickte. In diesem Moment wusste er nicht, ob es Liebe war, Mitleid oder einfach der Wunsch, gebraucht zu werden. Aber es fühlte sich richtig an.

Sie gingen zu einer Bank, wo Werner 20.000 Baht abhob - der Tageslimit seiner DKB-Kreditkarte. Phao zählte die bunten Scheine mit zitternden Händen.

"I never forget this," sagte er mit erstickter Stimme. "Never."

An diesem Abend war ihre Intimität intensiver als zuvor. Phao zeigte eine Leidenschaft, die Werner überraschte und überwältigte. "I love you," flüsterte Phao ins Dunkle. "I really love you."

Werner fühlte sein Herz überlaufen. "I love you too."


Die nächsten Tage vergingen wie im Rausch. Aber dann kamen weitere Hiobsbotschaften. Phaos jüngste Schwester brauchte Geld für Schulbücher - 5.000 Baht. Sein Bruder hatte einen Motorradunfall, die Reparatur kostete 8.000 Baht. Ein Onkel war krank, brauchte Medikamente - weitere 12.000 Baht.

Jedes Mal zeigte Phao Werner Fotos, Nachrichten auf seinem Handy, erklärte die Situation mit Tränen in den Augen. Und jedes Mal half Werner. Wie könnte er auch anders? Die Menschen auf den Fotos wirkten verzweifelt, arm, hilflos.

Nach zehn Tagen war Werners Kreditkartenlimit erreicht. Über 3.000 Euro hatte er ausgegeben. Als er die Summe in seiner Banking-App sah, bekam er einen Schrecken. So viel gab er normalerweise in einem halben Jahr aus.

"Is problem?" fragte Phao besorgt, als er Werners Gesichtsausdruck sah.

"No more money on card," erklärte Werner. "Must wait until next month."

Phaos Gesicht verdüsterte sich. "But my cousin in Bangkok... he have big problem. Need money quick, or..." Er machte eine Geste über den Hals.

"What kind of problem?"

"He borrow money from bad people. If not pay back tomorrow, they hurt him. Maybe kill." Phao zeigte Werner eine WhatsApp-Nachricht auf seinem Handy - Fotos von einem jungen Mann mit geschwollenem Gesicht, blutige Texte.

"How much he need?"

"Fifteen thousand Baht. I know is much, but..." Phaos Augen füllten sich wieder mit Tränen. "He is like brother for me. Only family I have except mother and sister."

Werner fühlte sich zwischen Mitleid und ersten Zweifeln hin- und hergerissen. Die Summen wurden immer größer, die Geschichten immer dramatischer. Aber die Verzweiflung in Phaos Augen schien echt.

"I can send with Western Union," sagte Werner schließlich. "But is last time. I have no more money for Thailand trip."

Phao umarmte ihn heftig. "You save his life! I love you so much!"

Sie gingen zu einem Western Union-Schalter. Werner überwies 15.000 Baht an jemanden namens Somchai in Bangkok - einen Namen, den Phao mühsam auf eine Serviette geschrieben hatte.

An diesem Abend war Phao besonders zärtlich, besonders leidenschaftlich. "You are angel," flüsterte er. "My guardian angel."


Am nächsten Morgen - dem letzten Tag vor Werners Abreise - verabredeten sie sich zum Frühstück im Hotel. Werner wartete eine Stunde, aber Phao kam nicht. Er rief ihn an, schrieb Nachrichten, aber keine Antwort.

Beunruhigt fuhr Werner zur @Home Bar. Der Barkeeper zuckte nur mit den Schultern. "Phao not come today. Maybe sick."

"Do you have his address?"

"Sorry, cannot give. Private information."

Werner verbrachte seinen letzten Tag in Thailand mit der Suche nach Phao. Er fuhr zu allen Orten, die sie zusammen besucht hatten, fragte in Restaurants und an Stränden. Nichts.

Am Abend, beim Packen, fand er in seinem Portemonnaie noch die Serviette mit Somchais Adresse in Bangkok. Auf seinem Handy war eine einzige Nachricht von Phao eingegangen: "Sorry Werner. Family emergency. Cannot meet. Have good flight. Miss you."

Dieter klopfte an die Tür. "Bereit für den Heimflug? War doch eine geile Zeit, oder?"

Werner nickte stumm. Geile Zeit? Er wusste nicht mehr, was er denken sollte.


Am Frankfurter Flughafen regnete es. Deutschland empfing ihn grau und kalt. Im Taxi nach Wuppertal starrte Werner aus dem Fenster und dachte an die warmen Nächte in Pattaya, an Phaos Lächeln, seine sanften Berührungen.

War alles nur Theater gewesen? Oder war Phao wirklich etwas zugestoßen?

Zu Hause in seinem leeren Reihenhaus setzte er sich an den Küchentisch und schaute auf sein Handy. Keine weiteren Nachrichten. Er öffnete die Banking-App: 3.847 Euro hatte ihm Thailand gekostet. Mehr als drei Monatsgehälter eines durchschnittlichen Laoten.

Aber als er an Phaos Lächeln dachte, an die Nähe, die er zum ersten Mal in seinem Leben gespürt hatte, bereute er nichts. Vielleicht war er ein Narr gewesen. Vielleicht war alles nur Geschäft gewesen. Aber für zehn Tage hatte er sich geliebt gefühlt.

Eine Woche später, als der deutsche Winter besonders grau und einsam war, kam eine WhatsApp-Nachricht von einer unbekannten Nummer:

"Werner, this is Phao. I get new phone. Miss you very much. When you come back Thailand? I wait for you always. Love you."

Werner starrte auf die Nachricht und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Vielleicht war doch nicht alles verloren. Vielleicht war Phao wirklich anders.

"MIA," murmelte er zu sich selbst. "Meiner ist anders."

Drei Wochen später buchte er seinen zweiten Flug nach Bangkok.
 

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# MIA - Meiner ist anders! (Teil 2)

*Februar 2023*

Die Hitze traf Werner wie ein Schlag, als er zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten durch die Glastüren des Suvarnabhumi Flughafens in Bangkok trat. Nach zwölf Stunden im klimatisierten Flugzeug fühlte sich die schwüle Luft wie eine vertraute Umarmung an - anders als beim ersten Mal, als alles fremd und überwältigend gewesen war.

Er blieb einen Moment stehen und zog sein Handy heraus. Diesmal hatte er vorgesorgt und sich bereits in Deutschland eine Thailand-SIM-Karte besorgt. Sofort nach dem Einschalten piepte es - eine Nachricht von Phao.

"Werner! You arrive Bangkok now? I so happy! I wait you at View Talay Resort Pattaya. Room already book for you. Take taxi, I pay driver when you come. Miss you so much!"

Werner lächelte trotz seiner Müdigkeit. Die drei Monate in Deutschland waren die längsten seines Lebens gewesen. Zurück in seinem kleinen Reihenhaus in Wuppertal, zurück zur Routine bei den Stadtbetrieben, hatte sich alles grau und leblos angefühlt. Die Erinnerung an Phaos Berührungen, sein Lächeln, ihre gemeinsamen Stunden am Strand hatten ihn durch die kalten Wintertage getragen.

Seine Schwester Karin hatte ihn für verrückt erklärt, als er von der zweiten Thailand-Reise erzählt hatte. "Werner, du kennst diesen Menschen doch gar nicht! Was, wenn er nur dein Geld will?" Aber Werner hatte alle Zweifel beiseite geschoben. Die WhatsApp-Nachrichten der letzten Wochen waren so liebevoll gewesen, so sehnsüchtig.

"I think about you every day," hatte Phao geschrieben. "Dream about you every night. When you come back, I show you more beautiful Thailand. My village maybe, you meet my family."

Das Taxi vom Flughafen nach Pattaya kostete 1.500 Baht - deutlich mehr als beim ersten Mal. "High season now," erklärte der Fahrer. "Many tourist come back after Corona. Price up little bit." Werner bezahlte ohne zu murren. Er hatte diesmal besser geplant, 2.000 Euro in bar mitgebracht und zusätzlich seine neue DKB-Kreditkarte mit erhöhtem Limit.

Die Fahrt zog sich über zwei Stunden hin. Der Verkehr war dichter als im November, die Straßen voller. Thailand war wieder richtig geöffnet, die Touristen strömten zurück. Werner beobachtete die vertraute Landschaft - Reisfelder, kleine Dörfer, Tempel - und spürte eine warme Vorfreude in der Brust.

Das View Talay Resort war deutlich gehobener als sein Hotel vom ersten Besuch. Ein moderner Komplex direkt am Strand, mit Pool und Meerblick. Werner hatte das Hotel auf Phaos Empfehlung gebucht und ihm das Geld für die Reservierung bereits per Western Union geschickt. An der Rezeption wartete bereits ein Umschlag auf ihn - von Phao.

"Welcome back Thailand, my love. I in room 417 wait for you. Key is in envelope. Room already paid. Thank you for trust me with booking. So happy you come back to me. - P."

Werner nahm den Aufzug in den vierten Stock. Sein Herz klopfte wie bei einem Teenager vor dem ersten Date. Drei Monate hatten sie sich nicht gesehen. Würde es noch dasselbe sein? Würde die Chemie noch stimmen?

Er klopfte leise an die Tür von Zimmer 417. "Phao? I'm here."

Die Tür flog auf, und da stand er - schmaler als in Werners Erinnerung, das Gesicht etwas eingefallen, aber mit dem vertrauten scheuen Lächeln, das Werner so sehr vermisst hatte.

"Werner!" Phao sprang ihm in die Arme, so heftig, dass Werner fast das Gleichgewicht verloren hätte. "You really come back! I not believe until I see you!"

Sie hielten sich minutenlang fest, dort im Türrahmen. Werner roch den vertrauten Duft von Zitronengras und süßlichem Aftershave, spürte den schmalen Körper an seinem, die Wärme, die er so sehr vermisst hatte.

"I missed you so much," flüsterte Werner ins Dunkle. "Every day."

Als sie sich lösten, sah Werner Tränen in Phaos Augen. "Me too. Every day I think, maybe he not come back. Maybe he forget me in Germany."

"Never," sagte Werner bestimmt. "I could never forget you."

Das Hotelzimmer war geräumig und hell, mit einem großen Bett und einem Balkon mit Meerblick. Werner stellte seinen Koffer ab und schaute sich um. "This is very nice. You chose well."

Phao lächelte stolz. "I research many hotels online. This one have good review and good price for you. You send right amount of money - I book best room they have."

Werner war beeindruckt. In ihren täglichen WhatsApp-Gesprächen der letzten Wochen hatte Phao sich um alles gekümmert - Hotelbuchung, Flughafentransfer organisiert, sogar Restaurant-Empfehlungen vorbereitet. "Thank you for taking care of everything. You're very thoughtful."

Sie setzten sich auf das Bett, und Werner erzählte von seinem Leben in Deutschland - der Arbeit bei den Stadtbetrieben, den grauen Wintertagen, der Einsamkeit in seinem kleinen Haus. Phao hörte aufmerksam zu, stellte Fragen, schien wirklich interessiert.

"And your family?" fragte Werner. "Your mother, the operation?"

Phaos Gesicht hellte sich auf. "She much better! Operation success! Doctor say, she can live normal life now. All thanks to you, Werner." Er griff nach Werners Hand. "My family so grateful. They want meet you, if you want."

Werner spürte eine warme Zufriedenheit. Das Geld war also wirklich für die Operation verwendet worden. Er hatte richtig geholfen.

"My sister also want say thank you," fuhr Phao fort. "She start university now, study to be teacher. Brother repair his motorbike, work again. All because you help us."

Sie verbrachten den ersten Abend in dem Restaurant des Hotels, redeten bis spät in die Nacht, liebten sich dann mit einer Intensität, die alle Zweifel der letzten Monate wegspülte. Es war noch schöner als beim ersten Mal - vertrauter, aber gleichzeitig leidenschaftlicher.

"I love you," flüsterte Phao in der Dunkelheit. "Real love. Not bar love."

"I love you too," antwortete Werner und meinte es von ganzem Herzen.

---

Die nächsten Tage vergingen wie im Traum. Phao zeigte Werner Orte, die er beim ersten Besuch nicht gesehen hatte - versteckte Tempel in den Bergen, einsame Strände, kleine Dörfer, wo die Zeit stehengeblieben schien. Sie aßen in Straßenküchen, badeten in warmen Quellen, saßen stundenlang am Strand und schauten den Sonnenuntergängen zu.

"Thailand so beautiful with you," sagte Phao, als sie auf einem Felsen am Dong Tan Beach saßen. "Before, I see only tourist Thailand. Now I see my country with your eyes."

Werner verstand, was er meinte. Thailand durch Phaos Augen zu sehen war anders, als wenn man nur die Bars und Hotels kannte. Es war ein Land voller Schönheit, Tradition und warmherziger Menschen.

Am fünften Tag bestätigte sich etwas, worüber sie in den letzten Wochen oft gesprochen hatten.

"Werner," sagte Phao, als sie in einem Strandcafé ihren Kaffee tranken. "You remember we talk about my work? I really do it now."

Werner nickte lächelnd. "You quit the bar job. How is the hotel work going?"

Phao strahlte. "Good! Is different work - I clean rooms in hotel in Jomtien. Housekeeping. Pay much less than bar, but..." Er suchte nach den richtigen Worten. "Is clean work. Honest work. I feel good about myself."

Werner war stolz auf diese Entscheidung, die sie über Wochen hinweg besprochen hatten. Als Phao ihm zum ersten Mal davon erzählt hatte - per WhatsApp, spät in der Nacht - hatte Werner ihn ausdrücklich ermutigt. "Good for you! I support this decision completely."

"You really support?" hatte Phao damals gefragt. "But I make less money. Cannot send so much to family."

"I help with that," hatte Werner sofort geantwortet. "Your dignity is more important than money."

Seit seinem Jobwechsel vor einem Monat schickte Werner monatlich 300 Euro extra, um das Gehaltsdefizit auszugleichen. Es war ihm wichtig, dass Phao nicht aus finanzieller Not in die Bar zurückkehren musste.

"My family understand," sagte Phao jetzt. "They proud I have honest work now. And with your help, we still have enough money."

"I'm proud of you too," sagte Werner mit warmer Stimme. "This was the right decision."

Sie umarmten sich, dort im Café, vor allen Leuten. Werner war das egal. Er war stolz auf diesen jungen Mann, der für ihre Beziehung Opfer gebracht hatte.

---

Aber dann, am siebten Tag, kam der erste Rückschlag. Phao erhielt einen Anruf, während sie gerade am Pool lagen. Er sprach schnell und aufgeregt auf Laotisch, sein Gesicht wurde immer besorgter.

"What's wrong?" fragte Werner, als das Gespräch beendet war.

Phao schaute betrübt drein. "My sister... she have problem at university. She must pay special fee for final exam, or they not let her graduate."

Werner runzelte die Stirn. "What kind of fee?"

"Is... how you say... corruption. Teacher want extra money. 25.000 Baht. If she not pay, all her study for nothing."

Das waren etwa 700 Euro. Viel Geld für eine arme Familie aus Laos, aber Werner konnte es sich leisten. Und wenn Phaos Schwester wirklich kurz vor dem Abschluss stand...

"I can help," sagte Werner.

Phao schüttelte heftig den Kopf. "No, no! I not ask you for money! I find other way."

"How? You said your hotel job doesn't pay much."

Tränen stiegen in Phaos Augen auf. "Maybe I must work in bar again. One month, make quick money for sister."

Die Vorstellung, dass Phao wieder in die @Home Bar zurückkehren würde, zu anderen Männern, war für Werner unerträglich. "No. I'll give you the money. Your sister's education is important."

"You sure? Is much money..."

"I'm sure. We're together now. Your family problems are my problems too."

Sie gingen zu einer Bank, wo Werner 25.000 Baht abhob. Phao zählte die Scheine mit zitternden Händen.

"I pay you back," sagte er. "Maybe not quick, but I pay back every Baht."

"You don't have to pay back. I do this because I love you."

Phao warf sich in seine Arme. "You save my sister's future! How I can thank you?"

An diesem Abend war ihre Intimität besonders intensiv. Phao zeigte eine Dankbarkeit, die Werner gleichzeitig bewegte und etwas unbehaglich machte. War das noch Liebe, oder fühlte sich Phao verpflichtet?

---

Die zweite Woche ihrer Zeit zusammen verlief ruhiger. Sie machten einen Ausflug nach Bangkok, besuchten die Tempel und Märkte der Hauptstadt. Phao war ein ausgezeichneter Führer, kannte sich überall aus, handelte für Werner die besten Preise aus.

In einem Café in Bangkok, während sie Pad Thai aßen und Singha-Bier tranken, brachte Phao ein Thema zur Sprache, das Werners Herz höher schlagen ließ.

"Werner," begann er vorsichtig. "I think about future. About us."

"What about us?"

"You live in Germany. I live in Thailand. Is difficult for love."

Werner hatte darüber auch nachgedacht. "Yes, is difficult."

"Maybe... maybe I can come to Germany? Visit you?"

Werner schaute ihn überrascht an. "You want come to Germany?"

Phao nickte eifrig. "I want see your country. See your house, your life. Meet your friends." Er zögerte. "Maybe, if you want, I can stay little bit? Learn German language, find work?"

Die Vorstellung, Phao in Deutschland zu haben, war verlockend und beängstigend zugleich. "But visa... is very difficult for Thai people."

"Laos people," korrigierte Phao sanft. "But yes, difficult. Need invitation letter, bank guarantee, many papers."

Werner dachte nach. Es war möglich - er hatte im Internet schon recherchiert, nach seinem ersten Thailand-Besuch. Als deutscher Staatsbürger konnte er eine Verpflichtungserklärung abgeben, Phao für drei Monate nach Deutschland einladen.

"If you really want," sagte Werner langsam, "I can try. Make invitation letter, send documents."

Phaos Augen leuchteten auf. "Really? You do this for me?"

"Of course. I want you to see my life too."

Sie begannen sofort zu planen. Phao würde zurück nach Laos reisen müssen, um bei der deutschen Botschaft in Vientiane einen Antrag zu stellen. Werner würde alle nötigen Papiere vorbereiten - Gehaltsnachweise, Einladungsschreiben, Verpflichtungserklärung.

"Will take maybe two, three months," sagte Phao. "But then I come to Germany, see snow!"

Werner lachte. "In summer there's no snow. But I show you mountains, rivers, castles."

"I not understand, but I trust you," lächelte Phao.

---

Am letzten Abend vor Werners Abreise saßen sie wieder am Dong Tan Beach, schauten auf das Meer hinaus. Die Lichter von Pattaya blinkten in der Ferne, aber hier war es ruhig, friedlich.

"These two weeks were most beautiful of my life," sagte Phao leise.

"For me too," antwortete Werner. "But it's not ending. It's beginning."

"You really think I can come to Germany?"

"I'm sure. We'll make it work."

Phao lehnte sich an Werners Schulter. "I scared little bit. Germany so different from Thailand. What if I not like? What if your friends not like me?"

"My friends will love you," sagte Werner, obwohl er nicht sicher war. Die meisten seiner Kollegen bei den Stadtbetrieben wussten nicht einmal, dass er schwul war. "And if you don't like Germany, you can always come back to Thailand."

"But I think I like," sagte Phao mit einem scheuen Lächeln. "Because you there."

Sie machten Pläne für die Zukunft. Werner würde sofort nach seiner Rückkehr mit den Visa-Formalitäten beginnen. Phao würde Laotisch-Unterricht nehmen, um seine Muttersprache zu verbessern - das würde ihm bei der Botschaft helfen. Sie würden täglich über WhatsApp kommunizieren.

"When you in Germany, we can marry," sagte Phao plötzlich.

Werner verschluckte sich an seinem Bier. "Marry?"

"Is possible, yes? Two men marry in Germany?"

"Yes, it's possible. But... are you sure? Marriage is very serious."

Phao schaute ihm direkt in die Augen. "I never more sure about something. I want be your husband, Werner. Forever."

Werner fühlte Tränen aufsteigen. "I want that too."

Sie küssten sich, dort am Strand, während die Wellen ans Ufer rollten und die Sterne über ihnen funkelten. Es war ein Versprechen, ein Schwur für die Zukunft.

---

Der Abschied am nächsten Morgen war schwerer als beim ersten Mal, aber auch hoffnungsvoller. Werner hatte Phao weitere 500 Euro für die Reise nach Laos und die Visa-Gebühren gegeben. Diesmal war es kein schlechtes Gewissen, sondern eine Investition in ihre gemeinsame Zukunft.

"I will miss you every day," sagte Phao am Flughafen und hielt Werners Hände fest.

"Me too. But it's only a few months. Then you'll be in Germany, and we'll never have to say goodbye again."

"Promise?"

"Promise."

Im Flugzeug nach Frankfurt saß Werner am Fenster und schaute auf Thailand hinab, das unter ihm kleiner wurde. In seiner Tasche hatte er Dutzende von Fotos - von ihm und Phao an verschiedenen Orten, lächelnd, glücklich, verliebt. Diesmal hatte er Gewissheit: Das war keine Urlaubsromanze. Das war Liebe.

Zu Hause in Wuppertal begann er sofort mit den Vorbereitungen. Er informierte sich bei der Ausländerbehörde über die Verpflichtungserklärung, sammelte seine Gehaltsnachweise, setzte ein ausführliches Einladungsschreiben auf. Parallel dazu suchte er bereits nach Deutschkursen in Wuppertal, kaufte ein Wörterbuch Deutsch-Laotisch, plante, wie er sein kleines Reihenhaus für zwei Personen einrichten würde.

Seine Schwester schüttelte noch immer den Kopf. "Werner, du rennst sehenden Auges ins Unglück. Du kennst diesen Mann doch gar nicht richtig!"

Aber Werner ließ sich nicht beirren. Jeden Abend telefonierte er stundenlang mit Phao über WhatsApp. Sie planten ihre Zukunft, träumten von ihrer gemeinsamen Zeit in Deutschland, von einer möglichen Hochzeit.

"MIA," murmelte Werner eines Abends, als er allein in seinem Wohnzimmer saß und auf das Foto von sich und Phao am Strand schaute. "Meiner ist anders."

Und diesmal war er sich sicher, dass es stimmte. Phao hatte seinen Job in der Bar aufgegeben, wollte nach Deutschland kommen, sprach von Heirat. Das machte man nicht für Geld. Das machte man nur aus Liebe.

In drei Monaten, so hofften sie, würde Phao in Deutschland sein. Dann würde ihre wahre Beziehung beginnen - nicht mehr nur zwei Wochen Urlaub im Jahr, sondern ein ganzes Leben zusammen.

Werner konnte es kaum erwarten.
 

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# MIA - Meiner ist anders! (Teil 3)

*März 2023*

Der Bus von Vientiane nach Phaos Heimatdorf brauchte acht Stunden über holprige Landstraßen. Phao saß am Fenster und schaute auf die vertraute Landschaft seiner Kindheit - Reisfelder, so weit das Auge reichte, kleine Holzhäuser auf Stelzen, Wasserbüffel, die träge durch die Sümpfe wanderten. Nach fast einem Jahr in Thailand fühlte es sich seltsam an, wieder hier zu sein.

Sein Rucksack war voller Geschenke - neue Kleidung für seine Mutter, Spielzeug für die Kinder seiner Schwester, ein Smartphone für seinen Bruder. Alles bezahlt von dem Geld, das Werner ihm für die Reise geschickt hatte. 500.000 Kip - mehr, als seine Familie in drei Monaten verdiente.

Das Dorf hatte sich kaum verändert. Dieselben staubigen Straßen, dieselben Hühner, die frei herumliefen, derselbe Geruch nach Holzfeuer und Fischsauce. Aber Phao fühlte sich verändert. Die Monate in Thailand, die Zeit mit Werner, hatten ihn zu einem anderen Menschen gemacht.

Seine Mutter erwartete ihn bereits vor der kleinen Holzhütte, die er als Kind sein Zuhause genannt hatte. Sie war dünner geworden, aber ihre Augen strahlten, als sie ihn sah.

"Phoumsana!" Sie umarmte ihn fest. "Du siehst gut aus. Gesund und stark."

---

Die ersten Tage verbrachte Phao damit, seiner Familie die große Neuigkeit mitzuteilen: Werner wollte ihn nach Deutschland holen.

"Deutschland!" Seine Schwester Kham sprang auf, die Augen glänzend vor Aufregung. "Werner holt dich wirklich nach Deutschland?"

Seine Mutter kam näher, griff nach Phaos Händen. "Ist das wahr? Der Mann, der uns geholfen hat - er will dich nach Deutschland bringen?"

Die Familie kannte Werner bereits seit Monaten, nicht persönlich, aber durch seine Großzügigkeit. Zuerst die 600.000 Kip für die Gallenblasen-Operation seiner Mutter, dann die monatlichen 800.000 Kip, die das Leben der ganzen Familie verändert hatten. Aus der ärmsten Familie im Dorf waren sie zu einer der respektierten geworden.

"Wie viel Geld kannst du in Deutschland verdienen?" fragte sein Bruder Bounmy sofort, die Augen voller Gier. "Deutsche verdienen doch 80.000.000 Kip im Monat!"

"Wenn du in Deutschland arbeitest," sagte seine Mutter aufgeregt, "kannst du uns viel mehr Geld schicken! Vielleicht 1.200.000 Kip jeden Monat? Oder 2.500.000?"

Phao spürte den vertrauten Druck. Die Familie hatte bereits angefangen zu rechnen, Pläne zu machen. Seine Schwester wollte ein neues Haus bauen, sein Bruder ein Geschäft eröffnen, seine Cousins träumten von Motorrädern.

"Kannst du Werner nicht heiraten?" fragte seine Mutter plötzlich. "Dann kannst du sicher für immer bleiben!"

Phao verschluckte sich fast. "Heiraten? Mama..."

"In Deutschland ist das möglich, oder?" Seine Mutter zuckte mit den Schultern, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. "Dann bekommst du deutschen Pass! Dann kannst du uns alle nach Deutschland holen!"

Bounmy nickte eifrig. "Ja! Und wenn Werner reich ist, kann er auch für uns Visa machen!"

Phao seufzte innerlich. Für seine Familie war Werner nur eine Geldquelle, ein Weg aus der Armut. Dass es Liebe zwischen ihnen gab, dass Werner ein guter Mensch war, der ihn respektierte - das interessierte sie nicht.

---

Am zweiten Abend, als Mutter und Bounmy bereits schliefen, setzte sich Kham zu Phao vor die Hütte. Sie war drei Jahre älter als er, hatte selbst zwei Jahre in Thailand gearbeitet - angeblich in einem Hotel in Pattaya, angeblich als Masseurin.

"Ich weiß, was du wirklich gemacht hast," sagte sie leise auf Laotisch. "In Pattaya."

Phao erstarrte. "Was meinst du?"

"Ich war auch dort, Bruder. Ich weiß, wie es ist. Die Bars, die Männer, das Geld." Ihre Stimme war ohne Vorwurf, nur müde. "Ich habe auch in einem 'Hotel' gearbeitet. Massagen gegeben. Spezielle Massagen."

Sie schwiegen eine Weile. Der Mond schien durch die Palmblätter, irgendwo bellte ein Hund.

"Dieser Werner," fuhr Kham schließlich fort, "er ist anders, ja? Nicht wie die anderen Kunden?"

Phao nickte langsam. "Er ist... gut zu mir. Nicht nur Geld. Er kümmert sich um mich. Fragt, wie es mir geht. Macht sich Sorgen."

"Das ist selten," sagte Kham bitter. "Die meisten wollen nur das eine. Dann zahlen und vergessen." Sie schaute ihn an. "Du hast Glück gefunden, kleiner Bruder. Halte es fest."

"Mama und Bounmy..."

"Wissen nichts. Denken, wir haben wirklich in Hotels gearbeitet, normale Arbeit." Kham lächelte traurig. "Ist besser so. Sie können träumen von unserem Erfolg, ohne die Wahrheit zu kennen."

Phao dachte an Werner, an ihre gemeinsamen Abende am Strand, an die Art, wie Werner ihn ansah - nicht wie einen Gegenstand, sondern wie einen Menschen. "Er sagt, er liebt mich."

"Glaubst du ihm?"

"Ja. Ich glaube, es ist echt. Anders als... anders als die Arbeit."

Kham nickte verständnisvoll. "Dann geh. Tu, was gut für dich ist. Nicht was die Familie will." Sie griff nach seiner Hand. "Ich habe den Fehler gemacht - bin nach Thailand gegangen nur für sie, habe meinen Körper verkauft für sie. Du hast die Chance auf etwas Echtes. Nimm sie."

"Aber die Erwartungen..." Phao seufzte. "Sie denken, in Deutschland wird alles einfach. Millionen von Kip jeden Monat."

"Ich weiß. Bounmy hat schon kalkuliert - wenn du 2.500.000 Kip pro Monat schickst, kann er ein Geschäft eröffnen. Mama will ein neues Haus. Das ganze Dorf redet bereits über unser 'Glück'."

Sie umarmten sich im Dunkeln, zwei Geschwister, die beide zu viel gesehen hatten, zu früh erwachsen geworden waren.

---

Der Dorfvorsteher kam am dritten Tag vorbei, gefolgt von mehreren Dorfältesten. Die Nachricht von Phaos Deutschland-Plänen hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.

"Phoumsana wird nach Deutschland gehen," verkündete seine Mutter stolz vor der versammelten Runde. "Er wird reich werden und unserem ganzen Dorf helfen!"

Die Männer nickten anerkennend. "Deutschland ist das reichste Land der Welt," sagte der Vorsteher feierlich. "Wenn du dort arbeitest, musst du an dein Dorf denken. An deine Wurzeln."

Ein alter Mann, der Respekt der Gemeinschaft genoss, beugte sich vor. "Mein Enkel ist klug, kann gut rechnen. Vielleicht kann er auch nach Deutschland?"

"Und meine Tochter," rief eine Frau aus der Menge. "Sie spricht etwas Englisch!"

Binnen Minuten hatte sich eine ganze Liste gebildet. Jeder hatte jemanden, der nach Deutschland kommen sollte. Phao fühlte sich erdrückt von den Erwartungen.

"Es ist nicht so einfach," sagte er schwach. "Werner kann nicht für alle Visa machen."

"Warum nicht?" Bounmy wurde lauter. "Deutsche sind reich! Was sind schon ein paar Visa für sie?"

Der Dorfvorsteher nickte zustimmend. "Du wirst unser Botschafter in Deutschland sein, Phoumsana. Du öffnest die Tür für alle anderen."

---

In den folgenden Tagen wurde Phao wie ein Held behandelt. Nachbarn brachten ihm kleine Geschenke, Kinder folgten ihm neugierig, alte Frauen segneten ihn beim Vorbeigehen. Das ganze Dorf lebte plötzlich von der Hoffnung auf Deutschland.

Aber der Druck wurde immer größer. Seine Mutter gab bereits Geld aus, das er noch nicht geschickt hatte, kaufte auf Kredit ein, erzählte den Nachbarn von ihren Plänen für das neue Haus.

"Du musst Werner erklären, dass wir eine gute Familie sind," drängte sie jeden Abend. "Dass wir hart arbeiten. Wenn er dich nach Deutschland holt, kann er auch uns holen."

Bounmy hatte unterdessen einen detaillierten Businessplan entwickelt. "Wenn du 2.500.000 Kip pro Monat schickst, können wir in einem Jahr ein Geschäft eröffnen. In zwei Jahren sind wir die reichste Familie im Dorf!"

Phao versuchte zu erklären, dass Deutschland nicht so funktionierte, dass man nicht einfach unbegrenzt Geld verdienen konnte. Aber niemand hörte zu. Die Träume waren zu verlockend, die Hoffnungen zu groß.

Nur Kham verstand seine Zerrissenheit. Abends, wenn die anderen schliefen, saßen sie zusammen und sprachen über die Realität.

"Sie sehen nur das Geld," sagte Kham leise. "Nicht dich. Nicht das, was du durchgemacht hast, um hierher zu kommen."

"Ich fühle mich wie ein Betrüger," gestand Phao. "Sie denken, ich bin erfolgreich. Aber ich weiß, was ich wirklich getan habe."

"Du hast überlebt," sagte Kham bestimmt. "Du hast einen Weg gefunden, der Familie zu helfen. Und jetzt hast du die Chance auf ein echtes Leben. Das ist mehr, als die meisten von uns haben."

---

Eine Woche später kam das DHL-Paket aus Deutschland. Der ganze Ort versammelte sich, als der Postbote kam - ein Ereignis, das es in diesem abgelegenen Dorf vielleicht einmal im Jahr gab.

Mit zitternden Händen öffnete Phao den dicken Umschlag. Offizielle Dokumente auf Deutsch, Fotos, ein handgeschriebener Brief von Werner.

"Was steht da?" fragte seine Mutter aufgeregt.

Phao übersetzte: "Werner lädt mich ein, nach Deutschland zu kommen. Er will mir sein Land zeigen, seine Kultur."

Die Fotos wurden herumgereicht - Werners Haus mit dem gepflegten Garten, deutsche Schlösser, saubere Straßen, der Kölner Dom. Die Dorfbewohner starrten fasziniert auf diese Bilder einer anderen Welt.

"So reich," flüsterte jemand. "Alles so sauber."

"Und das wird Phaos neues Zuhause," sagte seine Mutter stolz.

Der handgeschriebene Brief von Werner war das Kostbarste für Phao. Drei Seiten, in denen Werner ihre gemeinsame Zukunft malte, die Orte beschrieb, die sie besuchen würden, die Hoffnung ausdrückte, dass Phao sich in Deutschland wohlfühlen würde.

"Er schreibt wie jemand, der dich wirklich liebt," sagte Kham später, als sie den Brief gemeinsam lasen.

"Ja," sagte Phao leise. "Ich glaube, er meint es ernst."

---

Die Vorbereitungen für die Reise nach Vientiane begannen sofort. Die deutsche Botschaft erwartete Phao in einer Woche. Bounmy organisierte die Busfahrt, seine Mutter packte ihm die besten Kleider ein, die sie hatten.

"Du musst gut aussehen," sagte sie nervös. "Die Deutschen müssen sehen, dass du aus einer guten Familie kommst."

Am Abend vor der Abreise saß Phao noch einmal vor der Hütte seiner Kindheit. Morgen würde er aufbrechen zu einem Termin, der sein Leben für immer verändern könnte. In ein paar Wochen könnte er in Deutschland sein, bei Werner, in einer Welt, die er sich kaum vorstellen konnte.

"Hast du Angst?" fragte Kham, die sich zu ihm gesellt hatte.

"Ja," gab Phao zu. "Was, wenn sie mir kein Visa geben? Was, wenn Werner sich doch anders entscheidet? Was, wenn ich in Deutschland nicht glücklich werde?"

"Und was, wenn alles gut wird?" lächelte Kham. "Was, wenn du endlich das Leben bekommst, das du verdienst?"

Sie schauten gemeinsam in den sternenklaren Himmel über Laos. Irgendwo da draußen, 9000 Kilometer entfernt, wartete Werner. Und mit ihm eine Zukunft, die Phao sich noch nicht einmal zu träumen gewagt hatte.

"MIA," murmelte er leise auf Deutsch - eines der wenigen deutschen Wörter, die er kannte, das Werner ihm beigebracht hatte. "Meiner ist anders."

Am nächsten Morgen würde seine Reise beginnen. Zu Werner, nach Deutschland, in ein neues Leben. Oder zurück in die Enttäuschung, falls die Botschaft nein sagte.

Er konnte nur hoffen und darauf vertrauen, dass Werner wirklich anders war als alle anderen.
 

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# MIA - Meiner ist anders! (Teil 4)

*April 2023*

Werner saß an seinem Küchentisch in Wuppertal und starrte auf sein Handy. Seit drei Tagen hatte er nichts von Phao gehört - keine WhatsApp, kein Anruf. Das letzte, was er wusste, war, dass Phao nach Vientiane gefahren war für den Botschaftstermin.

Das Warten war die Hölle. Werner hatte versucht, sich mit Arbeit abzulenken, aber bei den Stadtbetrieben lief er wie ein Geist herum. Seine Kollegen merkten, dass etwas nicht stimmte.

"Urlaub gebucht?" hatte Klaus aus der Personalabteilung gescherzt. "Du siehst aus, als würdest du auf was Großes warten."

Wenn er wüsste, dachte Werner.

Um 14:30 Uhr - er war gerade von der Mittagspause zurück - vibrierte sein Handy. Eine WhatsApp von Phao.

"Werner! I at German embassy today! Very scary but I think okay!"

Werner sprang fast von seinem Stuhl auf. Mit zitternden Fingern tippte er zurück: "How was it? What did they ask?"

Die Antwort kam nach ein paar Minuten: "Many questions. They ask why you invite me. I say you my friend from Thailand, you want show me Germany. I say I work in hotel, want learn about German culture. They ask about money, I show your invitation letter and papers."

Werner atmete erleichtert auf. Das klang gut.

"They ask how long I know you. I say since November. They ask what we do together in Thailand. I say you lonely, I show you my country, now you want show me your country. Like... how you say... cultural exchange."

Cultural exchange. Das war gut. Intelligent. Werner war stolz auf Phao.

"What happens now?"

"I must wait 14 days. They check all papers, maybe call you to ask questions. I stay in Vientiane hotel and wait. Very expensive city but I cannot go home and come back."

Werner verstand sofort. Phaos Dorf war acht Stunden entfernt. Wenn die Botschaft anrief oder weitere Dokumente brauchte, musste er erreichbar sein.

"I send money for hotel. How much you need?"

"Hotel cost 150.000 Kip per night. Food maybe 100.000 Kip per day. For 14 days... maybe 3.500.000 Kip total."

Werner rechnete schnell um. Etwa 350 Euro für zwei Wochen. Kein Problem.

"I send 400 Euro today. You take care of yourself. Everything will be okay."

"Thank you Werner. I so nervous. What if they say no?"

"They won't say no. Our documents are perfect. Our story is true. Just wait and be patient."

---

Am Abend rief Werner seinen alten Schulfreund Dieter an. Sie hatten sich seit der Thailand-Reise nur sporadisch gesehen, aber Dieter war der einzige, der die ganze Geschichte kannte.

"Werner! Wie läuft's mit deinem Thai-Boy?" Dieter lachte am anderen Ende der Leitung.

"Laote," korrigierte Werner automatisch. "Und er war heute bei der deutschen Botschaft. Für das Visum."

"Ach so, du ziehst das wirklich durch! Respekt, Mann. Ich dachte, das wäre nur eine Urlaubsspinnerei."

Werner setzte sich in seinen Sessel. "Es ist ernst, Dieter. Ich... ich glaube, ich liebe ihn wirklich."

Eine kurze Stille. Dann: "Werner, ich will dir nicht zu nahe treten, aber... bist du sicher, dass das nicht nur Einsamkeit ist? Du warst so lange allein nach der Scheidung."

"Ich war auch einmal verheiratet, Dieter. Ich weiß, wie sich Liebe anfühlt. Das hier ist anders, aber... es ist echt."

Dieter seufzte. "Na gut. Und was passiert, wenn er hierherkommt?"

"Er bleibt drei Monate. Lernt Deutschland kennen, lernt Deutsch. Dann sehen wir weiter."

"Und dann? Heiratet ihr?"

Werner zögerte. "Vielleicht. Wenn alles gut läuft."

"Werner..." Dieters Stimme wurde ernst. "Ich kenne mich in Thailand aus. Diese Jungs sind Profis. Sie wissen genau, was sie sagen müssen, wie sie sich verhalten müssen."

"Phao ist anders."

"Das sagen alle, Werner. MIA - Meiner ist anders. Das ist der Klassiker."

Aber Werner ließ sich nicht beirren. "Du kennst ihn nicht. Du hast nicht gesehen, wie er mit mir war. Das kann man nicht spielen."

Nach dem Gespräch blieb Werner nachdenklich zurück. Hatte Dieter recht? War er nur ein weiterer naiver Deutscher, der auf einen geschickten Bar Boy hereinfiel?

---

Zwei Tage später rief Werner seine Schwester Kathrin an. Sie war Lehrerin in Düsseldorf, geschieden wie er, aber mit zwei Kindern. Eine vernünftige Frau, die ihm normalerweise gute Ratschläge gab.

"Werner, ich muss dir was erzählen," begann er vorsichtig.

"Nur zu. Du klingst so geheimnisvoll."

"Ich habe jemanden kennengelernt. In Thailand."

"Oh." Kathrins Stimme wurde vorsichtig. "Eine Thailänderin?"

"Einen Laoten. Einen Mann."

Stille. Dann: "Ach so. Okay. Das... das erklärt einiges."

"Was soll das heißen?"

"Werner, ich habe mich schon lange gefragt, warum du nach der Scheidung keine Frau mehr hattest. Du bist ein guter Mann, siehst ordentlich aus, hast einen soliden Job. Dass du schwul bist... das macht Sinn."

Werner war überrascht von ihrer gelassenen Reaktion. "Du bist nicht schockiert?"

"Werner, es ist 2023. Außerdem warst du schon in der Ehe nicht gerade... leidenschaftlich. Erinnerst du dich an meine Hochzeit? Du hast die ganze Zeit auf den Kellner geschaut, nicht auf die Brautjungfern."

Tatsächlich erinnerte sich Werner daran. Der blonde Kellner mit den freundlichen Augen...

"Wie auch immer," fuhr Kathrin fort. "Erzähl mir von ihm."

Werner erzählte - von der ersten Begegnung in der @Home Bar, von ihren gemeinsamen Tagen in Thailand, von Phaos Entscheidung, die Bar zu verlassen, von ihren Plänen für Deutschland.

"Und wie alt ist er?" fragte Kathrin schließlich.

"24."

"Werner! Du bist 58! Das ist ein Altersunterschied von 34 Jahren!"

"Ich weiß. Aber Alter ist nur eine Zahl. Wir verstehen uns, auch ohne viele Worte."

Kathrin seufzte. "Werner, ich freue mich, dass du endlich weißt, wer du bist. Aber sei vorsichtig. Diese jungen Männer aus armen Ländern... die haben oft andere Motive."

"Nicht Phao. Er ist anders."

"Das hoffe ich für dich, Werner. Wirklich."

---

Die nächsten Tage vergingen quälend langsam. Werner und Phao schrieben täglich über WhatsApp. Phao schickte Fotos aus Vientiane - den Mekong, Tempel, Märkte. Er schien die Zeit zu nutzen, um die Hauptstadt seines Landes kennenzulernen.

"Vientiane very different from my village," schrieb er. "Many cars, big buildings. But still not like Germany, I think."

"No, Germany is very different. But beautiful in its own way. You will see."

Werner überwies regelmäßig Geld - für das Hotel, für Essen, für kleine Ausflüge. Insgesamt schon über 500 Euro in zwei Wochen. Aber er machte es gerne. Phao war allein in einer fremden Stadt, wartete auf eine Entscheidung, die beide Leben verändern würde.

Am zehnten Tag kam eine beunruhigende Nachricht: "Werner, embassy call me today. They want more documents. Copy of your house papers, more photos of us together. Can you send quick?"

Werner rannte sofort zum Kopierladen, scannte seine Grundbuchextrauszüge, den Kaufvertrag seines Reihenhauses, weitere Fotos von ihrer gemeinsamen Zeit. Alles per E-Mail an Phao, der es ausdruckte und noch am selben Tag zur Botschaft brachte.

"They very careful," schrieb Phao abends. "Ask many questions about your house, your work, why you can pay for me. I think they afraid I not come back to Laos."

Das war der Punkt, der Werner auch Sorgen machte. Würde Phao nach drei Monaten wirklich zurück nach Laos gehen? Oder würde er versuchen, illegal in Deutschland zu bleiben? Die Beamtin bei der Ausländerbehörde hatte ihn gewarnt.

Aber Werner verdrängte diese Gedanken. Er vertraute Phao. Er musste ihm vertrauen.

---

Am vierzehnten Tag, einem Freitag, kam der erlösende Anruf. Werner war gerade beim Mittagessen in der Kantine der Stadtbetriebe, als sein Handy klingelte.

"Werner! I get visa! I get visa!" Phaos Stimme überschlug sich vor Aufregung.

Werner stand so abrupt auf, dass er fast seinen Stuhl umgeworfen hätte. Seine Kollegen schauten ihn verwundert an.

"Really? You got it?"

"Yes! Three months, valid from May 1st! I can come to Germany!"

Werner verließ die Kantine, ging auf den Parkplatz, wo er ungestört sprechen konnte. "I'm so happy! When can you travel?"

"I must go back to village first, say goodbye to family. Then I can fly. Maybe in one week?"

"I book flight for you immediately. Vientiane to Frankfurt, best connection."

Werner war euphorisch. Nach Monaten der Planung, Wochen des Wartens war es endlich soweit. Phao würde kommen. Nach Deutschland. Zu ihm.

Noch am selben Nachmittag saß er am Computer und suchte Flüge. Die Verbindungen von Vientiane nach Deutschland waren kompliziert - meist über Bangkok oder Doha. Er fand einen guten Flug für den 5. Mai: Vientiane - Bangkok - Doha - Frankfurt. 22 Stunden Reisezeit, aber direkte Verbindung. 847 Euro.

Er buchte sofort und schickte Phao die Bestätigung.

"So expensive flight!" schrieb Phao zurück. "You spend so much money for me."

"You are worth it. I can't wait to see you."

---

Die letzte Woche vor Phaos Ankunft verging wie im Flug. Werner putzte sein Haus von oben bis unten, kaufte neue Bettwäsche, räumte das Gästezimmer ein. Er ging zum Friseur, kaufte neue Kleidung, wollte gut aussehen für Phao.

Seine Kollege bei den Stadtbetrieben merkten seine Aufregung. "Besuch aus dem Ausland?" fragte seine Kollegin Petra aus der Buchhaltung.

"Ja, ein... ein Freund aus Laos. Bleibt drei Monate."

"Laos? Wow, das ist exotisch. Geschäftlich?"

"Nein, privat. Er möchte Deutschland kennenlernen."

Werner hatte beschlossen, offen mit der Situation umzugehen, ohne zu viele Details zu verraten. Seine Kollegen mussten ja nicht wissen, dass es eine romantische Beziehung war.

Am 4. Mai, dem Abend vor Phaos Abflug, telefonierten sie lange über WhatsApp.

"I so nervous," gestand Phao. "Germany so far away. What if I not like? What if your friends not like me?"

"You will like it. And my friends will love you. You are a good person, Phao. Just be yourself."

"My family so excited. They think I become rich in Germany, send much money home."

Werner spürte einen Stich. Die Familie. Die Erwartungen. "We talk about that when you here. Most important is that you happy."

"I happy when I with you, Werner. Distance so hard. But tomorrow... tomorrow we together again."

---

Am 5. Mai stand Werner um 4 Uhr morgens auf. Phaos Flug landete um 14:20 Uhr in Frankfurt, aber Werner war zu nervös, um länger zu schlafen. Er duschte ausgiebig, zog sein bestes Hemd an, aß ein kleines Frühstück.

Die Fahrt zum Frankfurter Flughafen dauerte zwei Stunden. Werner war viel zu früh da, lief unruhig in der Ankunftshalle herum, checkte alle paar Minuten den Flugstatus auf den Monitoren.

"Qatar Airways QR 068 aus Doha - pünktlich gelandet 14:18."

Werners Herz schlug bis zum Hals. Jetzt musste Phao nur noch durch die Passkontrolle, das Gepäck holen, durch den Zoll. Noch eine halbe Stunde, vielleicht eine Stunde.

Er stellte sich vor die Absperrung, wartete mit Dutzenden anderen Menschen, die auf Ankommende warteten. Familien mit Willkommensschildern, Taxifahrer mit Namensschildern, Geschäftsleute mit Smartphones.

Dann, nach 45 Minuten quälenden Wartens, öffneten sich die Türen der Ankunftshalle. Die ersten Passagiere kamen heraus, zogen ihre Koffer hinter sich her, schauten suchend umher.

Werner hielt den Atem an. Da - ein vertrautes Gesicht in der Menge. Schmaler als in seiner Erinnerung, müde von der langen Reise, aber mit dem scheuen Lächeln, das er so sehr vermisst hatte.

"Phao!" rief er und winkte.

Phaos Gesicht hellte sich auf, als er Werner sah. Er ließ seinen Koffer stehen und rannte auf ihn zu. Sie fielen sich in die Arme, mitten in der Ankunftshalle des Frankfurter Flughafens, umgeben von Hunderten von Fremden.

"You real," flüsterte Phao mit tränenerstickter Stimme. "I dream this moment so many times. Now you real."

Werner hielt ihn fest, spürte den schmalen Körper, roch den vertrauten Duft von Zitronengras und süßlichem Aftershave. Nach vier Monaten Trennung, nach all dem Warten, den Sorgen, den Zweifeln war Phao endlich hier. Bei ihm. In Deutschland.

"Welcome to Germany," flüsterte Werner ins sein Ohr. "Welcome home."

Als sie sich lösten, sah Werner Tränen in Phaos Augen. Aber es waren Tränen der Freude, der Erleichterung. Sie hatten es geschafft. Gegen alle Skepsis, gegen alle Warnungen, gegen alle Zweifel hatten sie es wirklich geschafft.

Hand in Hand gingen sie zu Phaos Koffer, dann zum Parkplatz, zu Werners altem Opel, der sie nach Wuppertal bringen würde. Drei Monate lagen vor ihnen. Drei Monate, um zu sehen, ob ihre unmögliche Liebe eine Zukunft hatte.

"MIA," murmelte Werner, während er den Motor startete. "Meiner ist anders."

Und zum ersten Mal seit langen war er sich sicher, dass es stimmte.

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MIA - Meiner ist anders! (Teil 5)​

Mai - August 2023

Der deutsche Sommer entfaltete sich wie ein Geschenk vor Phaos staunenden Augen. Werner beobachtete ihn dabei, wie er jeden Morgen auf die kleine Terrasse seines Reihenhauses trat und fasziniert in den gepflegten Garten schaute. Die akkurat geschnittenen Rasenflächen, die ordentlich gestutzten Hecken, die pünktlich blühenden Rosen - alles so anders als das chaotische, lebendige Grün seiner Heimat.

"So... ordentlich," sagte Phao oft, während er seinen Morgentee trank. "Alles hat Platz. Alles hat Zeit."

Die ersten Wochen vergingen wie im Traum. Werner hatte sich drei Wochen Urlaub genommen, um Phao das neue Land zu zeigen. Sie fuhren nach Köln zum Dom, den Phao mit großen Augen bestaunte. "So big! Like mountain, but people build!" Sie besuchten die Wuppertaler Schwebebahn, was Phao zu begeisterten Selfies vor der historischen Konstruktion animierte. Schloss Burg ließ ihn staunend durch die alten Gemäuer wandeln, während er Werner mit Fragen löcherte, die dieser nur halb übersetzen konnte.

Aber es waren die kleinen Dinge, die Phao am meisten beeindruckten. Der Bäcker an der Ecke, der jeden Morgen um punkt sechs Uhr öffnete. Die Tatsache, dass Busse pünktlich kamen. Dass man Leitungswasser trinken konnte. Dass niemand auf der Straße hupte.

"Deutschland like big machine," sagte er bewundernd. "Everything work perfect."

Doch nach drei Wochen musste Werner wieder arbeiten, und die ersten Probleme zeigten sich.

Phao blieb allein in dem kleinen Reihenhaus zurück, während Werner bei den Stadtbetrieben seine acht Stunden absolvierte. Am Anfang war er noch beschäftigt - Deutsche Fernsehsender verstehen zu lernen, im Internet über Deutschland zu lesen, mit seiner Familie in Laos zu skypen. Aber bald stellte sich Langeweile ein.

"What I do whole day?" fragte er Werner eines Abends, als dieser erschöpft von der Arbeit kam.

"You can walk in city. Visit museum. Learn German."

"Alone? Always alone?"

Werner spürte die Frustration in Phaos Stimme. In Thailand war Phao ständig von Menschen umgeben gewesen - Kollegen, Kunden, Freunde. Hier kannte er niemanden außer Werner.

"Maybe we find German course for you?" schlug Werner vor.

Sie meldeten Phao für einen Anfängerkurs an der Volkshochschule an. Drei Mal die Woche, zwei Stunden. Phao ging pflichtbewusst hin, kam aber oft frustriert zurück.

"Teacher speak too fast. Other students already know much German. I feel stupid."

Werner versuchte, ihn zu ermutigen, aber er merkte, dass Phao sich zunehmend isoliert fühlte. Die deutsche Ordnung, die ihn anfangs fasziniert hatte, wurde langsam zur Last.

Der erste größere Konflikt kam noch im Mai, als Werner vorschlug, Phao seinen Kollegen vorzustellen.

"There is party at work. Summer party. You come with me?"

Phao nickte eifrig. "Yes! I meet your friends!"

Werner war nervös. Seine Kollege bei den Stadtbetrieben wussten zwar, dass er "Besuch aus Laos" hatte, aber mehr nicht. Es wäre sein offizielles Coming-out, auch wenn er es nicht so genannt hätte.

Die Betriebsfeier fand in einem Biergarten statt. Werner und Phao kamen zusammen, Werner stellte ihn als "meinen Freund Phao aus Laos" vor. Einige Kollegen waren neugierig, fragten nach seinem Land, seiner Arbeit. Phao gab sein Bestes, antwortete höflich auf Englisch, lächelte viel.

Aber Werner merkte die Blicke. Die versteckte Neugier. Das Getuschel, wenn sie dachten, er höre es nicht.

"Der ist ja jung genug, um sein Sohn zu sein," hörte er Petra aus der Buchhaltung zu ihrer Kollegin sagen.

"Typische Midlife-Crisis," murmelte Klaus aus der Personalabteilung. "Erst Thailand-Urlaub, jetzt das."

Werner fühlte sich unwohl, aber Phao schien es nicht zu merken. Er redete animiert mit Werners Chef über die Unterschiede zwischen Deutschland und Laos, zeigte Fotos auf seinem Handy, war charmant und aufmerksam.

"Netter junger Mann," sagte der Chef zu Werner. "Wie lange bleibt er denn?"

"Drei Monate," antwortete Werner. "Besuchervisum."

"Aha. Und dann?"

"Dann... sehen wir weiter."

Auf der Heimfahrt war Werner schweigsam. Phao merkte es.

"Your colleagues not like me?"

"No, they like you. You were very good."

"But you sad. Why?"

Werner seufzte. "Is difficult. In Germany, people ask many questions. They... judge."

"Because I young? Because I from poor country?"

"Yes. And because..." Werner suchte nach den richtigen Worten. "Because we are two men. Some people not understand."

Phao schaute ihn überrascht an. "In Thailand, nobody care. Two men, two women, one man one woman - same same."

"Germany different."

Es war ein Thema, das zwischen ihnen stand, ohne dass sie es offen ansprachen. Werner hatte sein ganzes Leben im Schrank verbracht, hatte eine Frau geheiratet, Kinder bekommen, ein "normales" Leben geführt. Mit 58 plötzlich offen schwul zu sein, einen 24-jährigen Freund aus Asien zu haben - das war für sein konservatives Umfeld ein Schock.

Mit dem warmen Juni kam auch Phaos Vorschlag, der Werner völlig aus der Komfortzone riss.

"Werner, I see on internet - there is Pride in Berlin. Many people, music, celebrate. We go?"

Werner zögerte. Christopher Street Day in Berlin. Das bedeutete Hunderttausende von Menschen, Regenbogenfahnen, offen schwule Paare. Genau das, was er sein Leben lang vermieden hatte.

"Is very... open," sagte er vorsichtig. "Many people."

"Yes! That why good! We can be normal there. Nobody judge."

Phao hatte schon Fotos im Internet angeschaut, las über die Geschichte der Pride-Bewegung, fand alles faszinierend. Für ihn war es eine Chance, endlich zu einer Gemeinschaft zu gehören, akzeptiert zu werden.

"Please, Werner. For me?"

Werner konnte Phaos Bitte nicht widerstehen. Er buchte ICE-Tickets nach Berlin, reservierte ein Hotel. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er an einer Pride-Parade teilnehmen.

Der CSD in Berlin war überwältigend. Die Straßen voller Menschen in Regenbogenkleidung, Musik aus allen Richtungen, eine Atmosphäre der Ausgelassenheit und Akzeptanz. Phao blühte auf. Er tanzte zu der Musik, fotografierte alles, strahlte vor Freude.

"So beautiful!" rief er immer wieder. "So many people like us!"

Werner fühlte sich anfangs unwohl in der Menge, aber Phaos Begeisterung war ansteckend. Zum ersten Mal sah er sich selbst als Teil einer Gemeinschaft, nicht als Außenseiter.

Doch dann geschah etwas, was Werner einen Stich versetzte. Ein junger Mann, etwa in Phaos Alter, sprach sie an. Blond, muskulös, mit einem offenen Lächeln.

"Hey, cool that you're here!" sagte er auf Englisch zu Phao. "First time at Berlin Pride?"

"Yes! Is amazing!" Phao strahlte zurück.

"I'm Marc. You want to join our group? We're going to the after-party later."

Werner sah, wie Phao zu dem jungen Mann hinüberblickte, sah das Leuchten in seinen Augen. Es war derselbe Blick, den er einst ihm selbst geschenkt hatte - interessiert, aufmerksam, angezogen.

"This is Werner, my..." Phao zögerte. "My friend."

Friend. Nicht boyfriend. Nicht partner. Friend.

Marc nickte höflich zu Werner, aber sein Fokus blieb auf Phao. "You from Thailand?"

"Laos. But I live in Germany now. With Werner."

"Cool. Laos, that's exotic. You should totally come to the party. There'll be lots of international guys there."

Werner spürte eine Eifersucht, die ihn überraschte in ihrer Intensität. Er sah, wie Marc Phao seine Nummer gab, wie sie sich für später verabredeten.

"We should go," sagte Werner schließlich.

"But party just starting!" protestierte Phao.

"I'm tired. Too many people."

Auf dem Rückweg zum Hotel war die Stimmung angespannt. Phao war enttäuscht, Werner war eifersüchtig, aber keiner sprach es aus.

Im Hotelzimmer brach es schließlich aus Werner heraus.

"You like him."

"Who?"

"Marc. The German boy."

Phao seufzte. "Werner, he just friendly. Like you friendly when we meet first time."

"He wanted to take you to party. Without me."

"You not want go anyway. You say too many people."

Werner setzte sich aufs Bett, plötzlich sehr müde. "I know I'm old for you, Phao. I know there are younger men, handsome men..."

Phao kam zu ihm, nahm sein Gesicht in beide Hände. "Werner, listen me. I choose you. I come Germany for you. Not for party, not for other men. For you."

"But you called me friend. Not boyfriend."

Phao seufzte. "In public... is difficult. You also not say I your boyfriend to your work people."

Das stimmte. Werner hatte ihn auch nur als "Freund" vorgestellt.

"We both scared," sagte Phao sanft. "But when we alone, we know what we are."

Sie versöhnten sich, liebten sich in dieser Nacht mit einer Intensität, die von ihrer Unsicherheit und ihren Ängsten genährt wurde.

Doch die Schatten des Berliner CSD warfen ihre Vorhersagen voraus, als zwei Wochen später der CSD in Köln anstand. Phao drängte wieder darauf hinzugehen, und Werner, der nicht als spielverderber dastehen wollte, stimmte zu.

Köln war kleiner als Berlin, überschaubarer, aber das machte es nicht besser für Werner. Hier kannten ihn Menschen. Kollegen, Nachbarn, alte Bekannte. Das Risiko, gesehen zu werden, war größer.

Und tatsächlich, mitten in der Parade, sah Werner einen Kollegen aus der Verwaltung. Ihre Blicke trafen sich. Der Mann schaute überrascht, dann verständnisvoll, nickte kurz und ging weiter.

"Shit," murmelte Werner.

"What?" fragte Phao.

"Nothing. Someone from work."

Aber Phao hatte schon wieder einen neuen Gesprächspartner gefunden - einen jungen Italiener, der fließend Englisch sprach und Phao zum Lachen brachte. Werner beobachtete sie, sah die Leichtigkeit, mit der Phao mit Gleichaltrigen umging, die gemeinsame Sprache, die er mit ihnen hatte.

Zum ersten Mal seit Phaos Ankunft fragte sich Werner, ob er Phao etwas vorenthielt. Ein Leben unter jungen Menschen, Partys, Ausgelassenheit. All das, was Werner mit seinen 58 Jahren nicht bieten konnte.

Als sie am Abend nach Hause fuhren, war die Spannung zwischen ihnen greifbar.

"You not happy at Pride," stellte Phao fest.

"Is not about Pride. Is about... us. About difference between us."

"What difference?"

"I'm 58, Phao. You're 24. I want quiet life, early sleep, save money. You want party, fun, be young."

Phao setzte sich neben ihn aufs Sofa. "Werner, when I in Thailand, I party every night. Many men, much alcohol, no sleep. Was empty. Fun, but empty. With you... is different. Is... how you say... meaningful."

"But you miss it. I see how you are with young men. How you smile."

"Of course I smile. Is friendly. But I not want go back to that life."

Werner wollte ihm glauben, aber die Zweifel nagten an ihm. Beim CSD hatte er gesehen, wie Phao aufblühte in der Gesellschaft Gleichaltriger. War er egoistisch, Phao in seiner kleinen, ruhigen Welt gefangen zu halten?

Diese Fragen beschäftigten Werner auch, als sie im Juli nach Bayern fuhren. Er wollte Phao die deutsche Natur zeigen, die Berge, die Seen, hoffte vielleicht auch, die Probleme in der vertrauten Zweisamkeit lösen zu können. Sie mieteten ein Auto und fuhren nach Berchtesgaden, wanderten am Königssee, übernachteten in kleinen Pensionen.

Es waren schöne Tage. Phao fotografierte alles, staunte über die Landschaft, war dankbar für Werners Führung. Aber Werner merkte auch, dass die langen Autofahrten, die ruhigen Abende, die frühen Bettzeiten Phao langweilten.

"In Thailand," sagte Phao einmal, als sie in einer Berghütte saßen und Kaffee tranken, "we never go bed before midnight. Always something happen, always people to talk."

"Is that better?" fragte Werner.

"Not better. Different. Sometimes I miss... how you say... excitement."

"And here? With me? Is boring?"

Phao griff nach seiner Hand. "Not boring. Peaceful. But sometimes..." Er suchte nach Worten. "Sometimes I feel like old man. Sleep at nine, wake up at six, same every day."

Es war ein ehrliches Geständnis, das Werner schmerzte. Er versuchte, lebendiger zu sein, schlug Aktivitäten vor, blieb länger wach. Aber es fühlte sich gekünstelt an, als würde er eine Rolle spielen.

Der Höhepunkt ihrer Reise war ein Abend in einem Münchener Biergarten. Werner hatte sich Mühe gegeben, später wegzugehen, hatte sogar ein drittes Bier getrunken. Die Stimmung war gut, sie lachten, Phao erzählte Geschichten aus seiner Kindheit.

Dann setzte sich eine Gruppe junger Backpacker an den Nebentisch. Amerikaner, etwa in Phaos Alter, laut und fröhlich. Einer von ihnen hörte Phao Englisch sprechen und kam rüber.

"Hey man, where you from? Your accent is interesting!"

Bald war Phao in ein lebhaftes Gespräch mit der ganzen Gruppe verwickelt. Sie redeten über Reisen, Länder, Erfahrungen. Phao blühte auf, wurde lebendiger, als Werner ihn seit Wochen gesehen hatte.

"We're going to this club later, want to join?" fragte einer der Amerikaner.

Phao schaute zu Werner, hoffnungsvoll.

"Is late," sagte Werner. "Tomorrow we drive back."

"Come on, old man!" lachte einer der Backpacker. "Let the kid have some fun!"

Old man. Das Wort traf Werner wie ein Schlag. Er sah Phaos enttäuschtes Gesicht, die Sehnsucht nach der Spontaneität, die er nicht bieten konnte.

"Go," sagte er schließlich. "I go back to hotel. You have fun."

"You sure?"

"Yes. But not too late."

Es war nach drei Uhr morgens, als Phao zurückkam. Werner hatte nicht geschlafen, hatte gewartet, sich Sorgen gemacht. Phao war angetrunken, aber glücklich.

"Was good," sagte er, als er sich ins Bett legte. "They very funny. We talk about everything."

"Did you...?" Werner konnte die Frage nicht aussprechen.

"What?"

"Nothing. Sleep now."

Aber Werner konnte nicht schlafen. Zum ersten Mal seit Phaos Ankunft hatte er ihn für einen ganzen Abend an andere Menschen "verloren". Und er hatte gesehen, wie glücklich Phao dabei gewesen war.

Als sie nach Wuppertal zurückkehrten, brachte der heiße August neue Herausforderungen mit sich. In Werners kleinem Reihenhaus wurde es stickig, die Hitze staute sich. Phao, gewöhnt an tropisches Klima, liebte es. Er lag stundenlang im Garten, las, hörte Musik, chattete mit seiner Familie.

Werner dagegen litt unter der Hitze. Bei der Arbeit war er müde, zuhause reizbar. Die Sommerpause in Deutschland war anders als in Thailand - hier erwartete man Erholung, Ruhe. Phao erwartete Leben, Aktivität.

"We go swimming?" fragte Phao oft.

"Public pool too crowded. Too many people."

"Then what we do?"

"Wait until evening. Then is cooler."

Aber abends war Werner meist zu müde für große Unternehmungen. Er wollte nur duschen, Nachrichten schauen, früh ins Bett.

Phao begann, allein wegzugehen. Ins Kino, in die Stadt, in den Park. Werner war froh, dass er Selbstständigkeit entwickelte, aber er merkte auch, dass sie sich auseinanderlebten.

Die Gespräche wurden oberflächlicher. Phao erzählte weniger von seinen Tagen, Werner fragte weniger nach. Sie lebten nebeneinander her, liebevoll, aber distanziert.

Gegen Ende August, als die ersten Blätter sich zu verfärben begannen und Phaos Rückreise näher rückte, bekam Werner einen überraschenden Anruf. Es war Markus, sein 29-jähriger Sohn.

"Papa! Überraschung! Sabine und ich sind in Wuppertal. Wir besuchen Mama seit zwei Wochen, aber wir dachten, wir schauen auch mal bei dir vorbei. Hast du morgen Nachmittag Zeit? So gegen drei?"

Werner erstarrte. Seine Kinder wussten nichts von Phao. Rein gar nichts. "Äh... morgen? Sonntag?"

"Ja, wir dachten, wir trinken Kaffee bei dir im Garten. Wie früher. Sabine hat sogar Kuchen gebacken!"

"Das ist... das ist schön," stammelte Werner. "Natürlich, kommt gerne."

Nach dem Gespräch saß Werner wie gelähmt da. Phao kam gerade vom Einkaufen zurück und bemerkte sofort sein verstörtes Gesicht.

"What wrong?" fragte Phao besorgt.

"My children. They come tomorrow. For coffee. They... they don't know about you."

Phao setzte die Einkaufstüten ab. "They not know I here?"

"No. I never told them. I thought... I thought we talk about future first, before I tell family."

"So what we do tomorrow?"

Werner rieb sich die Schläfen. "I don't know. Maybe you go out? In city? Until they gone?"

Phao schaute ihn lange an. "You ashamed of me?"

"No! Not ashamed. Just... complicated. They will ask many questions."

"Then maybe time for truth," sagte Phao leise.

Am Sonntagmorgen war Werner nervös wie ein Schuljunge. Er räumte dreimal die Terrasse auf, stellte den guten Porzellan raus, überprüfte ständig die Zeit. Phao blieb gelassen, trank seinen Morgentee und beobachtete Werner mit einer Mischung aus Belustigung und Sorge.

"You very nervous," stellte er fest.

"My children... I haven't seen them together for months. And now with you here..."

"I can go away. No problem."

Werner zögerte. Ein Teil von ihm wollte das. Der einfache Weg. Aber ein anderer Teil war müde vom Verstecken, von den Lügen.

"No," sagte er schließlich. "Stay. We... we see what happens."

Um punkt drei Uhr klingelte es an der Tür. Werner öffnete und stand seinen beiden Kindern gegenüber - Markus, groß und schlank wie er selbst, mit der IT-Consultant-Brille und dem freundlichen Lächeln, und Sabine, kleiner, resoluter, mit einem selbstgebackenen Kuchen in der Hand.

"Papa!" Sabine umarmte ihn herzlich. "Du siehst gut aus! Erholt!"

"Danke, dass wir spontan kommen konnten," sagte Markus und drückte Werner die Hand. "Mama hat erzählt, du hättest Besuch aus dem Ausland. Ist er noch da?"

Werner schluckte. "Äh... ja. Er ist... äh..."

"Lass uns raten," lachte Sabine. "Ein alter Schulfreund? Ein Kollege im Sabbatical?"

Sie gingen durch das Haus zur Terrasse, wo bereits Kaffeetassen bereitstanden. Werner hatte gehofft, Phao wäre im Garten oder im Haus, aber er saß bereits am Tisch, höflich lächelnd, eine Tasse Tee vor sich.

Die Stille war ohrenbetäubend.

Markus und Sabine blieben wie angewurzelt stehen. Sie sahen einen jungen asiatischen Mann, etwa Markus' Alter, der höflich aufstand und sich leicht verbeugte.

"Hello," sagte Phao mit seinem sanften Lächeln. "I am Phao. Nice to meet you."

Sabine schaute von Phao zu Werner und zurück. "Papa...?"

"Das ist... äh... das ist Phoumsana. Phao. Er kommt aus Laos."

"Laos?" Markus fand seine Sprache wieder. "Wow, das ist... exotisch."

Sie setzten sich alle an den Tisch, aber die Atmosphäre war angespannt. Werner schenkte Kaffee ein, seine Hände zitterten leicht.

"Wie lange bist du denn schon in Deutschland?" fragte Markus höflich.

"Three months," antwortete Phao. "I visit Werner. He show me Germany."

"Drei Monate?" Sabine schaute ihren Vater scharf an. "Du hattest drei Monate Besuch und hast uns nichts gesagt?"

"Es war... kompliziert," murmelte Werner.

"Wie habt ihr euch denn kennengelernt?" fragte Markus, während er Kuchen verteilte.

Werner und Phao tauschten einen Blick aus. "In Thailand," sagte Werner schließlich. "Ich war im Urlaub."

"Ach, der Thailand-Urlaub mit diesem Dieter?" Sabine erinnerte sich. "Das war ja im Winter. Und jetzt ist er hier?"

"Ja."

Die Fragen kamen schneller. Wo Phao wohnte (hier), was er arbeitete (nichts, Besuchervisum), wie lange er bleiben würde (ursprünglich drei Monate), ob er Deutsch sprach (wenig).

Werner beobachtete seine Kinder dabei, wie sie langsam begriffen. Markus wurde nachdenklicher, stellte vorsichtigere Fragen. Sabine wurde misstrauischer.

"Papa," sagte sie schließlich direkt. "Was ist hier los? Wirklich."

Werner atmete tief durch. Der Moment der Wahrheit war gekommen.

"Phao ist... er ist mehr als nur ein Freund."

"Mehr?" Sabines Stimme wurde schärfer.

"Er ist... wir sind... zusammen."

Die Stille war erdrückend. Markus lehnte sich zurück, Sabine starrte ihren Vater an, als hätte er ihr mitgeteilt, er sei ein Außerirdischer.

"Zusammen," wiederholte sie langsam. "Du meinst..."

"Ja."

"Papa," Markus' Stimme war ruhig, aber bestimmt. "Ist das dein Coming-out? Mit 58?"

Werner nickte stumm.

Sabine sprang auf. "Das ist nicht dein Ernst! Papa, der Junge ist so alt wie wir! Wie Markus!"

"Sabine..." versuchte Werner zu beschwichtigen.

"Nein! Das ist... das ist widerlich! Du kaufst dir einen jungen Mann aus einem armen Land und nennst das Liebe?"

Phao zuckte zusammen, verstand genug, um die Aggression zu spüren.

"So ist es nicht," sagte Werner verzweifelt.

"Wie ist es denn?" Sabine war außer sich. "Erzähl mir, wie es ist! Wie viel Geld hast du ihm gegeben? Für was? Für Sex?"

"Sabine, hör auf!" Markus versuchte zu vermitteln.

"Nein, ich höre nicht auf! Ich habe zwei kleine Kinder, Markus! Und mein Vater..." Sie schaute angeekelt zu Werner. "Mein Vater ist ein Pädophiler geworden!"

Das Wort hing in der Luft wie Gift. Werner wurde blass, Phao verstand es auch ohne Übersetzung.

"Das bin ich nicht," flüsterte Werner.

"Doch, das bist du! Ein alter Mann, der sich junge Männer kauft!" Sabine griff nach ihrer Handtasche. "Ich gehe. Und ich will nie wieder etwas von dir hören, solange... solange das hier so ist."

Sie stürmte ins Haus. Markus blieb sitzen, schaute zwischen seinem Vater und Phao hin und her.

"Papa," sagte er schließlich. "Ist das echt? Liebst du ihn wirklich?"

Werner schaute zu Phao, der trotz allem ruhig geblieben war. "Ja. Ich glaube schon."

"Und du?" fragte Markus Phao direkt. "Do you love him?"

Phao nickte langsam. "Yes. He good man. Kind man."

Markus seufzte. "Das ist... das ist ein Schock, Papa. Ich brauche Zeit, das zu verstehen."

Er stand auf. "Ich muss Sabine nachgehen. Sie ist völlig durch den Wind." Er schaute noch einmal zu Phao. "Es war... interessant, dich kennenzulernen."

Als beide gegangen waren, blieben Werner und Phao allein auf der Terrasse zurück. Der Kaffee war kalt geworden, Sabines Kuchen unberührt.

"I sorry," sagte Phao leise.

"Not your fault," antwortete Werner müde.

"Your daughter very angry."

"Yes. She thinks... she thinks I'm sick. Bad man."

Phao griff nach seiner Hand. "You not bad man. You lonely man who find love. Nothing wrong with that."

Aber Werner war sich da nicht mehr so sicher. Zum ersten Mal sah er sich durch die Augen seiner Tochter - ein 58-jähriger Mann mit einem 24-jährigen Lover aus einem armen Land. Es sah wirklich nicht gut aus.

Sie saßen schweigend da, während die Sonne unterging und der August-Abend kühl wurde.

"What happen now?" fragte Phao, als sie abends auf dem Balkon saßen.

"You go back to Laos. We said three months."

"And then?"

Werner zögerte. Die drei Monate waren schnell vergangen. Es waren schöne Monate gewesen, aber auch schwierige. Der Altersunterschied, die kulturellen Unterschiede, seine eigene Eifersucht - all das war nicht verschwunden.

"I don't know," sagte er ehrlich.

"You still want marry me?"

Die Frage hing zwischen ihnen. Werner dachte an die Pläne, die sie in Thailand gemacht hatten. An die Träume von einer gemeinsamen Zukunft.

"Do you still want to marry me?" fragte er zurück.

Phao war lange still. Dann: "I love you, Werner. But..."

"But?"

"But sometimes I feel like bird in cage. Beautiful cage, safe cage, but still cage."

Es war das ehrlichste, was Phao je zu ihm gesagt hatte. Und es brach Werner das Herz, auch wenn er wusste, dass es wahr war.

"So what do you want?" fragte er leise.

"I want both. I want safety with you. And I want freedom to be young."

"That's not possible, Phao. You can't have both."

"Why not?"

Es war eine naive Frage, aber auch eine, die Werner nicht beantworten konnte. Warum war es nicht möglich? Nur weil es gesellschaftliche Normen gab? Weil er zu eifersüchtig war? Weil er zu alt war für Kompromisse?

"We talk about it," sagte er schließlich. "When you come back from Laos."

"I come back?"

"If you want. If we find way to make it work."

Phao lächelte zum ersten Mal seit Tagen richtig. "I want come back, Werner. I want find way."

Sie umarmten sich, dort im kleinen Garten des Reihenhauses in Wuppertal. Der deutsche Sommer ging zu Ende, aber ihre Geschichte ging weiter. Irgendwie.

"MIA," flüsterte Werner in Phaos Haar. "Meiner ist anders."

Aber zum ersten Mal fragte er sich, ob "anders" genug war.

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Dr. Ramin

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Pattaya
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Eine Geschichte aus Pattaya


ich bin Midiberlin, 45 Jahre alt, und seit über einem Jahrzehnt regelmäßiger Gast in Pattaya.

Was ich euch heute erzählen möchte, ist die Geschichte von Werner - einem 58-jährigen deutschen Personalreferent aus Wuppertal, der zum ersten Mal nach Thailand reiste und dort Phao kennenlernte, einen 24-jährigen Bar Boy aus Laos.

Die Namen habe ich geändert, aber jedes Detail dieser Geschichte ist wahr. Ich kenne beide Protagonisten persönlich.

Darf ich raten? Werner und Phao sind echte Personen mit geänderten Namen.

Midiberlin ist frei erfunden .......


............. von Werner :weg

Richtig?
 
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MIA - Meiner ist anders! (Teil 6)​

September 2023 - März 2024

Die letzten Tage von Phaos Aufenthalt vergingen wie im Zeitraffer. Nach dem desaströsen Familienbesuch hing eine schwermütige Stimmung über ihrem kleinen Reihenhaus. Werner versuchte, normal zu wirken, aber Sabines Worte hallten in seinem Kopf nach. "Pädophiler." Das Wort brannte sich in sein Bewusstsein, ließ ihn nachts wachliegen und grübeln.

Phao spürte Werners innere Zerrissenheit, sagte aber nichts. Stattdessen war er besonders aufmerksam, kochte Werners Lieblingsgericht, massierte ihm abends die Schultern, lächelte, wann immer ihre Blicke sich trafen. Es war, als würde er alles geben, um zu zeigen, dass er die Mühe wert war.

Am vorletzten Tag, einem Donnerstag, saßen sie im Garten beim Abendessen. Die Septembersonne warf lange Schatten, und Werner wusste, dass ihre Zeit ablief. In zwei Tagen würde Phao im Flugzeug nach Bangkok sitzen, und dann... was dann?

"Werner," sagte Phao leise und legte seine Gabel weg. "I must ask you something."

Werner spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. "What?"

"When I go back Laos... you think about us? Really think?"

"Of course I think about us."

"But your daughter say..." Phao suchte nach den richtigen Worten. "She say you sick man. You think maybe she right?"

Werner schaute in Phaos Augen und sah dort keine Berechnung, keine Manipulation. Nur Sorge. Echte Sorge um ihn, um sie beide.

"No," sagte er bestimmt. "She's wrong. What we have... it's real."

"Then why you so sad? Since Sunday, you different."

Werner seufzte. "Because it's difficult. People don't understand. My own daughter thinks..." Er konnte es nicht aussprechen.

Phao griff über den Tisch und nahm seine Hand. "I not care what people think. I care what you think. What you feel."

In diesem Moment traf Werner eine Entscheidung. Vielleicht war es Trotz gegen Sabines Vorwürfe, vielleicht war es Angst vor der Einsamkeit, vielleicht war es wirklich Liebe. Aber er wusste plötzlich mit absoluter Gewissheit, was er tun musste.

"Pack your things tomorrow," sagte er. "But not for airport."

"What you mean?"

"We drive to Frankfurt day before your flight. Sleep in airport hotel. I want... I want ask you something special."

Phaos Augen weiteten sich. "Werner..."

"Just say yes. Trust me."

Am Freitagnachmittag fuhren sie zum Frankfurter Flughafen. Werner hatte ein Zimmer im Hilton Airport gebucht - nicht billig, aber für diesen Moment sollte alles perfekt sein. Sie checkten ein, stellten Phaos Koffer ab, und Werner führte ihn zur Panorama-Bar im 10. Stock.

Die Aussicht war atemberaubend. Flugzeuge starteten und landeten in der Ferne, die Lichter der Rollbahnen blinkten wie Sterne. Werner bestellte Champagner - echten französischen Champagner, nicht Sekt. Phao schaute ihn verwundert an.

"Why we celebrate? Tomorrow I go away."

"Because tomorrow is not end. Is beginning."

Werner nahm einen tiefen Schluck, dann holte er eine kleine, schwarze Schachtel aus seiner Jackentasche. Phaos Atem stockte.

"Phao," begann Werner, seine Stimme zitterte leicht. "Diese drei Monate waren die schönsten und schwierigsten meines Lebens. Schwierig, weil ich gelernt habe, wer ich wirklich bin. Schön, weil ich dich dabei hatte."

Er öffnete die Schachtel. Darin lag ein schlichter goldener Ring mit einem kleinen Diamanten.

"I know people think we're crazy. I know my daughter thinks I'm sick. I know there's age difference, culture difference, everything is difficult." Werner's Stimme wurde fester. "But I also know I love you. And I believe you love me."

Phao starrte auf den Ring, Tränen stiegen in seine Augen auf.

"Phoumsana Khamsawat," sagte Werner feierlich. "Will you marry me? Will you be my husband?"

Phao begann zu weinen. Nicht die stillen Tränen, die Werner schon oft bei ihm gesehen hatte, sondern herzzerreißende Schluchzer, die seinen ganzen schmalen Körper erschütterten.

"Yes," flüsterte er zwischen den Tränen. "Yes, yes, thousand times yes."

Werner streifte ihm den Ring über den Finger - er passte perfekt, Werner hatte heimlich Phaos Ringgröße gemessen. Dann küssten sie sich, dort in der Panorama-Bar des Hilton Airport, umgeben von Geschäftsreisenden und Touristen, während draußen die Flugzeuge in die Nacht starteten.

"Now we really have plan," sagte Werner, als sie sich lösten. "You go back to Laos, we prepare everything for marriage visa. This time different. This time forever."

Am nächsten Morgen war der Abschied am Flughafen weniger tränenreich als erwartet. Sie hatten einen Plan, ein Ziel, eine Zukunft. Phao trug den Ring an einer Kette um den Hals - sichtbar am Finger hätte zu viele Fragen in Laos aufgeworfen.

"I work fast," versprach er beim letzten Kuss. "Get all documents, come back to you quick."

"I work fast too," erwiderte Werner. "Six months maximum. Then you're here forever."

Werner schaute dem Flugzeug nach, bis es in den Wolken verschwand, dann fuhr er nach Wuppertal zurück und begann den Papierkampf seines Lebens.

Schon am Montag saß er beim Standesamt Wuppertal. Die Sachbearbeiterin - eine freundliche ältere Dame mit viel Erfahrung in internationalen Eheschließungen - musterte die Liste der erforderlichen Dokumente.

"Herr Müller. Sie möchten heiraten."

"Ja. Meinen Verlobten aus Laos."

"Das ist aufwendig," seufzte sie. "Welche Dokumente erforderlich sind."

Werner hatte bereits recherchiert, aber die Liste war trotzdem erschreckend lang. Für ihn: aktuelle Geburtsurkunde, Scheidungsurteil mit Rechtskraftvermerk, Meldebescheinigung. Für Phao: Geburtsurkunde mit Apostille, Ledigkeitsbescheinigung, Ehefähigkeitszeugnis, alles übersetzt und beglaubigt.

"Das dauert Monate," warnte die Beamtin. "Besonders die Apostille aus Laos. Rechnen Sie mit sechs bis neun Monaten."

"Wir haben Zeit," log Werner.

Am Abend rief er Phao an. Die Verbindung war schlecht, aber Phaos Aufregung war spürbar.

"Werner! I tell family about engagement! They so happy!"

"What did you tell them exactly?"

"I tell them we marry in Germany, I get German passport, can bring them visit!"

Werner spürte einen Stich. Die Familie wieder. Immer die Familie.

"Phao, we must be careful what we promise. Bringing family to Germany is very difficult."

"But when I German citizen..."

"That takes years. After marriage, you get residence permit. Citizenship comes later."

Es war das erste von vielen Gesprächen, in denen Werner versuchen musste, Phaos und seiner Familie die deutsche Bürokratie zu erklären. Sie verstanden nicht, warum alles so lange dauerte, warum so viele Dokumente nötig waren, warum Werner nicht einfach Geld bezahlen konnte, um alles zu beschleunigen.

Die nächsten Wochen waren ein Marathon durch deutsche und laotische Behörden. Werner sammelte seine Dokumente - einfach im Vergleich zu Phaos Aufgaben. Seine Geburtsurkunde beim Standesamt Wuppertal, das Scheidungsurteil aus dem Archiv, eine aktuelle Meldebescheinigung. Alles innerhalb von zwei Wochen erledigt.

Phao hingegen musste eine Odyssee durch laotische Bürokratie antreten. Zunächst zurück ins Dorf, um seine Geburtsurkunde zu beantragen - ein Dokument, das in dem kleinen Dorf nur handschriftlich existierte. Dann zum Distriktamt für die Ledigkeitsbescheinigung, ein Prozess, der Bestechungsgelder und wochenlange Wartezeit erforderte.

"System here very different," erklärte er Werner am Telefon. "Every paper need stamp, every stamp need money."

Werner überwies regelmäßig Geld - 200 Euro hier, 300 Euro dort. Nicht nur für die offiziellen Gebühren, sondern für die inoffiziellen Zahlungen, ohne die in Laos nichts funktionierte.

Das größte Problem war die Apostille. Diese internationale Beglaubigung musste in der Hauptstadt Vientiane beantragt werden, und der Prozess war kafkaesk. Phao musste wochenlang in Vientiane bleiben, täglich zum Ministerium fahren, warten, erklären, bitten.

"They say document not correct," berichtete er verzweifelt. "Must go back to village, get new paper with different stamp."

Werner fühlte sich hilflos, so weit weg, unfähig zu helfen. Er konnte nur Geld schicken und trösten.

November wurde zu Dezember. Die Dokumente waren noch nicht komplett, Phao saß frustriert in Vientiane fest, und Werner hatte eine Idee.

"Phao," sagte er beim nächsten Telefonat. "What if I come to you? For Christmas? I meet your family, we spend time together."

Die Idee ließ Werner nicht mehr los. Über Weihnachten hatte er Urlaub, zwei Wochen frei. Er könnte nach Laos fliegen, Phaos Familie kennenlernen, ihre Beziehung authentischer machen.

Ende November buchte er den Flug: Frankfurt - Bangkok - Vientiane. Es würde sein erstes Weihnachten außerhalb Deutschlands, aber auch das erste gemeinsam mit Phao seit Monaten.

Aber auch das war wieder ein Marathonlauf. Phao musste erneut nach Vientiane, erneut wochenlang in einem teuren Hotel wohnen, erneut jeden Tag zur Botschaft fahren.

"They ask so many questions," berichtete er nach dem ersten Termin. "Why Werner want marry me, why I want marry him, how we meet, what are plans. I think they not believe our love real."

Werner machte sich Sorgen. Was, wenn die Botschaft das Visum verweigerte? Was, wenn sie glaubten, es sei eine Scheinehe? Und dann kam ihm eine Idee.

"Phao," sagte er beim nächsten Telefonat. "What if I come to you? For Christmas? I meet your family, we spend time together. Show embassy we are real couple."

Die Idee ließ Werner nicht mehr los. Über Weihnachten hatte er Urlaub, zwei Wochen frei. Er könnte nach Laos fliegen, Phaos Familie kennenlernen, ihre Beziehung authentischer machen.

Ende November buchte er den Flug: Frankfurt - Bangkok - Vientiane. Es würde sein erstes Weihnachten außerhalb Deutschlands, aber auch das erste gemeinsam mit Phao seit Monaten.

Der Flug nach Vientiane war lang und anstrengend. Werner war es von seinen Thailand-Reisen gewohnt, in Bangkok zu landen, aber der Weiterflug nach Laos zeigte ihm eine andere Welt. Schon vom Flugzeug aus sah er den Unterschied - weniger Lichter, weniger Infrastruktur, mehr unberührte Natur.

Der Flughafen Wattay in Vientiane war klein und überschaubar, ganz anders als Bangkok oder Frankfurt. Phao erwartete ihn bereits, strahlend vor Freude, aber auch nervös.

"Werner! You really come!" Sie umarmten sich lange, ignorierten die neugierigen Blicke der anderen Passagiere.

"Of course I come. I miss you too much."

Die Fahrt zu Phaos Familie dauerte acht Stunden im klapprigen Bus über holprige Straßen. Werner, gewöhnt an deutsche Autobahnen und Komfort, fühlte sich nach den ersten zwei Stunden wie gerädert. Phao merkte sein Unbehagen.

"Sorry, Werner. Roads here not like Germany."

"Is okay. Adventure."

Aber als sie schließlich in Phaos Heimatdorf ankamen, war Werner von der Armut geschockt. Die Bambushäuser auf Stelzen, die unbefestigten Wege, die Hühner und Schweine, die frei herumliefen - es war eine andere Welt als alles, was er kannte.

Phaos Familie empfing ihn mit überwältigender Gastfreundschaft, aber auch mit unverhohlener Neugier. Die ganze Verwandtschaft war gekommen - Mutter, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins. Alle starrten den großen, blassen Deutschen an, der so viel Geld hatte.

Das Sprachproblem war noch größer als erwartet. Phaos Mutter sprach kein Wort Englisch, die meisten anderen auch nicht. Werner saß da, lächelte höflich, verstand nichts von den lebhaften Diskussionen um ihn herum.

"They ask about Germany," übersetzte Phao. "How much money you have, what job, if you bring me to rich country."

Werner fühlte sich wie ein Ausstellungsstück. Jede seiner Bewegungen wurde beobachtet, kommentiert, diskutiert. Als sie zum Essen ins Dorf gingen - das einzige Restaurant war eine offene Hütte mit Plastikstühlen - bestand die Familie darauf, dass Werner alles bezahlte. Nicht nur für sie beide, sondern für die ganze Großfamilie.

"Is normal," flüsterte Phao entschuldigend. "When rich person come, they expect..."

Werner bezahlte, lächelte, war höflich. Aber innerlich fühlte er sich unwohl. Das war nicht die romantische Begegnung mit Phaos Kultur, die er sich vorgestellt hatte.

Nach drei Tagen merkte Phao, wie unglücklich Werner war.

"You not happy here," stellte er fest, als sie abends allein im Gästezimmer lagen - einem spartanischen Raum mit dünnen Wänden, durch die sie jedes Wort der Familie hören konnten.

"I'm happy to be with you," sagte Werner diplomatisch. "But..."

"But village life very different from Germany."

"Yes. Very different."

Phao dachte nach. "Maybe we go away? Few days? I show you different Laos?"

Am nächsten Morgen verkündete Phao seiner Familie, dass sie nach Thailand fahren würden - "für die Papiere bei der deutschen Botschaft". Es war eine weiße Lüge, aber sie funktionierte.

Der Flug von Vientiane nach Chiang Mai dauerte nur eine Stunde und zwanzig Minuten mit Lao Airlines, kostete aber fast 200 Dollar pro Person. Werner bezahlte gerne - alles war besser als weitere Tage im Dorf.

Chiang Mai war eine Offenbarung. Nach der Armut von Phaos Heimat fühlte sich die alte thailändische Kulturhauptstadt wie eine Oase an. Ihr Hotel lag mitten in der Altstadt, ein kleines Boutique-Hotel in einem restaurierten Kolonialgebäude.

"This more like what I imagine Asia should be," sagte Werner erleichtert, als sie durch die gepflasterten Gassen der Altstadt spazierten.

Chiang Mai hatte eine völlig andere Atmosphäre als Bangkok oder Pattaya. Ruhiger, kultureller, authentischer. Die Altstadt war von einer alten Stadtmauer umgeben, überall gab es Tempel, kleine Cafés, Kunstgalerien.

Am ersten Tag besuchten sie Wat Phra Singh, den bedeutendsten Tempel der Altstadt. Werner war beeindruckt von der goldenen Architektur, den filigranen Schnitzereien, der spirituellen Atmosphäre.

"Buddhism very important in Thailand," erklärte Phao, während sie durch die Tempelanlage wandelten. "Maybe you understand better our culture here."

Sie verbrachten Stunden in Wat Chedi Luang mit seiner imposanten, teilweise zerstörten 60-Meter-Pagode, bewunderten die Teakholz-Architektur von Wat Phan Tao, fanden Ruhe in dem kleineren, aber wunderschönen Wat Saen Fang.

"Each temple different story," erzählte Phao. "This one 600 years old, this one for meditation, this one for royal family."

Werner spürte, wie er langsam verstand, was Phao meinte, wenn er von seiner Kultur sprach. Es war nicht die Armut des Dorfes oder die Kommerzialisierung von Pattaya - es war diese jahrhundertealte Spiritualität, diese Ruhe, diese Schönheit.

Am zweiten Tag fuhren sie mit einem Tuk-Tuk zu Wat Phra That Doi Suthep, dem berühmtesten Tempel auf dem Berg über Chiang Mai. Die Fahrt war abenteuerlich - 300 Kurven eine steile Bergstraße hinauf - aber die Aussicht über die Stadt war atemberaubend.

"From here you see all Chiang Mai," sagte Phao stolz. "And mountains of Myanmar."

Sie besuchten auch Wat Umong, den mysteriösen "Tunnel-Tempel" im Wald, wo Mönche in unterirdischen Gängen meditierten, und Wat Suan Dok mit seiner großen weißen Chedi, die im Abendlicht goldgelb leuchtete.

Aber der wichtigste Moment kam am Samstagabend auf der Saturday Walking Street in der Wualai Road. Die ganze Straße war voller Stände mit Kunsthandwerk, lokalem Essen und vor allem: Silberschmuck.

"Chiang Mai famous for silver," erklärte Phao. "Very good quality, handmade."

Sie bummelten von Stand zu Stand, bewunderten die filigranen Arbeiten der lokalen Kunsthandwerker. Dann blieb Werner vor einem Stand mit Ringen stehen.

"You know what we need?" sagte er plötzlich.

"What?"

"Wedding rings. Real ones. Not just engagement rings."

Phaos Augen leuchteten auf. "Here? In Chiang Mai?"

"Why not? Where better than here, where your culture is?"

Sie verbrachten eine Stunde damit, den perfekten Ring zu finden. Schließlich entschieden sie sich für ein Paar klassischer Silberringe mit dezenten Thai-Mustern - nicht zu auffällig für Deutschland, aber mit einem Hauch von Phaos Herkunft.

Der alte Silberschmied, der die Ringe fertigte, lächelte, als er ihre Geschichte hörte. "German man, Lao boy, marry in Germany, rings from Thailand. Very international love story!"

Er gravierte ihre Namen auf die Innenseite der Ringe - "Werner & Phao, Christmas 2023, Chiang Mai" - und segnete sie mit einem kleinen buddhistischen Ritual.

"Now rings have blessing from Buddha," sagte er. "Marriage will be strong."

Am letzten Abend saßen sie auf der Dachterrasse ihres Hotels, schauten über die beleuchtete Altstadt von Chiang Mai, die neuen Ringe an ihren Fingern.

"This was good idea," sagte Phao leise. "Come to Thailand. Away from my family, away from village."

"I understand now," antwortete Werner. "Your culture is not the poverty. Is this. The temples, the spirituality, the art."

"Yes. This is Thailand I want show you. Not Pattaya bars, not poor village. Real Thailand."

Werner griff nach Phaos Hand. "When we married, we come back here every year. Our special place."

"Promise?"

"Promise."

Sie flogen zurück nach Vientiane, verbrachten noch zwei Tage mit Phaos Familie - die übrigens sehr beeindruckt waren von den Fotos aus Chiang Mai und den neuen Ringen. Dann flog Werner zurück nach Deutschland, gestärkt und voller neuer Zuversicht.

"You look different," sagte er zu Phao beim Abschied am Flughafen. "Happier."

"You also different. You understand now who I am."

"Yes. I understand."

März wurde zu April, April zu Mai. Jeden Tag wartete Werner auf Phaos Anruf, jeden Tag hoffte er auf gute Nachrichten. Aber die Botschaft schwieg.

"Maybe they say no," flüsterte Phao eines Abends am Telefon. "Maybe they think like your daughter. Old man, young boy, not real love."

"Don't think like that," beschwor Werner ihn. "Our love is real. They will see that."

Aber auch Werner hatte Zweifel. Sechs Monate waren vergangen seit Phaos Abreise. Sechs Monate der Ungewissheit, der Bürokratie, der Kosten. Er hatte inzwischen über 4000 Euro ausgegeben - für Dokumente, Übersetzungen, Phaos Aufenthalte in Vientiane, Anwaltskosten. War das normal? War das, was Menschen für die Liebe taten?

Am 15. Mai, einem Dienstag, klingelte Werners Telefon während einer Besprechung bei den Stadtbetrieben. Es war Phao, aber Werner hörte sofort, dass etwas anders war. Phaos Stimme zitterte.

"Werner, I have visa."

Werner sprang so abrupt auf, dass er fast seinen Stuhl umgeworfen hätte. Seine Kollegen schauten ihn verwundert an.

"What? Really?"

"Yes! They call me this morning. I can pick up tomorrow. Six months marriage visa!"

Werner verließ die Besprechung, ging auf den Flur, wo er ungestört sprechen konnte.

"I can't believe it. After all this time..."

"I also not believe. I cry when they tell me." Phao lachte durch seine Tränen. "Werner, I come home to you!"

"When can you travel?"

"I book flight today. Maybe Friday? I send you details."

Als Werner auflegte, stand er einen Moment lang bewegungslos im Flur seiner Arbeitsstelle. Nach sechs Monaten Trennung, sechs Monaten Bürokratie, sechs Monaten Zweifel war es geschafft. Phao würde zurückkommen. Diesmal für immer.

Am Freitag, dem 18. Mai 2024, stand Werner wieder in der Ankunftshalle des Frankfurter Flughafens. Aber diesmal war alles anders. Er war nicht nervös, sondern voller Vorfreude. Er trug seinen Verlobungsring offen am Finger - egal, wer es sah.

Der Flug aus Bangkok landete pünktlich. Werner wartete mit pochendem Herzen, aber es war ein gutes Pochen, voller Erwartung.

Dann öffneten sich die Türen der Ankunftshalle, und da war er. Schmaler geworden in den sechs Monaten, das Gesicht ernster, erwachsener. Aber das Lächeln war dasselbe - scheu, warm, liebevoll.

"Werner!" Phao ließ seinen Koffer stehen und rannte auf ihn zu.

Sie fielen sich in die Arme, mitten in der Halle, mitten unter all den anderen Menschen. Werner hielt ihn fest, so fest, als würde er ihn nie wieder loslassen.

"I'm home," flüsterte Phao in sein Ohr. "I'm finally home."

"Welcome home," flüsterte Werner zurück, Tränen der Erleichterung in den Augen. "Welcome home, my husband."

Sie küssten sich, lange und intensiv, während um sie herum das Leben weiterging. Aber für sie beide stand die Zeit still. Nach sechs Monaten der Trennung, nach all den Zweifeln und Schwierigkeiten, waren sie wieder vereint.

Diesmal für immer.

Als sie sich lösten, zog Phao die Kette mit dem Verlobungsring unter seinem Hemd hervor und streifte ihn über seinen Finger. Werner tat dasselbe.

"Now everyone can see," sagte Phao lächelnd.

"Yes," sagte Werner. "Now everyone can see."

Hand in Hand, beide mit ihren Verlobungsringen, gingen sie zum Parkplatz. In vier Wochen würden sie heiraten. In vier Wochen würde aus Phoumsana Khamsawat endgültig Phoumsana Müller werden.

"MIA," flüsterte Werner, während er den Motor startete. "Meiner ist anders."

Und diesmal, nach all den Prüfungen, die sie bestanden hatten, war er sich sicher, dass es stimmte.

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21 Oktober 2012
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MIA - Meiner ist anders! (Teil 7)​

Juni - Oktober 2024

Die Hochzeit fand an einem warmen Freitag im Juli statt. Werner hatte bewusst keinen Samstag gewählt - zu viele neugierige Blicke, zu viel Aufmerksamkeit. So standen nur sie beide, Markus als Trauzeuge und die Standesbeamtin in dem kleinen, hellen Raum des Wuppertaler Standesamts.

Phao trug den dunklen Anzug, den Werner für ihn gekauft hatte, und die Eheringe aus Chiang Mai. Er strahlte, als die Beamtin die Formel sprach: "Hiermit erkläre ich Sie zu rechtmäßig verbundenen Ehepartnern."

"Du kannst die Ringe jetzt tauschen," flüsterte Markus, als Werner einen Moment lang wie erstarrt dastand. Die Realität traf ihn wie ein Blitz: Er war verheiratet. Mit einem Mann. Mit Phao.

Nach der Zeremonie suchten sie nach einem Restaurant für das Hochzeitsessen. "I want celebrate with real Asian food," sagte Phao. "Something from home."

Markus hatte eine Idee: "Es gibt ein Thai-Restaurant in der Innenstadt, das 'Golden Lotus'. Soll sehr authentisch sein."

Das Golden Lotus war klein und gemütlich, mit traditioneller Dekoration und dem Duft von Zitronengras und Chili in der Luft. Der Besitzer, ein freundlicher älterer Thai namens Somchai, freute sich sichtlich über die Hochzeitsgesellschaft.

"Special day need special food," sagte er lächelnd und verschwand in der Küche. Sein Sohn Chai, etwa in Phaos Alter, bediente sie höflich, aber Phao schenkte ihm kaum Beachtung - er war zu sehr mit Werner und Markus beschäftigt.

Das Essen war eine Offenbarung. Statt der üblichen, für deutsche Geschmäcker angepassten Gerichte brachte Somchai ihnen authentische Thai-Küche - scharf, aromatisch, wie Phao sie aus seiner Heimat kannte.

"This taste like Thailand," sagte Phao mit Tränen in den Augen. "Real Thailand."

"Freut mich, dass es euch schmeckt," sagte Markus. "Auf das Brautpaar!"

Werner sah das Glück in Phaos Gesicht und beschloss spontan: "Wir kommen wieder her. So oft du willst."

In den folgenden Wochen wurde das Golden Lotus zu ihrer wöchentlichen Tradition. Jeden Freitag nach Werners Arbeit gingen sie dorthin. Somchai lernte Phaos Vorlieben kennen und kochte speziell für ihn - Gerichte, die nicht auf der regulären Speisekarte standen, zu scharf oder zu exotisch für die deutschen Kunden.

"Herr Werner," sagte Somchai eines Abends, "Ihr Mann hat sehr guten Geschmack. Er versteht echte asiatische Küche."

Phao strahlte bei diesen Worten. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Deutschland fühlte er sich wirklich verstanden, wertgeschätzt für das, was er war.

Chai, der Sohn, begann sich mehr für Gespräche zu interessieren. Er studierte BWL, sprach perfekt Deutsch, aber auch fließend Thai. Langsam kamen er und Phao ins Gespräch - erst über das Essen, dann über ihre Herkunftsländer.

"Du kommst aus Laos?" fragte Chai eines Abends interessiert. "Mein Vater war mal in Vientiane. Schöne Stadt."

"Ja, aber ich komme vom Land. Ganz anders als hier."

Werner beobachtete diese Unterhaltungen mit Wohlwollen. Phao brauchte Freunde, jemanden in seinem Alter. Was konnte schon schiefgehen?

Die ersten Wochen als Ehepaar waren wie ein zweiter Honeymoon. Phao war glücklich, endlich legal in Deutschland zu sein, und Werner genoss es, "meinen Mann" sagen zu können. Die wöchentlichen Besuche im Golden Lotus wurden zu einem Ritual, das beide schätzten.

"Where is your daughter?" fragte Phao eines Abends, als sie beim Essen saßen. "She not come to wedding."

Werner seufzte. "She... she doesn't accept us. Thinks I'm too old for you."

"And your family? My family very sad they not can come."

"I know. I'm sorry. The visa process would have taken too long, cost too much."

Phao nickte traurig. "My mother cry when I tell her. She want see me in wedding dress... I mean, wedding suit."

Es war ein Schmerz, den beide trugen - die Einsamkeit ihrer kleinen Hochzeit, die fehlende Familie auf beiden Seiten.

Doch im September, als die Routine des Ehelebens einsetzte, begann sich etwas zu verändern. Phao saß täglich allein im Haus, während Werner arbeitete. Der Deutschkurs frustrierte ihn.

"Teacher speak too fast. Other students already good German. I feel stupid," klagte Phao abends.

"You must practice. Is important for integration."

"Integration?" Phao lachte bitter. "I integrate what? I sit home all day, speak with nobody. Only you, evening time. And Chai on Friday."

Werner spürte Phaos wachsende Unzufriedenheit. Die wöchentlichen Besuche im Golden Lotus waren zum Höhepunkt von Phaos Woche geworden - der einzige Ort, wo er sich verstanden fühlte.

Im Oktober begann sich die Dynamik zu ändern. Phao verbrachte immer mehr Zeit im Golden Lotus, nicht nur freitags, sondern auch unter der Woche. Werner war anfangs froh - endlich hatte Phao etwas gefunden, das ihn glücklich machte.

"Chai show me how make real Pad Thai," erzählte Phao begeistert. "His father teach me cook like in Thailand, not German style."

"That's wonderful. You seem much happier."

"Yes! First time since Germany, I feel... how you say... useful."

Somchai hatte Phao angeboten, ihm beim Kochen zu helfen, ihm die Geheimnisse der authentischen Thai-Küche beizubringen. "You have good hands for cooking," hatte er gesagt. "Maybe you want learn professional?"

Werner bemerkte die Veränderungen an Phao - er war lebendiger, hatte wieder Energie. Aber er bemerkte auch anderes. Phao kam oft mit einem süßlichen Alkoholgeruch nach Hause.

"We drink little bit after work," erklärte er beiläufig. "Thai whiskey. Sangsom. Is tradition when cook together."

"How much is 'little bit'?"

"Not much. Just... relax after cooking. Chai also drink. Is normal."

Werner wollte sich nicht beschweren. Phao schien zum ersten Mal seit der Hochzeit wirklich glücklich zu sein. Und wenn ein bisschen Thai-Whiskey dazu gehörte, dann war das wohl der Preis für Phaos Zufriedenheit.

Ende Oktober machte Somchai Phao ein Angebot: "You want work here? Real job in kitchen? I teach you everything, you help me with authentic dishes."

Phao kam strahlend nach Hause. "Werner! Somchai offer me job! Real job, in professional kitchen!"

"That's wonderful! How much do they pay?"

"Is Minijob. 520 Euro per month. But I learn profession, maybe later we open own restaurant together!"

Werner lächelte. 520 Euro waren nicht viel, aber Phaos Begeisterung war ansteckend. "If you're happy, I'm happy."

"I very happy," strahlte Phao. "First time since Germany, I have real life. Not just sit home and wait for you."

Als Werner an diesem Abend im Bett lag und Phao neben sich schnarchen hörte - der süßliche Geruch von Thai-Whiskey hing noch in der Luft - fragte er sich, ob das der Anfang einer neuen Phase ihrer Ehe war.

Oder der Anfang vom Ende.

"MIA," flüsterte er in die Dunkelheit. "Meiner ist anders."

Aber diesmal klang es nicht mehr überzeugt. Es klang wie eine Beschwörung, ein verzweifelter Versuch, an etwas zu glauben, das vielleicht nie wahr gewesen war.

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FreundvonderMosel

Ich komme aus Ironien,ne kleine Insel vor Pattaya
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Es ist die Geschichte, die ich generiere, ich gebe zu, dass mir heute die KI in formuliere Rechtschreibung und Grammatik ein bisschen mehr Unterstützung leisten kann als früher.
Ok dann bin ich raus