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Joe

DBM schafft das Remonstrationsverfahren ab - ein aus meiner Sicht schwerer Fehler

Klimbim

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24 November 2024
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Ich betrachte die geplante Abschaffung des Remonstrationsverfahrens bei Schengenvisumsablehnungen in Manila mit großer Sorge.

Nach den bisher vorliegenden Informationen plant die deutsche Auslandsvertretung wohl wirklich allen Ernstes, dieses zentrale rechtsstaatliche Korrektiv zum 01.07.2025 ersatzlos zu streichen. Sollte sich dies bestätigen, stellt diese Entscheidung nicht nur einen juristischen Rückschritt dar, sondern birgt erhebliche Risiken für die Rechtssicherheit und das Vertrauen in unsere Verwaltungspraxis.

Das Remonstrationsverfahren ist weit mehr als eine bloße Formalität. Es ist eine unverzichtbare interne Kontrollinstanz, die es den Antragstellern ermöglicht, visumsablehnende Entscheidungen schnell, kostengünstig und effektiv überprüfen zu lassen – lange bevor der oft langwierige und kostenintensive Klageweg vor Gericht beschritten werden muss. Die ersatzlose Streichung dieses Verfahrens verengt den Rechtsschutz signifikant und führt dazu, dass Antragsteller direkt in einen für Laien schwer zugänglichen und ressourcenintensiven Verwaltungsrechtsstreit gedrängt werden.

Aus eigener Beobachtung, unter anderem anhand eines konkreten Falles im engsten Familienkreis, weiß ich, dass gerade unzureichend begründete oder fehlerhafte Ablehnungen häufig durch das Remonstrationsverfahren rasch und unbürokratisch korrigiert werden können. Dieses Verfahren ist damit nicht nur Ausdruck eines fairen und funktionalen Verwaltungsrechts, sondern auch ein Beitrag zur Verfahrensökonomie und zum Schutz der Antragsteller vor übermäßigen Hürden.

Besonders kritisch erscheint mir die geplante Änderung vor dem Hintergrund der Standortbeschränkung in Manila. Sie verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz eklatant, da Antragsteller je nach Einreichungsort unterschiedlichen Standards ausgesetzt sind – ein Zustand, der nicht nur rechtlich fragwürdig ist, sondern auch das Ansehen unserer Auslandsvertretungen beeinträchtigt.

Ich appelliere dringend an die verantwortlichen Stellen, diese Entscheidung nochmals eingehend zu prüfen und offener zu kommunizieren. Ohne transparente Daten zur Nutzung des Remonstrationsverfahrens und eine nachvollziehbare Bewertung der Konsequenzen droht nicht nur eine juristische Anfechtbarkeit, sondern auch ein erheblicher Reputationsverlust.

In einem Rechtsstaat sind interne Kontrollmechanismen wie das Remonstrationsverfahren kein Luxus, sondern unverzichtbare Pfeiler eines funktionierenden, gerechten Verwaltungsprozesses. Die Abschaffung dieser Instanz sollte daher gut begründet und mit größter Sorgfalt erfolgen – andernfalls drohen wir einen Rückfall in ineffiziente und potenziell rechtswidrige Verfahrenspraktiken.

Es ist unmissverständlich festzuhalten, dass Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes – der Gleichbehandlungsgrundsatz – keine bloße Empfehlungsnorm oder verwaltungsinterne Leitlinie darstellt, sondern eine unmittelbar geltende und durchsetzbare Rechtsnorm von Verfassungsrang ist. Die geplante ersatzlose Streichung eines zentralen Rechtsbehelfs, der bislang eine effektive und kostengünstige Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen ermöglicht, droht daher, diesen fundamentalen Rechtsgrundsatz in eklatanter Weise zu verletzen.
 

floodland

leck mich doch...........
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9 April 2009
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Ich appelliere dringend an die verantwortlichen Stellen, diese Entscheidung nochmals eingehend zu prüfen

Die verantwortlichen Stellen dürften sich wohl nicht unbedingt hier im Forum tummeln..... ;)

Mich würde aber mal interessieren wieviel Prozent der durchgeführten Remonstrationen überhaupt letztlich zu einer positiven Entscheidung für den Antragsteller führten, bzw. erfolgreich waren. Gibt es dazu irgendwo eine Übersicht?

Zu den erteilten und nicht erteilten Visa gibt es das ja auch. :unsure:
 
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Klimbim

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24 November 2024
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Die verantwortlichen Stellen dürften sich wohl nicht unbedingt hier im Forum tummeln...

Lieber Floodland,


dem möchte ich widersprechen, zumal mir die dortige Praxis nicht ganz unbekannt ist und insgesamt bei mir auf Bedenken stößt.

Massive Bedenken. An der von mir bereits geäußerten Stelle und auch an einigen anderen Kriterien, die ich bei der Gelegenheit mit dem aus meiner Sicht "schlimmsten" mal aufgreifen darf.

Generell:

Es ist – wie ich bereits sagte – keineswegs abwegig, sondern im Gegenteil durchaus naheliegend, dass die Deutsche Botschaft in Manila ein Auge auf digitale Asienforen wirft, in denen sich sogenannte Asienfreunde zu aufenthaltsrechtlichen Verfahren äußern. In einer pluralisierten digitalen Öffentlichkeit erscheint es technisch leicht realisierbar und administrativ nicht untypisch, dass staatliche Stellen versuchen könnten, informelle Stimmungsbilder zu erfassen – insbesondere dann, wenn diese Plattformen regelmäßig Kritik an Effizienz, Transparenz oder Rechtsklarheit von Visums- und Rückführungsverfahren zum Ausdruck bringen.

Genau an diesem Punkt sehe ich erhebliche verfassungsrechtliche Problemanzeigen. Denn selbst die hypothetische Beobachtung privater oder halböffentlicher Diskursräume durch staatliche Stellen – etwa zur Einschätzung von Haltungen oder Motivlagen – berührt fundamentale Prinzipien des liberalen Rechtsstaats.

Eines dieser Prinzipien scheint mir besonders sensibel berührt: das Erfordernis eines sogenannten „Rückkehrwillens“. Ich habe mir die dahinterliegenden Anforderungen inzwischen näher angesehen – nicht aus persönlichem Anlass, sondern aus beruflicher Neugier – und muss sagen: Die Konstruktion dieses Kriteriums ist aus rechtsdogmatischer Sicht höchst fragwürdig.

Letztlich handelt es sich beim Rückkehrwillen um ein inneres Geschehen – also einen Willensakt –, der dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unterfällt. Eine administrative Prüfung dieses inneren Vorgangs läuft unweigerlich auf eine Form von Gesinnungskontrolle hinaus, die begrifflich nicht objektivierbar ist. Hinzu kommt, dass in der Praxis häufig eine Umkehr der Beweislast stattfindet: Die betroffene Person muss gleichsam beweisen, dass sie nicht bleiben will – eine Negativtatsache. Das widerspricht sowohl dem rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verwaltungsverfahren als auch dem Bestimmtheitsgebot, da der Begriff „Rückkehrwille“ keinerlei normativ belastbare Kontur aufweist und dadurch äußerst weite Ermessensspielräume erzeugt.

Sollte es – und diese Vermutung halte ich persönlich für naheliegend – tatsächlich dazu kommen, dass in Entscheidungsprozesse Äußerungen aus einschlägigen Internetforen einfließen, um vermeintliche Rückschlüsse auf den Rückkehrwillen zu ziehen, verschärft sich die rechtsstaatliche Problemlage zusätzlich. Auch spontane oder alltagssprachliche Meinungsäußerungen im digitalen Raum, selbst in semi-öffentlichen Kontexten, stehen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und – sofern sie in geschlossenen Gruppen erfolgen – potenziell unter dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG). Die Erhebung solcher Aussagen ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage stellt aus meiner Sicht einen Eingriff in Grundrechte dar. Sie kann zugleich einen sogenannten „chilling effect“ auslösen, also dazu führen, dass sich Menschen aus Angst vor negativen Folgen gar nicht mehr offen äußern. Der demokratische Diskurs leidet – und die Entscheidungspraxis wird intransparent, wenn aus vereinzelten, möglicherweise aus dem Zusammenhang gerissenen Bemerkungen weitreichende Schlüsse gezogen werden.

Aus der Sicht eines klassisch liberalen Verfassungsverständnisses ist dies hochproblematisch. Ein freiheitlicher Staat darf nicht zum Ermittler innerer Gesinnung seiner Bürgerinnen und Bürger werden. Wenn verwaltungsrechtliche Entscheidungen maßgeblich auf subjektiv interpretierte Äußerungen gestützt werden, keimt eine obrigkeitsstaatliche Haltung auf, die dem Geist des Grundgesetzes diametral entgegensteht. Die liberale Perspektive verlangt Vertrauen in den Rechtsunterworfenen, nicht seine latente Verdächtigung. Ein Staat, der in den Bereich innerer Willensvorgänge vordringt und diesen zur Voraussetzung macht, verlässt den Boden des objektivierten Verwaltungsrechts.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für geboten, das Rückkehrwillenskriterium grundsätzlich zu überdenken – nicht aus polemischer Absicht, sondern aus tiefer rechtsstaatlicher Sorge. Der Maßstab für Aufenthaltstitel muss objektivierbar, überprüfbar und gesetzlich normiert sein. Alles andere gefährdet das Vertrauen in ein gerechtes, liberales Verwaltungsverfahren.

Ich würde eine generelle komplette Überprüfung dieser Verfahrenspraxis in umfassender Form durch Fachjuristen bei den Visaabteilungen begrüßen - im Hinblick auf sehr viele Apspekte, wäre das aus meiner Sicht nicht zwingend verkehrt.

Naja... ich war eben mal so richtig in Schwung...

P.S wenn ich in etwa 3 Jahren in den Ruhestand gehe kann ich mir es als Freizeitaktivität durchaus vorstellen, da genauer hin zu sehen. Momentan noch nicht. Ich bin ja mal auf sowas "abgerichtet" worden... lange her,
 
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floodland

leck mich doch...........
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9 April 2009
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Hilfe, ich wollte doch nur anmerken dass du dein Apell vielleicht an einem etwas unpassendem Ort veröffentlichst und vielleicht eine Info über den Erfolg von Remonstrationen erhalten falls solche Daten öffentlich sind.......:bigsmile

Mal im Ernst, ich weiss dass im info4alien Forum früher zumindest Mitarbeiter von Ausländerbehörden und wohl auch teilweise von deutschen Auslandsvertretungen mitgelesen haben, da würden deine Bitten eventuell mehr Gehör finden bzw. auf eine breitere Zielgruppe treffen. (y)

Teilweise waren die Mods auch Behördenmitarbeiter wenn ich mich recht entsinne.....
 

Klimbim

Schreibwütig
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24 November 2024
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Teilweise waren die Mods auch Behördenmitarbeiter wenn ich mich recht entsinne.....


Wie kommst Du darauf? Interessant. Ich interessiere mich dafür aus fachlicher Sicht. Momentan bin ich noch voll ausgelastet. Ich wurde ja schon öfters gefragt, das ich denn im Ruhestand gerne machen würde.

Nun ja.
 

Klimbim

Schreibwütig
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24 November 2024
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Steht da im Bild ganz oben nicht weltweit? Wird dann wohl überall so sein. Andere Länder hatten noch nie eine Remonstration.

Ich sehe bislang nur die DBM. Allerdings ja, der Einwand ist im Hinblick auf Art. 3 GG nicht unerheblich - ich sag das wie gesagt bislang nur Manila betreffend und werde das nachrecherchieren, sehr genau.

Danke

Auch wenn eine Regelung „weltweit“ gilt, entbindet das keine Auslandsvertretung von der Pflicht, sie verfassungskonform, verhältnismäßig und einzelfallgerecht umzusetzen
 
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Klimbim

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Steht da im Bild ganz oben nicht weltweit? Wird dann wohl überall so sein. Andere Länder hatten noch nie eine Remonstration.

... ob andere Länder wiederum ein Remonstrationsrecht haben oder hatten, ist irrelevant hinsichtlich der Frage, ob es rechtsstaatlich sauberer wäre es beizubehalten.

denn...das Argument, andere Länder hätten noch nie eine Remonstration gehabt (wenn Du das meinst), trägt aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht. Der Maßstab in Deutschland ergibt sich nicht aus dem internationalen Minimalstandard, sondern aus der Bindung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Das Fehlen eines Rechtsbehelfs in anderen Staaten rechtfertigt keine Schwächung des Rechtsschutzes im deutschen Konsularverfahren – im Gegenteil: Es unterstreicht die Bedeutung rechtsstaatlicher Korrekturmöglichkeiten wie der Remonstration.

Ich entnehme aber eher, dass die Botschaft das für Anträge aus allen Ländern abschafft - die Information bezieht sich auf die DBM - aber ich muss nochmals überprüfen. Entnahm das einem Hinweis, der mir nicht genügt.
 
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JohnyHH

Kennt noch nicht jeder
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28 Januar 2025
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"zum Teil erhebliche Mitarbeitendenkapazitäten freigesetzt"

Tja, was soll man dazu sagen?
Dieses Remonstrationsverfahren bindet die Mitarbeiter ja nur weil Anträge abgelehnt werden mit nicht nachvollziehbaren Gründen.
 
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wiwowa

gönnt sich eine Auszeit ...
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28 Juli 2017
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---
für die Rechtssicherheit und das Vertrauen in unsere Verwaltungspraxis.
Wundert es Dich? Hab Dir doch an anderer Stelle gesagt wo die Reise längst hin geht.
ABER jetzt konstruktiv gefragt, was bleibt einem denn nun, wenn eine Entscheidung zum Beispiel klar NICHT im Sinne oder nach den Buchstaben des Gesetzes wäre? Heisst es dann wirklich “Arschkarte” und alles neu stellen in der Hoffnung das der Outcome dann anders ist? Mit allem was dran hängt wie zum Beispiel Unterlagen aktualisieren etc.

Ist eine ernsthafte Frage weil Du dich in dem Bereich ja doch etwas mehr auskennst.

EDIT: also was heißt das konkret, muss man dann in DE einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen? Welche Kosten sind damit dann so grob verbunden?
 

Earn

Gibt sich Mühe
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17 Oktober 2024
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Ich bin ja ein Freund differenzierter Diskussionen – aber hier schießt jemand mit der Grundrechte-Kanone auf einen Verwaltungsakt.
In Bangkok wurde das Remonstrationsverfahren längst (1.1.24) abgeschafft . Völlig unspektakulär und ohne dass sich das Grundgesetz aufgelöst hätte.

Für Manila wird daraus nun ein dramatisches Lehrstück über den Untergang des Rechtsstaats inszeniert.

Der Eröffnungsbeitrag riecht stark nach: „Ich bin Verwaltungsjurist und will, dass das jemand merkt.“
 

wiwowa

gönnt sich eine Auszeit ...
   Autor
28 Juli 2017
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Für Manila wird daraus
also ich hab 3 Kumpels mit Filipinas zwei haben das Remonstrarionsverfahren oder wie auch immer das heißt gebraucht … der 3. umging die Botschaft dort nach der ersten Ablehnung einfach eiskalt. Über Thailand/Bangkok hab ich mehr Gutes gehört. Ich sag ganz ehrlich, ich hab das Verfahren und dessen Notwendigkeit eh nie verstanden, weil es ja eigentlich nur dann was nützt wenn davor Kacke gearbeitet wird und das mehr oder minder per default und wissentlich.
 
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Klimbim

Schreibwütig
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24 November 2024
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Wundert es Dich? Hab Dir doch an anderer Stelle gesagt wo die Reise längst hin geht.
ABER jetzt konstruktiv gefragt, was bleibt einem denn nun, wenn eine Entscheidung zum Beispiel klar NICHT im Sinne oder nach den Buchstaben des Gesetzes wäre? Heisst es dann wirklich “Arschkarte” und alles neu stellen in der Hoffnung das der Outcome dann anders ist? Mit allem was dran hängt wie zum Beispiel Unterlagen aktualisieren etc.

Ist eine ernsthafte Frage weil Du dich in dem Bereich ja doch etwas mehr auskennst.

EDIT: also was heißt das konkret, muss man dann in DE einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen? Welche Kosten sind damit dann so grob verbunden?

Hoi @wiwowa

Bevor ich zur Kritik ansetze, sei fairerweise gesagt: In den Visastellen wird nicht nur abgelehnt, sondern oft auch bemerkenswert pragmatisch und sachgerecht gearbeitet – trotz begrenzter Ressourcen und wachsender Erwartungen. Dass dabei gelegentlich das Ankreuzfeld die Einzelfallprüfung ersetzt, mag man als systembedingte Verkürzung durchgehen lassen – aber eben nicht immer als rechtsstaatlich tragfähige Begründung. Kurzum: Vieles läuft erstaunlich gut. Nur das, was schiefläuft, fällt Juristen eben besonders auf.

In Fällen, in denen eine behördliche Entscheidung – etwa im Bereich des Ausländer- oder Aufenthaltsrechts – offensichtlich nicht im Einklang mit dem Gesetz oder den unionsrechtlichen Anforderungen steht, stellt sich die berechtigte Frage, welche effektiven Handlungsmöglichkeiten dem Betroffenen tatsächlich verbleiben. Besonders häufig zeigt sich diese Problematik im Kontext von standardisierten Ablehnungen, beispielsweise im Schengen-Visaverfahren, bei denen im Rahmen sogenannter Ankreuzentscheidungen pauschale Formulierungen wie „fehlender Rückkehrwille“ angeführt werden, ohne dass eine hinreichend einzelfallbezogene Begründung erfolgt. Eine solche Begründungspraxis kann in Konflikt mit den Anforderungen des Unionsrechts stehen – insbesondere mit Art. 32 Abs. 2 des Visakodex – der verlangt, dass die Ablehnung nachvollziehbar, konkret und am Einzelfall orientiert zu begründen ist. Der Rückgriff auf bloße Textbausteine ohne erkennbare individuelle Subsumtion wird regelmäßig als problematisch angesehen, sowohl aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes als auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.

Die Frage, ob eine Remonstration gegen eine solche Entscheidung sinnvoll ist oder ob unmittelbar Klage erhoben werden sollte, lässt sich nicht pauschal beantworten, doch zeigt die verwaltungsrechtliche Praxis, dass es in bestimmten Konstellationen durchaus prozesstaktisch klug sein kann, bewusst nicht zu remonstrieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die behördliche Entscheidung offensichtlich fehlerhaft oder in ihrer Begründung unhaltbar erscheint, da eine Remonstration der Behörde die Möglichkeit eröffnen kann, die Mängel im Nachgang zu heilen – was den gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Ergebnis verschieben könnte. Eine unmittelbare Klage führt hingegen dazu, dass das Verwaltungsgericht die ursprüngliche Entscheidung – mitsamt ihrer etwaigen Begründungsdefizite – in den Blick nehmen muss. Damit rücken mögliche Verfahrens- oder Begründungsfehler stärker in den Fokus, was in der gerichtlichen Bewertung zugunsten des Antragstellers ausschlagen kann. Ein solcher Schritt ist jedoch stets mit einem gewissen Kostenrisiko verbunden: Bei Klagen vor dem Verwaltungsgericht Berlin etwa – bei einem angenommenen Streitwert von 5.000 Euro – sind Gerichts- und Anwaltskosten in einer Größenordnung zwischen etwa 1.300 und 1.600 Euro realistisch, sofern keine mündliche Verhandlung stattfindet und die Klage abgewiesen wird.

Viele Verfahren enden allerdings durch Vergleich, was die tatsächliche Kostenbelastung schwer kalkulierbar macht. Hinzu kommt eine strukturelle Systemfrage: Der Rückzug von remonstrativen Verfahren zur Verwaltungsentlastung führt in der Konsequenz nicht selten zu einer Verlagerung der Konflikte in die gerichtliche Ebene, was insbesondere bei massenhaft auftretenden Fallgruppen wie Visaverfahren eine zusätzliche Belastung für die Justiz bedeutet. Die Justiz wiederum sieht sich dann mit einer Vielzahl von Klagen gegen häufig formal unzureichend begründete Verwaltungsakte konfrontiert, was zu einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen rechtsstaatlicher Kontrolle, verwaltungsökonomischer Steuerung und gerichtlicher Kapazität führt. Vor diesem Hintergrund ist es weder verwunderlich noch strukturfremd, dass die gerichtliche Kontrolle zu einem entscheidenden Korrektiv verkommt, das dort eingreifen muss, wo die verwaltungsinterne Qualitätssicherung – sei es aus Zeitdruck, aus personeller Überlastung oder aufgrund systematischer Standardisierung – versagt.

Insgesamt zeigt sich, dass eine rein formalistische Betrachtung dem Problem kaum gerecht wird. Die strategische Entscheidung zwischen Remonstration und unmittelbarer Klage hängt maßgeblich von der Qualität der behördlichen Entscheidung, vom Gewicht des Anliegens sowie von prozesstaktischen Überlegungen ab – immer eingebettet in das Spannungsfeld zwischen verwaltungspraktischer Realität und verfassungsrechtlich gebotenem Rechtsschutz.

Ich halte das Abschaffen der Remonstration für einen Fehler...

Lieben Gruss auch an die ggf. Mitlesenden aus der Visaabteilung.

P.S.

Lieber @wiwowa

ich finde deine kritischen Anmerkungen oft sehr treffend und wichtig. Nur eine kleine Bitte: Lass uns versuchen, trotz verständlichem Ärger sachlich zu bleiben. Deine Argumente haben Gewicht – und sie wirken am stärksten, wenn sie ruhig und klar vorgetragen werden. Danke dir!
 
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Klimbim

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24 November 2024
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Ich halte das Abschaffen der Remonstration für einen Fehler...

Das ist Deine Meinung jedoch gibt es sicherlich gute Gründe für die Abschaffung.

Genau. Und die habe ich ausführlich dargelegt (meine Gründe die erklären, dass es sich um einen Fehler handelt). Ich verweise auf meine Ausführungen.
 

Otto Normalverbraucher

out of order
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3 April 2023
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9.575
2.415
EDIT: also was heißt das konkret, muss man dann in DE einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen? Welche Kosten sind damit dann so grob verbunden?

Visum von DE abgelehnt: Klage beim Verwaltungsgericht Berlin
Visum von AT abgelehnt: Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Wien
Visum von CH abgelehnt: Klage beim Staatssekretariat in Bern

Zu den Kosten kann ich dir nur von AT berichten, die sind nicht homöopathisch*, es besteht keine Anwaltspflicht, die Erfolgsaussichten sind -auch wenn die Klage einigermaßen gut begründet ist- nicht soooo gut, problematisch ist die Verfahrensdauer.

Das Hauptproblem: Es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Ausstellung eines Schengen Visums. Meiner Erfahrung nach (ich habe mich einige Jahre ehrenamtlich in einem Verein, der Menschen in Fragen des Visa- und Aufenthaltsrechts unterstützt, engagiert) wird die überwiegende Zahl der Ablehnungen mit Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft begründet, da sind die Erfolgsaussichten im Rechtsweg bescheiden.

* Gebühren
 
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Klimbim

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24 November 2024
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Wundert es Dich? Hab Dir doch an anderer Stelle gesagt wo die Reise längst hin geht.

Ich kann Dir sagen wohin die Reise geht, wenn wir nicht aufpassen...

Wenn der Rechtsstaat an Boden verliert – in der gesellschaftlichen Akzeptanz wie auch in der politischen Praxis – steht weit mehr auf dem Spiel als nur der gute Zustand der Verwaltung. Was erodiert, ist das Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung selbst: die Bindung staatlichen Handelns an Recht und Gesetz, die Gewaltenteilung und die gerichtliche Kontrolle exekutiver Maßnahmen.

Ein Blick nach Russland zeigt, wohin diese Entwicklung führen kann. Unter dem Deckmantel formaler Legalität ist dort ein System entstanden, das den Schein des Rechts wahrt, aber seine Substanz längst ausgehöhlt hat. Gerichte dienen der Bestätigung politischer Vorgaben, Oppositionelle werden systematisch kriminalisiert, und das Gewaltmonopol wird nicht im Dienst des Rechts, sondern zur Stabilisierung autoritärer Machtstrukturen eingesetzt.

Auch in den USA lassen sich unter Donald Trump bedenkliche Erosionen verfassungsstaatlicher Prinzipien beobachten – von Angriffen auf unabhängige Gerichte und Wahlinstitutionen bis hin zu einer Rhetorik, die die Legitimität demokratischer Wahlen untergräbt. Wo die Verfassung zur bloßen Kulisse degradiert wird, ist der Weg zu ihrer faktischen Aushöhlung nicht mehr weit.

Mit Sorge muss man auch auf Entwicklungen in Deutschland blicken: Wenn der Bundesinnenminister öffentlich die pauschale Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze propagiert – trotz rechtskräftiger Urteile, die eine solche Praxis als rechtswidrig einstufen –, dann stellt sich nicht nur die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Äußerung oder politischen Weisung (je nach rechtlicher Qualität), sondern nach dem Respekt vor der unabhängigen Justiz. Das bringt mich persönlich maximal auf die Palme, davon kannst Du ausgehen - jeder Liberale springt da im Dreieck.

Rechtsstaatlichkeit bemisst sich nämlich nicht zuletzt daran, ob politische Verantwortungsträger Gerichtsurteile als bindende Korrektur ihres Handelns begreifen – oder als bloße Meinungsäußerungen ohne Konsequenz.

Werden Letztere ignoriert, ohne die eigene Haltung zu überdenken, droht eine Entwertung rechtsstaatlicher Kontrolle. Und genau dort beginnt der schleichende Verlust dessen, was das Grundgesetz verteidigen will: die Würde des Rechts gegenüber der Willkür der Macht.

Und ja lieber @wiwowa , um das ganz klar zu kennzeichnen:

In einem Rechtsstaat ist nicht die jeweils aktuelle Mehrheitsmeinung – so laut oder verbreitet sie auch sein mag – die Richtschnur staatlichen Handelns, sondern das geltende Recht in seiner verfassungsmäßigen Ordnung. Das Grundgesetz schützt bewusst auch unpopuläre Rechte und Minderheiteninteressen – gerade weil Mehrheitsentscheidungen in der Geschichte allzu oft zu Unrecht und Ausgrenzung geführt haben.

Die Menschenwürde, das Asylrecht oder die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht sind nicht relativierbar durch demoskopische Stimmungen oder politischen Opportunismus. Die sogenannte „Volksmeinung“ ist kein verfassungsrechtlicher Maßstab, sondern Teil des demokratischen Diskurses – der aber gerade durch verfassungsrechtliche Schranken vor Entgleisungen geschützt wird.

Ein Staat, der beginnt, geltendes Recht an gefühlten Mehrheiten auszurichten, gefährdet nicht nur rechtsstaatliche Prinzipien, sondern ebnet autoritären Versuchungen den Weg. Denn dann entscheidet nicht mehr das Recht über die Macht – sondern die Macht über das Recht.

Ich könnte es vulgär formulieren - nicht mein Ding.


Grüße
 

wiwowa

gönnt sich eine Auszeit ...
   Autor
28 Juli 2017
5.363
60.632
4.568
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sondern das geltende Recht in seiner verfassungsmäßigen Ordnung
Genau darum geht es und die wird halt inzwischen massenhaft mit Füßen getreten. Du hast oben die Kosten erwähnt, danach @Otto Normalverbraucher das Thema Zeit.

Man bleibt ja quasi immer auf mindestens gut der Hälfte sitzen und verplempert mind. Monate … wenn man denn Glück hat.

Damit lohnt sich eine professionelle Vorbereitung des ganzen um so mehr, kann damit am Ende deutlich günstiger gehen.

sondern ebnet autoritären Versuchungen den Weg.
Genau so ist es … zudem wenn man Gesetze durch einfache Rundschreiben mit Handlungsanweisungen ersetzt.

Ansonsten danke für die Ausführungen, mir ging es nur darum ob ich mit meinem Bauchgefühl/meiner Einschätzung grob richtig liege.