Heute:
Der Mann tanzt einsam.
Von einem Bein auf das andere. Seine Füße stecken in bunten Turnschuhen der Marke NB. Nicht die Sorte, welche im Jahr 2013 Jahren hip waren, sondern solche, mit denen man wahrscheinlich richtig rennen kann. Die Jeans ist weit über die Hüfte gezogen und verkürzt den dicken Oberkörper enorm. In die Hose gesteckt ist ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Good Morning Vietnam“. Die Brille mit Metallgestell, die Gläser wirken graubraun und schmierig. Ein glatt rasiertes Gesicht, gekrönt von einer Nike Kappe. Seine Tanzfläche wird begrenzt durch das Kabel seines Smartphones, welches er zum Laden in die einzige Steckdose weit und breit gesteckt hat.
Der Flug möchte jetzt bitte bald aufgerufen werden. Mein drittes Heineken ist leer. In die Verkäuferin habe ich mich verliebt.
Vom Flughafen nehme ein Taxi, es ist ein brandneuer weißer Toyota Crown, zum Hotel Cambodiana. Die Accor Gruppe und damit die Marke Sofitel hatte den Vertrag 2001 gekündigt, der General Manager danach mehrfach gewechselt. Der Flughafen ist groß, neu und nicht fertig. Überall wird gehämmert und gearbeitet.
Auf der Fahrt zum Hotel sehe ich viele Hochhäuser, die ich nicht kenne.
Es fängt plötzlich heftig zu regnen an. Der Scheibenwischer läuft auf Maximum, ebenso die Klimaanlage. Der Verkehr kommt zu erliegen. Junge Männer mit schönen Frisuren auf Mopeds versuchen erfolglos sich und ihre Mobiltelefone vor dem Regen zu schützen. Die Frauen waren schlauer. Sie sind nicht zu sehen.
Die Ankunft verläuft wie damals. Es hat sich nichts verändert. Ich sei vor vielen Jahren schon einmal hier gewesen, erzähle ich. Damals, als es noch ein Sofitel gewesen sei. Da habe sie auch schon hier gearbeitet, entgegnet die freundliche Dame am Empfang. Ich kann mich leider nicht an sie erinnern und bekomme ein Zimmer in der fünften Etage mit Blick auf den Fluss für 100 USD die Nacht.
Eine Konferenz findet im Hotel statt. Es geht um globalen Umweltschutz und Wasserwirtschaft.
Die Aufzüge sind neu. Das ist alles. Im Flur des fünften Stocks sind die Fenster offen. Die Flure sind unendlich lang, leer und einsam. Der Teppich war früher grün. Jetzt erinnert die Farbe an die Brille des Tänzers. Die Beleuchtung ist grell und unheimlich. Die Vorhänge wehen lautlos im Wind. Ich schließe meine Zimmertür ab. Das Telefon klingelt. In einer Woche soll ein Oktoberfest im Hotel stattfinden. Dann bin ich schon weg.
Zum Frühstück gehe ich in die Lounge in der fünften Etage. Ich bin alleine mit dem Kellner. Er bedient den Kaffeautomaten für mich und entschwindet, um mir Rührei zu holen. Ich trinke den Kaffee und warte. Es ist so kalt hier. Ich regle die riesigen mobilen Klimaautomaten hinunter. Der Kellner erscheint eine halbe Stunde später mit dem kalten Rührei und regelt die Klimaanlage hoch. Ich schaffe es den Kellern zu überlisten und meinen Kaffee am Automaten selbst zu holen. Das hat ihm nicht gefallen.
Die Uferpromenade wird gesäumt von Costas Coffee, The Pizza Company und Dairy Queen. 3 in a Row. Davor, im Dunkel der Nacht, Straßenbeleuchtung und Lärm trotzend, die Tuk Tuk Fahrer, dösend und auf Kunden und Dollars wartend.
Der KIWI Mart gleicht nachts aus der Ferne einem Diamanten aus Licht. Die hässlichste Neonreklame der Welt, es ist tatsächliche eine Scheibe KIWI abgebildet, hat einen grellen neonweißen Grundton mit grünen und roten Anstrichen. Rechts und links davon sind jeweils 4 ungelenke Vögel zu erkennen. Meine Augen schmerzen. Ich kaufe mir ein Magnum Eis. Die Nebenstrassen sind leer und dunkel. Unter einem blauen Schild mit der Aufschrift „Samsung“ schläft ein Mann in seinem Tuk Tuk.
Die Musik im Heart of Darkness ist so laut, dass ich den Titel nicht zu erkennen vermag. Ich flüchte in die erste Etage und beobachte von dort, wie ein junger Mann mit Dreadlocks einen aberwitzigen Tanz mit sich selbst aufführt. Die Gäste schauen ihm still zu. Es ist
1:30.
Die Balkone der Häuserfassaden auf der Kampuchea Boulevard sind blau, gelb, rosa, beige und grün gestrichen. Ich suche das Hotel Paris und finde es nicht. Am nächsten Tag versuche ich es erneut, wir fahren mit dem Moped den Boulevard rauf und runter. Der Fahrer ist bemüht, hält ständig an und fragt Passanten nach dem Weg zum Hotel. Die Leute kennen es. Schließlich, wir sind mehrfach daran vorbei gefahren, finden wir es. Es ist eine Baustelle. Die Bauarbeiter und mein Fahrer haben weitere Empfehlungen für mich, die ich lachend ablehne.
Ich besuche die neueste und größte Mall. Dort gibt es die Microbrewery Munich. Ein Beer Gold kostet 2,30USD, der Beer Tower 13,00USD. Bei The Lobster gibt es Seafood und Kenny Rogers verspricht Roasters. Bis auf das Frühstück im Hotel, ist mir keine Mahlzeit in Phnom Penh in Erinnerung geblieben. Im riesigen Kino schaue ich mir Gänsehaut (Goosebumps) mit Jack Black als R.L. Stine an. Der Eintritt hat zu Glück nur 3 USD gekostet.
Fünf Minuten entfernt ist das „neue Sofitel“. In der Lobby hängen unzählige Schirme von der Decke herab. Der Raumparfümeur war sehr motiviert. Ich muss an Abercrombie und Fitch denken. Das Hotel ist umgeben von Baustellen. Sonst ist da nichts...