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Afrika Ein Weltreisender berichtet ... aus Afrika

KingKong

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28 September 2015
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Hallo allerseits,

ich möchte in diesem Thread einige Berichte, Erlebnisse und Impressionen aus AFRIKA einstellen, die vorwiegend von meinen Reisen zwischen den Jahren 2006 und 2012 stammen. Ist also alles schon ein Weilchen her, soweit ich recherchiert habe hat sich dort aber bis heute nicht viel verändert. Das meiste ist also immer noch aktuell und hätte auch gestern erst passiert sein können.

Es ist klar, solche Schilderungen kommen in einem Pattaya-Forum ziemlich exotisch daher und soweit ich gesehen habe, sind hier Reiseberichte von außerhalb Thailand bzw. Asien nicht sehr zahlreich vertreten. Insofern weiß ich nicht, ob Geschichten aus einer für die allermeisten Member fremden Welt überhaupt von Interesse sind. Aber es kann ja nicht mehr passieren als dass diese Reihe wegen Erfolglosigkeit eingestellt wird ;).

In einem anderen Forum war das Interesse jedenfalls so riesig, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Daher bin ich eigentlich auch in diesem für mich noch ziemlich neuen Forum guten Mutes, möchte hier aber nicht alles einfach per Copy und Paste einstellen, sondern auch neue Berichte posten bzw. das Eine oder Andere neu zusammenstellen. Los geht's daher mit einem (bisher noch unveröffentlichten) Reisebericht über meinen Kurztrip von 10 Tagen nach SIERRA LEONE im Jahre 2012, also knapp 2 Jahre vor Ausbruch von Ebola.

Dann sehen wir entsprechend der Resonanz, ob und wie es weitergeht. Bei Gefallen gäbe es dann auch z.B. zu lesen über einen Fast-Knast-Aufenthalt im Kongo, einer der geilsten Nationalfeiern auf Erden mit über 10.000 nackten oder halbnackten Jungfrauen (?), über die endemische Tier- und Frauenwelt Madagaskars, meine schwarze Traumfrau aus Sambia, vom Aussterben bedrohte Geschöpfe in den Nebelbergen Ruandas usw.
 

emil51

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20 August 2013
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Hau in die Tasten, solche Berichte auch außerhalb Thailands sind interessant.
,
 

KingKong

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28 September 2015
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Mal eben kurz nach ... Sierra Leone

Urlaub in Sierra Leone ?

Urlaub in Sierra Leone ? Wie verrückt ist das denn ? Sierra Leone, hierzulande eher bekannt durch Blutdiamanten und einen schrecklichen Bürgerkrieg mit Kindersoldaten. Aber das ist lange her, das Friedensabkommen stammt aus dem Jahr 2002, und von der positiven Entwicklung, die das Land genommen hat, bekommt man in den Medien nichts mit. „Only bad news are good news …“

Der Frieden ist stabil, die Demokratie funktioniert. Der Präsident gab verfassungsgemäß nach zwei Amtszeiten sein Amt ab, der Kandidat der Opposition gewann. Alles blieb weitgehend friedlich beim Machtübergang. Eine lobenswerte Ausnahme im heutigen Afrika. Sierra Leone zählt mittlerweile zu den sichersten Ländern Afrikas. Wer hätte das gedacht ?

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind trotzdem immens und allgegenwärtig. Auf der UNO-Armutsskala klettert Sierra Leone vom letzten Platz nur langsam nach oben. Um die Entwicklung zu beschleunigen setzt man nun verstärkt auf die Förderung des Tourismus. Und hat tatsächlich auf diesem Gebiet einiges zu bieten.

Urlaub in Sierra Leone. Also doch keine so abwegige Idee ? Im Moment sicherlich noch höchst ungewöhnlich. Das könnte sich aber ändern. Wer neugierig geworden ist was man in einem solchen Land erleben kann, der darf ruhig weiterlesen …

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Airport Transfer

Wenn die Planer des Lungi Airport Freetown die Absicht hatten, dem Neuankömmling gleich bei der Ankunft etwas Besonderes zu bieten, dann haben sie dieses Ziel vollumfänglich erreicht. Dass der Flughafen nicht weit von der Stadt im Norden gebaut wurde, macht Sinn. Allerdings liegt die mächtige Mündung des Sierra Leone Rivers dazwischen und Brücken, tja, die gibt es leider nicht. Der Transfer per Straße würde durch das halbe Land führen, noch dazu auf holprigen Straßen. Die Fähre kümmert sich nicht um die Ankunftszeiten der Airlines, die sowieso meist abends im Dunkeln ankommen. Bleibt also der Transport per Boot oder Helikopter. Beide Transportmöglichkeiten hatten in der Vergangenheit schon mit ihren Tücken zu kämpfen, gingen unter bzw. stürzten ab.

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Ich wähle nach meiner Ankunft am Lungi Airport den Transfer durch die Luft, in der mutigen Annahme, das würde am schnellsten gehen. Schließlich ist es schon später Freitag Abend und ich möchte schnell in meine Unterkunft. Für das was sich aber draußen vor dem Flughafengebäude abspielt, bis ich mein Ticket habe, feststeht, welche Maschine ich bekomme (die erste), mein Gepäck wie von Geisterhand verschwindet (um wie aus dem Nichts bei der Landung wieder aufzutauchen) und ich einfach über Stock und Stein durch eine komplett dustere Gegend in Richtung Rollfeld geschickt werde und nach endlosem Warten endlich die Piloten auftauchen und eine rudimentäre Einweisung in gebrochenem Englisch geben, ist das Wort „chaotisch“ die reinste Schmeichelei.

Das ganze Prozedere dient auch nicht unbedingt meiner Beruhigung, als es endlich losgeht, wir knapp über dem dunklen Wasser schweben und in der Ferne endlich die Lichter von Freetown auftauchen. Keine 10 Minuten dauert der Flug, wir erreichen wohlbehalten den Landeplatz. Ich bin heilfroh. Es ist immer aufregend, in einem unbekannten Land anzukommen, überhaupt nicht zu wissen, wie es dort aussieht, was man zu erwarten hat, wie sicher man sich gerade im Dunkeln bewegen kann. Die Ankunft in Freetown / Sierra Leone setzt hier einen dramatischen Akzent. Oder ich hatte einfach nur Pech – vielleicht aber auch die falsche Wahl getroffen. Der Pelican Sea Coach Express, den ich eineinhalb Wochen später für den Transfer zum Abflug wähle, ist sehr viel besser organisiert, und die Anlegestelle ist noch dazu genau gegenüber von meinem Guesthouse. Hätte ich das vorher gewusst …

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KingKong

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Freetown – Die Hauptstadt

Wenn schon ein Baum als Hauptsehenswürdigkeit einer Stadt herhalten muss, sagt das etwas aus über deren Attraktivität. Aber damit tut man Freetown Unrecht. Denn erstens ist der „Cotton Tree“ tatsächlich ein mächtiger, vielleicht 500 Jahre alter Baum, an dem im Hellen unzählige Fledermäuse kleben, die nachts umso aktiver werden. Er steht mitten im Geschäftszentrum und taugt gut als Orientierungspunkt.
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In seiner Nachbarschaft befinden sich einige, teils restaurierte Kolonialgebäude, die das Nationalmuseum, den Gerichtshof und andere staatliche Behörden beherbergen. Dazu ein paar nicht unbedingt imposante Kirchen, ein paar Relikte, die mit der Sklavenzeit zu tun haben, aber kaum ausgeschildert und daher für den Unkundigen schwer zu finden sind, einige teils noch recht gut erhaltene Krio Häuser aus dem 19. Jahrhundert – das wars eigentlich an baulich Sehenswertem. Wahrlich nicht beeindruckend.
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Die wahre Schönheit Freetowns offenbart sich aber demjenigen, der sich - zu Fuß oder per Taxi- auf einen der umliegenden Hügel oder eine der Anhöhen begibt. Ich wähle die Umgebung des Fourah Bah College, unter dem sich die Stadt in seinem ganzen Ausmaß ausbreitet. Sie liegt traumhaft, langgezogen am Atlantik, durchzogen von Hügeln, Creeks und an einer ganzen Reihe von Buchten, Cline Bay, Destruction Bay, Susan’s Bay, Kroo Bay, White Mans Bay und der Man of War Bay, dort wo ich wohne.

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Am Hafen erkenne ich in der Ferne ein großes Schiff. Nanu, hat sich schon ein Kreuzfahrtschiff hierher verirrt ? Ich glaube nicht, ich vermute eher, es ist ein „Mercy Ship“, auf dem oder von dem aus ärztliche Versorgung geleistet wird. Eine Erinnerung daran wie es unten wirklich aussieht, denn die Slums fallen von hier oben gar nicht auf.
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In der Stadt geht es lebhaft zu, noch einen Tick lauter, bunter, chaotischer, aber gerade deshalb auch noch sehenswerter als in anderen Metropolen Afrikas. Manchmal scheint es, dass die Stadt ein einziger Markt ist, jeder hat irgendetwas zu verkaufen und sucht sich dazu eine freie Stelle, mag sie auch noch so winzig sein.
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Es herrscht ein unglaubliches Gewusel. Mir bleibt nichts anderes übrig als mich treiben zu lassen. Um mich herum sind Tausende von bunt angezogenen, lärmenden Schwarzen, es ist eine Orgie für die Sinne, faszinierend und atemberaubend für denjenigen, der ein Faible für afrikanische Märkte und keine Berührungsängste hat. Weiße sehe ich nur um das Geschäftszentrum am Cotton Tree herum, nur wenige, meist als Mitglieder von Hilfsorganisationen erkennbar, oft mit entsprechendem T-Shirt-Aufdruck.

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Obwohl ich mich auch in die ärmeren, östlichen Stadtteile wie Kissy verlaufe, werde ich nirgends schief angesehen. Offensichtlich tauchen hier öfter mal Bleichgesichter auf, ein Gefühl von Unsicherheit kommt weder hier noch sonst irgendwo auf.
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28 September 2015
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Viel Gelegenheit, eine Rast einzulegen und alles auf mich wirken zu lassen, finde ich nicht. Ich spüre nur ein Restaurant auf in der Innenstadt, das Cafe de la Rose, in der Nähe vom Busbahnhof. Vom ersten Stock aus hat man einen guten Blick auf das Geschehen auf der Straße –wenn man denn einen Platz findet. Denn um die Mittagszeit herum ist das Lokal gut besucht, vor allem von Geschäftsleuten.

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Downtown findet man an fast jeder Ecke die Money Changer, junge Männer, meist in kleinen Gruppen, die jeden ansprechen, der so aussieht als könnte er ein paar Bündel der einheimischen Währung mit dem wenig einfallsreichen Namen „Leone“, gebrauchen. Diese Methode des Geldwechsels ist einfach, zeitsparend gegenüber dem Umtausch in Banken oder Wechselstuben und man bekommt noch dazu den günstigsten Kurs. Das ganze passiert auf offener Straße, mitten unter den vorbei strömenden Menschenmassen. Ich werde gefragt, ob ich wechseln möchte, wenn ja welche Währung und wieviel, frage meinerseits nach dem Kurs –alle haben sich offensichtlich abgesprochen und bieten denselben, 5.800 Leone für 1 Euro-, der Geldboy öffnet seinen Rucksack, holt einige Bündel Geldscheine mit Banderolen heraus, jeweils 50 Scheine, dazu die passende Restmenge, gibt sie mir und bekommt dafür meine Euroscheine. Vertrauen ist gut, Kontrolle unmöglich. Der größte Geldschein ist der 10.000 Leone Schein, umgerechnet ca. 1,70 Euro, meist bekomme ich auch 5.000er, also 85 Cent, insgesamt einen ganzen Batzen Papier für meine Euro. Ich zähle die jeweils erst im Hotel nach, eher aus Neugier. Die Menge stimmt immer. Betrug kommt nicht vor. Man stelle sich dieses Prozedere in anderen Städten vor, nicht nur in Afrika. Wo auf offener Straße Geldmengen mal eben den Besitzer wechseln, die oft mehrere Jahreseinkommen mancher Familien entsprechen.

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Die Stadt putzt sich langsam heraus. Überall in der Stadt werden grün-weiß-blaue Fahnen aufgehängt. Man bereitet sich auf die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit vor. 50 Jahre Sierra Leone. Wo immer auch der bevorstehende Geburtstag erwähnt wird bricht lauter, überschwänglicher Jubel aus. Man ist sehr nationalstolz. Es wäre der Hit, die großen Parties, die überall stattfinden werden, mitzuerleben. Dann bin ich aber leider schon längst wieder zuhause. Aber ich beneide schon jetzt jeden, der am 27. April und sicherlich auch den Tagen und Nächten davor und danach mitfeiern kann.

Am Nationalstadion ist am Wochenende ein Event.

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Ich vermute, es geht um Live-Musik und es spielen verschiedene Bands. Also hin. Sonntag Abends, im Dunkeln, treffe ich samt weiblicher Begleitung ein, dazu später mehr und stelle fest, dass es eher etwas mit gemütlichem Beisammensein, Essen und Trinken, aber weniger BEtrinken, zu tun hat. Die Buden stehen dicht an dicht, jede hat eine Musikanlage mit Riesenboxen, jede Anlage wird bis zum Anschlag aufgedreht, so dass nur noch ein Krächzen herauskommt und alles vermischt sich zu einem ohrenbetäubenden Klangbrei. Auf der Hauptbühne treiben bekannte TV-Comedians ihre Scherze, in Krio, einer Art Pidgeon Englisch, und mir natürlich völlig unverständlich. Aber ich stelle auch fest, dass ich unter Tausenden von friedlich und lustig gestimmten Einheimischen der einzige Weiße bin -zumindest sehe ich keinen anderen-. Natürlich möchte ich meine Anziehungskraft auf die lokale Weiblichkeit austesten, lasse meine Begleitung (dazu komme ich später noch) mit ihrem Bier für eine Weile alleine und streife durch die Menge, werde aber nur selten wohlwollend beäugt. Und kehre einigermaßen frustriert zu meiner Lady zurück.

***** Fortsetzung folgt *****
 

KingKong

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Freetown – Der Verkehr

Ich will gar nicht den Versuch machen zu beschreiben, was sich auf den Straßen Freetowns abspielt. Man muss es einfach gesehen und erlebt haben. Oder besser nicht. Es drängen sich viel zu viele Fahrzeuge, oft genug schrottreife, auf „Straßen“, von denen nur wenige, im Stadtzentrum, asphaltiert sind. Der Rest ist teilweise übelste staubige Buckelpiste, durchsetzt mit hinterhältigen „Humps“, zur Geschwindigkeitsreduzierung, wo doch gar keine Geschwindigkeit erreicht wird. Wenn man nicht gerade im Morgengrauen aufbricht steht man den ganzen Tag über im Dauerstau. Für die Strecke von meinem Guesthouse nach Downtown benötige ich bei freier Fahrt keine 15 Minuten, vorexerziert mit einem Moped um 5 Uhr in der Frühe zum Busbahnhof. Tagsüber dauert die Strecke bis zu 2 Stunden, Oneway, Schwitzen im glutheißen Taxi inklusive.

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Aber es ist Besserung in Sicht. Die Chinesen sind da, wie überall in Afrika, und bauen die Hauptstraßen aus. Besser lassen bauen. Die Einheimischen schimpfen, das würde alles viel zu lange dauern, die Chinesen hätten keinen Plan und das Ganze nicht im Griff. Erzählen mir jedenfalls viele. Nun, irgendwann werden sie schon fertig, im Moment verschlimmern die Baustellen allerdings das Chaos noch weiter. Dabei kommt es zu lustigen Szenen. Die Arbeiter sind durchweg Schwarze, aber jede Kolonne wird beaufsichtigt von einem Chinesen, der ihre Arbeit genauestens überwacht. Oft stehen sie ein wenig erhöht, oft genug sitzen sie aber auch auf Campingstühlen, unter einem Sonnenschirm. Ok, auch sie sind die brutale Hitze nicht gewöhnt und leiden.

Es gibt hier viele Chinesen, aber man sieht sie in großer Anzahl eigentlich nur abends in den Casinos. Eines, mit auffallender nächtlicher Leuchtreklame, sehe ich mir mal von innen an. Da sitzen und stehen sie an den Roulette- und Black Jack Tischen, mit schwarzen meist weiblichen Croupiers, die wiederum von chinesischen Supervisor beaufsichtigt werden, haufenweise Fehler machen und dauernd zurecht gewiesen werden. Von Pokerface ist bei den Chinesen nichts zu sehen, sie strahlen übers ganze Gesicht bei Gewinnen oder fluchen wenn die falsche Zahl kommt.

Halb betrunkene Russinnen oder Ukrainerinnen sitzen derweil an der Bar und baggern einzelne chinesische Herren an, die mangels englischer Sprachkenntnisse nur verlegen vor sich hin kichern.

Ich hatte den Casinobesuch eigentlich als Auftakt eines alternativen Abendprogramms geplant, flüchte aber nach 20 Minuten aus dieser bizarren Welt.

Zurück zum Verkehr. Jeder Taxifahrer hat seine eigenen Ideen wie er den größten Stau auf Schleichwegen umfahren kann. Das Ergebnis ist aber stets dasselbe. Wir stehen. Nur langsam geht es vorwärts. Für mich hat es neben Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen und Schwindelanfällen wegen der Hitze und dem ewigen Gehupe den Vorteil, dass ich auf diese Weise viele Gegenden der Stadt abseits der Hauptstraßen kennenlerne. Hier mittendrin bietet sich oft ein ganz anderes Bild vom Stadtleben als von einer der Anhöhen. Ganze Stadtviertel sind mit Fug und Recht als Slum zu bezeichnen, teilweise von der übelsten Sorte. Es sind verstörende Anblicke, die sich aus dem im Stau stehenden Taxi bieten. Wenn z.B. nackte Kleinkinder im Dreck umher waten und auf Abfallbergen spielen. Ich bin dann froh, wenn es wieder ein paar Meter weiter geht, aber dort bietet sich dann ein ähnliches Bild.

Die UN ist mittlerweile weitgehend abgezogen, die NGOs sind in großer Zahl da, werden dringend gebraucht und können doch nur partiell Leid bekämpfen. Sierra Leone bildete –wie eingangs erwähnt- vor ein paar Jahren tatsächlich das Schlusslicht auf der UN-Armutsskala. Mittlerweile hat sich das Land um einige Plätze nach oben geschoben. Die Richtung stimmt, aber es bleibt noch so unendlich viel zu tun.

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Ich bin eigentlich gut zu Fuß und könnte auch große Teile meiner Wege laufen. Ob ich nun im Auto schwitze oder beim Laufen ist ja egal. Und viel später würde ich sicherlich auch nicht ankommen. Nur, wo soll ich laufen? Bürgersteige gibt es nicht. Man läuft am Rande der Fahrbahn, Zentimeter an den Autos vorbei, oder am Rand, schlängelt sich an den Verkaufsständen vorbei, weicht den entgegen kommenden Menschenmassen aus, watet im Müll und Dreck, atmet dabei Staub und Auspuffgase.

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KingKong

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28 September 2015
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Ein Touri unterwegs

Die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs in Freetown ist undurchschaubar und einfach zugleich. Man stellt sich an den Straßenrand und hält ein Fahrzeug an ! Das ist in meinem Falle in den seltensten Fällen einer jener Minibusse, die man überall in Afrika findet, Minivans, die feststehende Routen befahren, vollgepfercht mit Fahrgästen. Ein Boy hängt halb aus der Tür raus, schreit im Vorbeifahren das Fahrziel und rekrutiert die Kunden. Diese Minibusse heißen hier „Poda-Podas“.

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Für die beiden anderen Transportmittel, die ich öfter benutze, sollte man als Touri zumindest ein paar Schlagworte kennen, „No cha cha“ und „small, small“.

Letzteres ist angebracht, wenn ein „Okada“ angehalten wird, ein Mopedtaxi, und bedeutet: „Bitte, lieber Mopedfahrer, fahr etwas langsamer und vorsichtig, ich bekomme sonst Angst“. Die Okadas sind durchaus zweckmäßig, da sie sich im stauenden Verkehr durch die stehenden Autos schlängeln können und so schneller vorwärts kommen, ansonsten sind ihre Fahrer für ihre halsbrecherische Fahrweise berüchtigt.

Das gängige Fortbewegungsmittel für mich ist aber das „Shared Taxi“. Das sind Sammeltaxen, die auf mehr oder weniger festen Routen unterwegs Passagiere aufnehmen. Voll ist ein Taxi, wenn vorne neben dem Fahrer zwei, hinten vier Leute sitzen. Bei besonders voluminösem Körperumfang der Insassen aber auch schon mal weniger. Man steht einfach am Straßenrand, gibt Handzeichen, wenn sich ein Taxi nähert und ruft dem Fahrer sein Fahrziel zu. Entweder es passt, dann steigt man ein – oder halt nicht, er fährt weiter und man versucht sein Glück beim nächsten.

Es gibt so etwas wie Umsteigestationen über die Stadt verstreut, meist große Kreuzungen, wo man aussteigt und sich das nächste Taxi sucht, das in die Richtung fährt, in die man will. Die Einheimischen wissen natürlich Bescheid, wie man von A nach B kommt. Für mich als Newcomer dagegen ist das nicht so einfach und jedes Mal spannend, wie weit und wohin ich komme. Und wie viel ich bezahle. Mit meinem „Downtown“ oder „Cotton Tree“, wenn ich ins Zentrum will, habe ich selten Erfolg. Das ist zu weit weg und es liegen eigentlich Umstiege dazwischen. Dann versuche ich es mit „Congo Cross“, dem von meinem Hotel aus nächsten Knotenpunkt Richtung City. Und haben wir erst mal Congotown erreicht, bleibe ich stur sitzen (was aber auch oft damit zusammenhängt, dass ich gar nicht merke, dass wir schon da sind) und vertraue darauf, dass auch später dazu gestiegene Fahrgäste in die meinige Richtung wollen. Das klappt überraschend oft, und ich komme meist ohne Umstieg an mein Ziel.

Für jede Teilstrecke zahlen die Einheimischen 1.000 Leone (17 Cent). Ich grundsätzlich auch. Macht für die Fahrt ins Zentrum (wie im vorangegangenen Kapitel bereits beschrieben Fahrzeit tagsüber bis zu 2 Stunden) 2.000 Leone. Nur selten wollen die Fahrer einen Touriaufschlag von mir.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Taxi ganz für sich allein zu mieten. Darauf spekulieren viele Taxifahrer, weil es natürlich lukrativ für sie sein kann, wenn sie vom ahnungslosen Touri Mondpreise verlangen - und vielleicht auch noch bekommen. Hier kommt die magischen Worte „No cha cha“ beim Einsteigen ins Spiel, soll heißen, ich will nicht das ganze Taxi für mich, sondern als ganz normaler Kunde behandelt werden und auch entsprechend zahlen.

„Cha Cha“ macht aber manchmal auch Sinn. Dazu kommen wir später.

Hinsichtlich der Bezahlung gibt es ungeschriebene Regeln, die da lauten: nicht zu früh und nicht zu spät. Zu früh zu zahlen ist nicht gut, da sich jederzeit eine unvorhergesehene Änderung der Fahrtroute ergeben könnte. Zu spät, d.h. beim Aussteigen ist auch ungünstig, da es manchmal zu Diskussionen über den Fahrpreis kommt und sich die Standzeit des Taxis und die Wartezeit der verbliebenen Fahrgäste unnötig verlängert. Perfekt ist es, wenn man mit dem Ruf „Driver“ den Betrag dem Taxifahrer möglichst lässig herüber reicht und genug Fahrzeit bleibt, damit der Fahrer die Chance hat, auf der restlichen Strecke das Wechselgeld abzuzählen. Mein Timing hinsichtlich der professionellen Bezahlung ist alles andere als optimal. Wie sollte es auch anders sein, denn erstens weiß ich selten wo ich eigentlich bin und zweitens wo das Taxi überhaupt hinfährt.

Eines aber ist ein Taxi fast immer. Ein Ort der sozialen Kommunikation. Selten steigt jemand grußlos aus oder ein, fast immer werden die anderen Fahrgäste gegrüßt, fast immer entwickelt sich irgendeine Konversation, und sei es dass jeder über die unmöglichen Verkehrszustände in der Stadt schimpft.

***** to be continued *****
 

Turgay

In Memoriam
Verstorben
30 Mai 2010
4.512
7.453
3.318
Ankara
Hallo KingKong,

erstmal willkommen in Club.:bigsmile
Ich freue mich sehr das du jetzt hier schreibst.
Deine Berichte können eine Afrika Liebhaber Süchtig machen.
Ich werde natürlich weiter lesen und geniessen.

Gruss
Turgay
 
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Reaktionen: Paul und Lady pumpui

bruno513

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Vielen Dank. Ein Bericht aus einer anderen Welt. Ich lese gerne mit. Bitte weiter schreiben.
 

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