Thread Starter
- 4 Januar 2009
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Huhu bin grad zurück vom Urlaub vom Urlaub k
Grad schee woars, das Oktoberfest am Mekong
>>
Stimmungshoch am Mekong-Ufer: In Phnom Penh haben Tausende Hauptstädter und Exilanten ein rauschendes Oktoberfest gefeiert. Statt Dirndl führten die Damen glitzernde Partykleidchen aus - doch Nürnberger Würstchen und Polonäse Blankenese begeisterten auch die Khmer.
"Tigern mer noch oanen", sagt Matthias Adam und macht sich auf Richtung Theke. Zurück kommt er mit zwei Wasserkaraffen voll mit "Tiger"-Bier. "Hier gibt es ja keine Maßkrüge", grinst der Frontmann der "Lumpn", bevor er und seinen drei Lumpenkollegen mit den Karaffen bewaffnet auf die Bühne klettert. Hier, das ist Phnom Penh, wo am Wochenende am Mekong ein rauschendes Oktoberfest gefeiert wurde. So richtig mit Zelt, Bier und eben der Stimmungskapelle "Die Lumpn" aus dem bayerischen Stachesried.
Bevor aber Bierzeltschlager wie "Hossa, Hossa" und "In München steht ein Hofbräuhaus" durch das weiß-blau geschmückte Festzelt dröhnen, erklärt einer der Lumpen seinem Publikum die beiden Grundregeln für ein zünftiges Oktoberfest. Erstens: "Immer, wenn dieses Lied ertönt, müsst ihr anstoßen und trinken." Die Band intoniert "Ein Prosit der Gemütlichkeit". Dann begeistert Adam die kambodschanischen Zuhörer mit der Khmer-Übersetzung des Trinkspruchs: "Loug Kev Leag!", was sinngemäß in etwa "Gute Gesundheit und viel Glück" bedeutet.
Regel Nummer eins wird gleich ein paar Mal mit großem Erfolg durchexerziert, bevor Regel Nummer zwei erläutert wird. Die besteht aus einem Wort: "Schunkeling". Schunkeling zu Schunkeling-Klassikern wie dem "Kufsteinlied" wird aber nur mit Hingabe von der deutschen Bezugsgruppe in der schwül-warmen Tropennacht praktiziert. Was nicht heißt, dass die asiatischen Neubayern starr und steif dagesessen hätten. Im Gegenteil. Flugs stehen sie auf den Tischen, stürmen die Bühne, tanzen außer Rand und Band.
Leberkäse kommt an, Sauerkraut weniger
Sekhon ist begeistert: "So habe ich mir das Oktoberfest vorgestellt. Ich kannte das bisher ja nur aus dem Fernsehen", sagt er verschwitzt, aber strahlend. Dann die bange Frage: "Ist das so wie das Original?". Über Antwort "Ja, nur in München ist alles noch größer, noch lauter" freut er sich, nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Bierglas und sagt mit Bestimmtheit: "Eines Tages werde ich es mir leisten können, mal zum richtigen Oktoberfest zu reisen."
Die vier "Lumpn" sind begeistert von der guten Stimmung in Phnom Penh. "Im Ausland sind die Menschen fast von Anfang an gut drauf. Die Deutschen brauchen einiges an Bier, bis sie aus sich herausgehen ", räsoniert Adam, der mit seinen Lumpen immerhin schon in Südafrika, in Brasilien und gar im Jemen aufgetreten ist, aber Phnom Penh findet er besonders gut. "In Brasilien sind wir unter freiem Himmel vor 40.000 Menschen aufgetreten. Das war schon toll. Aber hier gibt es ein Bierzelt, das ist halt schon authentischer."
An das im Eintrittspreis von 18 US-Dollar inbegriffene bayerische Buffet wagt sich so mancher Khmer nur mit Vorsicht. Pau, ein junger Taxiunternehmer, probiert zunächst nur Minihäppchen. Sein spontaner Kommentar über Sauerkraut: "Das ist nichts für mich." Leberkäse findet er Klasse, aber über den süßen Senf rümpft er die Nase. Nürnberger Würstchen, Schweinebraten und Knödel begeistern ihn.
Zum "Verdauungsspaziergang" schließt sich Pau der Polonäse Blankenese an, einer Frohsinnsübung, die unter den Asiaten erheblich mehr Anklang findet als Schunkeling. Pau ist zum Fest gekommen, weil er mal sehen wollte, ob Deutsche überhaupt feiern können. Seine deutschen Taxikunden seien meist so ernst und manchmal ein wenig bärbeißig, sagt er. "Ich bin überrascht, dass Deutsche so fröhlich sein können", gibt er zu.
Im Partykleidchen zur Polonäse
Das Publikum, an beiden Abenden zusammen immerhin gut 4000 Menschen, ist bunt gemischt. In Phnom Penh lebende Deutsche und Engländer, Amerikaner und Chinesen, Japaner und Koreaner, Diplomaten und Geschäftsleute amüsieren sich wie Bolle. Etwa die Hälfte der Oktoberfestbesucher am Mekong sind einheimische Khmer, und so manche der neureichen Khmer-Ladies erscheint ziemlich aufgedonnert zum Volksfest: zu grelles Make-up, aufgetuffte Frisuren, zu viel zu glänzender Schmuck und teure Partykleidchen. Man zeigt halt gerne, was man hat. Auch der Besuch des Oktoberfestes, also einer internationalen Veranstaltung, ist Beweis von Status und Weltläufigkeit.
Die Khmer-Damen lassen sich schnell von den "Lumpn" und dem Bier ihre blasierte Vornehmheit vertreiben und in Partylaune versetzen. Auf das Kommando "Die Gläser hoch" recken sie die Biergläser in die Luft, prosten sich zu und kippen ihr Bier. Sokha, die stolz erzählt, dass ihr Mann für eine "große Bank" arbeitet, findet "Deutschland einfach gut" und verrät ihren sehnlichsten Wunsch: "Ich möchte ein deutsches Auto. Mercedes oder BMW, das ist egal."
Ihr Gatte Long Kim hat auch ein Faible für Deutschland, das sich aber mehr aus seiner Bewunderung für Fußball nährt. Sein Held ist Michael Ballack. "Der ist einfach der Beste. Schade, dass er bei der WM nicht mitspielen konnte", findet Long Kim. In Deutschland waren die beiden noch nie. "Das ist zu teuer für uns", gibt Long Kim zu. Da sind sie froh, dass Deutschland in Gestalt des Oktoberfestes zu ihnen gekommen ist.
Lieber St. Pauli als Oktoberfest
Nicole Janner ist die einzige Frau im Dirndl. "Ich bin Münchnerin", sagt sie in breitem Baierisch. "Für mich ist das Oktoberfest ein Stück Heimat." Janner entpuppt sich zudem als Dirndldesignerin, die unter ihrem eigenen Label "Frangipanj BavariAsian Dirndl" in Phnom Penh farbenfrohe Dirndl aus reiner Khmerseide entwirft und in München verkauft.
Oktoberfestorganisator Tassilo Brinzer hingegen begnügte sich mit einem "Oktoberfest-Phnom-Penh"-T-Shirt. Und auch das nur ungerne, denn lieber hätte das von seinem Bundesligaverein FC St. Pauli getragen. "Wir haben hier in Phnom Penh einen St.-Pauli-Fanclub", strahlt Brinzer, der zu jener bunten Schar Deutscher gehört, die bei Kambodschareisen so von dem Land angetan waren, dass sie geblieben sind. Brinzers Café-Bar "La Croissette" an Phnom Penhs Uferstraße Sisowar Quay ist ein beliebter Treffpunkt für Touristen und Expats gleichermaßen.
Am Ende des Oktoberfestes konnten die Khmer "Ein Prosit der Gemütlichkeit" mitsingen. Oder entstand der Eindruck nur nach zu häufigem 'tigern'?
Egal, grad schee woars, das Oktoberfest am Mekong.
Bilderstrecke:
Q:http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,723689,00.html
Grad schee woars, das Oktoberfest am Mekong
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Stimmungshoch am Mekong-Ufer: In Phnom Penh haben Tausende Hauptstädter und Exilanten ein rauschendes Oktoberfest gefeiert. Statt Dirndl führten die Damen glitzernde Partykleidchen aus - doch Nürnberger Würstchen und Polonäse Blankenese begeisterten auch die Khmer.
"Tigern mer noch oanen", sagt Matthias Adam und macht sich auf Richtung Theke. Zurück kommt er mit zwei Wasserkaraffen voll mit "Tiger"-Bier. "Hier gibt es ja keine Maßkrüge", grinst der Frontmann der "Lumpn", bevor er und seinen drei Lumpenkollegen mit den Karaffen bewaffnet auf die Bühne klettert. Hier, das ist Phnom Penh, wo am Wochenende am Mekong ein rauschendes Oktoberfest gefeiert wurde. So richtig mit Zelt, Bier und eben der Stimmungskapelle "Die Lumpn" aus dem bayerischen Stachesried.
Bevor aber Bierzeltschlager wie "Hossa, Hossa" und "In München steht ein Hofbräuhaus" durch das weiß-blau geschmückte Festzelt dröhnen, erklärt einer der Lumpen seinem Publikum die beiden Grundregeln für ein zünftiges Oktoberfest. Erstens: "Immer, wenn dieses Lied ertönt, müsst ihr anstoßen und trinken." Die Band intoniert "Ein Prosit der Gemütlichkeit". Dann begeistert Adam die kambodschanischen Zuhörer mit der Khmer-Übersetzung des Trinkspruchs: "Loug Kev Leag!", was sinngemäß in etwa "Gute Gesundheit und viel Glück" bedeutet.
Regel Nummer eins wird gleich ein paar Mal mit großem Erfolg durchexerziert, bevor Regel Nummer zwei erläutert wird. Die besteht aus einem Wort: "Schunkeling". Schunkeling zu Schunkeling-Klassikern wie dem "Kufsteinlied" wird aber nur mit Hingabe von der deutschen Bezugsgruppe in der schwül-warmen Tropennacht praktiziert. Was nicht heißt, dass die asiatischen Neubayern starr und steif dagesessen hätten. Im Gegenteil. Flugs stehen sie auf den Tischen, stürmen die Bühne, tanzen außer Rand und Band.
Leberkäse kommt an, Sauerkraut weniger
Sekhon ist begeistert: "So habe ich mir das Oktoberfest vorgestellt. Ich kannte das bisher ja nur aus dem Fernsehen", sagt er verschwitzt, aber strahlend. Dann die bange Frage: "Ist das so wie das Original?". Über Antwort "Ja, nur in München ist alles noch größer, noch lauter" freut er sich, nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Bierglas und sagt mit Bestimmtheit: "Eines Tages werde ich es mir leisten können, mal zum richtigen Oktoberfest zu reisen."
Die vier "Lumpn" sind begeistert von der guten Stimmung in Phnom Penh. "Im Ausland sind die Menschen fast von Anfang an gut drauf. Die Deutschen brauchen einiges an Bier, bis sie aus sich herausgehen ", räsoniert Adam, der mit seinen Lumpen immerhin schon in Südafrika, in Brasilien und gar im Jemen aufgetreten ist, aber Phnom Penh findet er besonders gut. "In Brasilien sind wir unter freiem Himmel vor 40.000 Menschen aufgetreten. Das war schon toll. Aber hier gibt es ein Bierzelt, das ist halt schon authentischer."
An das im Eintrittspreis von 18 US-Dollar inbegriffene bayerische Buffet wagt sich so mancher Khmer nur mit Vorsicht. Pau, ein junger Taxiunternehmer, probiert zunächst nur Minihäppchen. Sein spontaner Kommentar über Sauerkraut: "Das ist nichts für mich." Leberkäse findet er Klasse, aber über den süßen Senf rümpft er die Nase. Nürnberger Würstchen, Schweinebraten und Knödel begeistern ihn.
Zum "Verdauungsspaziergang" schließt sich Pau der Polonäse Blankenese an, einer Frohsinnsübung, die unter den Asiaten erheblich mehr Anklang findet als Schunkeling. Pau ist zum Fest gekommen, weil er mal sehen wollte, ob Deutsche überhaupt feiern können. Seine deutschen Taxikunden seien meist so ernst und manchmal ein wenig bärbeißig, sagt er. "Ich bin überrascht, dass Deutsche so fröhlich sein können", gibt er zu.
Im Partykleidchen zur Polonäse
Das Publikum, an beiden Abenden zusammen immerhin gut 4000 Menschen, ist bunt gemischt. In Phnom Penh lebende Deutsche und Engländer, Amerikaner und Chinesen, Japaner und Koreaner, Diplomaten und Geschäftsleute amüsieren sich wie Bolle. Etwa die Hälfte der Oktoberfestbesucher am Mekong sind einheimische Khmer, und so manche der neureichen Khmer-Ladies erscheint ziemlich aufgedonnert zum Volksfest: zu grelles Make-up, aufgetuffte Frisuren, zu viel zu glänzender Schmuck und teure Partykleidchen. Man zeigt halt gerne, was man hat. Auch der Besuch des Oktoberfestes, also einer internationalen Veranstaltung, ist Beweis von Status und Weltläufigkeit.
Die Khmer-Damen lassen sich schnell von den "Lumpn" und dem Bier ihre blasierte Vornehmheit vertreiben und in Partylaune versetzen. Auf das Kommando "Die Gläser hoch" recken sie die Biergläser in die Luft, prosten sich zu und kippen ihr Bier. Sokha, die stolz erzählt, dass ihr Mann für eine "große Bank" arbeitet, findet "Deutschland einfach gut" und verrät ihren sehnlichsten Wunsch: "Ich möchte ein deutsches Auto. Mercedes oder BMW, das ist egal."
Ihr Gatte Long Kim hat auch ein Faible für Deutschland, das sich aber mehr aus seiner Bewunderung für Fußball nährt. Sein Held ist Michael Ballack. "Der ist einfach der Beste. Schade, dass er bei der WM nicht mitspielen konnte", findet Long Kim. In Deutschland waren die beiden noch nie. "Das ist zu teuer für uns", gibt Long Kim zu. Da sind sie froh, dass Deutschland in Gestalt des Oktoberfestes zu ihnen gekommen ist.
Lieber St. Pauli als Oktoberfest
Nicole Janner ist die einzige Frau im Dirndl. "Ich bin Münchnerin", sagt sie in breitem Baierisch. "Für mich ist das Oktoberfest ein Stück Heimat." Janner entpuppt sich zudem als Dirndldesignerin, die unter ihrem eigenen Label "Frangipanj BavariAsian Dirndl" in Phnom Penh farbenfrohe Dirndl aus reiner Khmerseide entwirft und in München verkauft.
Oktoberfestorganisator Tassilo Brinzer hingegen begnügte sich mit einem "Oktoberfest-Phnom-Penh"-T-Shirt. Und auch das nur ungerne, denn lieber hätte das von seinem Bundesligaverein FC St. Pauli getragen. "Wir haben hier in Phnom Penh einen St.-Pauli-Fanclub", strahlt Brinzer, der zu jener bunten Schar Deutscher gehört, die bei Kambodschareisen so von dem Land angetan waren, dass sie geblieben sind. Brinzers Café-Bar "La Croissette" an Phnom Penhs Uferstraße Sisowar Quay ist ein beliebter Treffpunkt für Touristen und Expats gleichermaßen.
Am Ende des Oktoberfestes konnten die Khmer "Ein Prosit der Gemütlichkeit" mitsingen. Oder entstand der Eindruck nur nach zu häufigem 'tigern'?
Egal, grad schee woars, das Oktoberfest am Mekong.
Bilderstrecke:
Q:http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,723689,00.html