Wir leben momentan in einer sehr nachrichtenarmen Zeit. In den ersten Tagen nach dem Quake überschlugen sich die Meldungen - die aufschlussreichsten waren noch Filmclips vom Einsturz. Ansonsten Ende März/Anfang April nur Spekulationen,Vermutungen, Lobbyistengeschwätz, und sonstiges unausgegorenes Zeug. Ernsthafte und belastbare wissenschaftliche Ergebnisse und Resultate von Laboruntersuchungen erwarte ich frühestens Ende Mai '25.
Eine gute Zusammenfassung aus den ersten Tagen stammt von einem indischen Journalisten: "It wasn’t just an earthquake that brought down the 30-storey skyscraper in Bangkok—it was a cocktail of alleged corruption, cost-cutting, and negligence." Also ein politisches Hauen und Stechen. Dazu kommen noch ingenieursmäßige Fehler in der Bauausführung (z.B. das leidige Thema der Kranbefestigung) und die geologischen Besonderheitem von Bangkoks Untergrund.
Nochmal zur Kranbefestigung: Nach den vorliegen Bildern und Filmclips gehe ich davon aus, dass der Kletterkran nicht von Boden aus hochgeklettert ist (ein Kletterturm neben der Fassade ist nirgendwo zu sehen), sondern er stand recht kurz unter der Gebäudeoberkante auf einer herauskragenden Plattform (massive Doppel-T-Träger?). Er war also am bzw. im Gebäude verankert. Das ist zwar unüblich und selten, kann man aber so machen wenn man nur mit statischen Belastungen (Normalbetrieb) rechnet. Hier jedoch lag ein dynamischer Lastfall vor, wegen der der schnellen und heftigen Auf- und Ab-Bewegung des Kranauslegers (erdbebeninduzierte Resonanzschwingungen). Ein Kranführer wird nun versuchen, durch Betätigung von Auslegerbremse und Auslegerwinde diese Schwingungen abzufangen. Wahrscheinlich hat der Kranführer das auch erfolglos versucht, und dabei eine oder beide Komponenten überlastet (Qualmwolken aus dem Maschinenhaus).
Völlig unabhängig von Erfolg/Misserfolg seiner Bemühungen: Die Schwingungen müssen sich auch auf seine Standplattform übertragen haben (zur Erinnerung: Oben im Gebäude, am Beton befestigt). Wenn dabei die Zugfestigkeit des Betons überlastet wird (Betonguss plus Stahlbewehrung) ist ein Einsturz unvermeidlich.
Wäre der Kran 'auf normale Weise' vom Boden aus hochgeklettert, dann wäre lediglich der Kran umgekippt, der Bau selbst aber fast unbeschädigt stehengeblieben.
Das bringt uns zur Frage, ob der Beton schon voll durchgehärtet war. Normalerweise dauert sowas 4 Wochen, man kann diese Frist durch flüssige Zuschlagstoffe verringern oder dehnen - die hohen blauen Plastiktonnen auf den Baustellen. In Saudi-Arabien haben wir wegen hoher Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit immer Abbindeverzögerer untergemischt, zusätzlich wurden frische Schüttungen immer mit Sackleinen abgedeckt und dieses mehrere Tage lang per Wasserschlauch feucht gehalten. Ich habe keine Ahnung, wie beim Katastrophenbau vorgegangen wurde.
Also im Durchschnitt 4 Wochen bis zur rechnerisch vollen Tragfähigkeit. War der Beton, in dem die Kranplattform verankert war, schon alt genug? Keine Ahnung.
Darauf wird bei Standardbauweise aber keine Rücksicht genommen. Auf einer gerade gegossenen Betondecke wird schon 2 Tage später die Schalung für die nächste Decke aufgestellt. Eine schnelle und gut eingespielte Truppe kann wöchentlich eine neue Decke giessen. Dabei wird ausgenutzt, dass Beton eine hohe Druckfestigkeit besitzt, auch schon am Anfang. Zugfestigkeit spielt hier keine Rolle.
Von einer Bewertung aller Faktoren im künftigen Abschlußbericht der Untersuchungskommission(en) erwarte ich also auch Antworten auf folgende Fragen:
- Wie genau war der Kran befestigt?
- Wie alt und zugfest war der Beton, in dem die Kranplattform befestigt war?
Zu meiner letzten Frage: In Saudi hat die amerikanische Architektenfirma von jedem Mischfahrzeug (6m³ Birne) zwei Proben gezogen und in einem Labor direkt neben der Baustelle untersucht - die erste sofort, und die zweite nach einem Monat. Wurde auch der flüssige Beton des Katastrophenbaus in gleicher Weise beprobt? Ergebnisse?
So, erstmal Schluß mit dem langweiligen(?) technischen Kram. Der nächste Beitrag wird dann endlich den sumpfigen Untergrund Bangkoks zum Thema haben. Stay tuned.
Wenn jemand Infos hat die meine oben geschilderten Lücken füllen können: Immer rein in den Thead - egal wie unwahrscheinlich es erstmal zu sein scheint.
Hat schon mal jemand was gehört oder gelesen, warum es in BKK mehr gewackelt hat als auf der Strecke dazwischen?
Nutze bis zu meinem nächsten Beitrag ruhig erstmal den Apparat. Ist ja nicht alles Scheisse was von dem kommt. Die Infos stimmen alle, nur Begründungen fehlen meist.
Einen Fakt hat aber auch der Apparat nicht gefunden; Erdbebenwellen entstehen nicht nur am Epizentrum, sondern entlang der gesamten Störungszone - im vorliegenden Fall auf ca. 200 km Länge. Das hat Folgen. Auf dem Weg nach Bangkok liegt somit keine völlig gleichmäßige Wellenbewegung mit gleichbleibender Amplitude vor, sondern bereits am Ort der Entstehung finden wir verstärkte und abgeschwächte Amplituden. Die unterschiedlichen Gesteinspakete zwischen Myanmar und Bangkok spielen da noch keine Rolle, die werden erst später durchlaufen.